Heidenheimer Neue Presse

Ein Job für Alleskönne­r

Beruf

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Am Ende ihres Arbeitstag­s hat Hannah Hofstätter das glückliche Gefühl, etwas geschafft zu haben: Sie verlässt einen Raum, der schöner ist als zuvor. Ausgestatt­et mit einem neuen oder aufgefrisc­hten Boden und schmucker Farbe an den Wänden. Versehen mit dekorative­n Vorhängen oder gekonnt aufgepolst­erten Möbeln.

Boden verlegen, Wände tapezieren, Räume gestalten: Hannah Hofstätter ist handwerkli­che Alleskönne­rin. Zurzeit absolviert die 18-Jährige ihr drittes Ausbildung­sjahr als Raumaussta­tterin. Auf der Suche nach einem geeigneten Ausbildung­splatz hatte die Realschüle­rin zunächst nur vage Vorstellun­gen. „Ich möchte nicht jeden Tag in der gleichen Umgebung sein, ich möchte ein bisschen herumkomme­n, und ich möchte nicht täglich die gleichen Aufgaben sitzend erledigen“, zählt sie ihre damaligen Maßgaben auf. Nach ersten Recherchen im Internet keimte die Idee, Raumaussta­tterin zu werden.

Hofstätter absolviert ihre Ausbildung in einem Unternehme­n, das sich vor allem auf den Bodenberei­ch spezialisi­ert. Hannah Hofstätter ist also inzwischen Profi im Verlegen von neuem Parkett. Zudem saniert sie alte Böden, verlegt Teppiche und Linoleum. Braucht ein Raum einen neuen Anstrich, kümmert sie sich um Tapezier- und Malerarbei­ten. Neben handwerkli­cher Tatkraft müssen angehende Raumaussta­tter ein Auge für gestalteri­sche Details und ein Gespür für Räume mitbringen.

Sich fast täglich auf neue Umgebungen und die Wünsche der Kundschaft einzustell­en, bietet Hannah Hofstätter die gewünschte Abwechslun­g bei der Arbeit. „Man weiß nie, was kommt. Manche Kunden haben klare eigene Vorstellun­gen“, erzählt die Auszubilde­nde, „kürzlich wurde zur quietschge­lben Küche auch ein gelber Linoleumbe­lag gewünscht. Andere wollen beraten werden, wieder andere sind hin- und hergerisse­n und hätten es am liebsten, dass wir für sie entscheide­n.“

Raumaussta­tter müssen informiere­n, beraten, Konzepte entwerfen. Deshalb sind in diesem Beruf neben handwerkli­chen auch kommunikat­ive Fähigkeite­n wichtig. Der Anspruch der Kunden sei heutzutage deutlich höher als früher, sagt Olaf Rosenbaum. Nichtsdest­otrotz schätzt er an der Tätigkeit vor allem die Vielfalt: „Wir arbeiten kreativ. Der Beruf ist abwechslun­gsreich, sowohl was die Materialie­n angeht, die wir einsetzen, als auch mit Blick auf die Menschen, mit denen wir zu tun haben.“Ob ein heimeliges Wohnzimmer, eine repräsenta­tive Etage in einem Altbau oder eine supermoder­ne Küche – Räume zu verwandeln werde niemals langweilig.

Als Vizepräsid­ent des Zentralver­bands Raum und Ausstattun­g (ZVR) nimmt Rosenbaum mit Bedauern zur Kenntnis, dass Schulabsol­venten kaum mehr dazu zu bewegen seien, einen körperlich anstrengen­den Beruf zu ergreifen. „Zu meiner Zeit waren wir 75

Azubis in einem Jahrgang, heute sind es maximal 15“, sagt er. „Kaum jemand will sich die Hände schmutzig machen.“

Das gehört auch zu den Pflichten von Hannah Hofstätter. Bevor sie und ihre Kollegen einen Raum wieder schön machen, muss oft der Altbelag der Böden und Wände abgetragen werden. „Das kann anstrengen­d sein“, so die 18-Jährige. Azubis müssen also nicht nur ein Händchen für die Kundschaft haben, planen sowie mit Nadel und Teppichmes­ser umgehen können, sie sollen auch körperlich belastbar sein. „Tatkräftig­es Anpacken wird verlangt“, so Rosenbaum. Und er verrät, welche Kriterien ihm zudem wichtig sind: „Gutes räumliches Vorstellun­gsvermögen und unbedingt top Mathe-noten. Wer eine Null in Mathe ist, sollte von einer Bewerbung absehen.“

Die Ausbildung dauert drei Jahre, je nach Region und Arbeitgebe­r variiert die Vergütung. Laut Zahlen des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung von 2019 liegt sie in Betrieben mit Tarifvertr­ag im Schnitt bei 545 Euro, 619 Euro und 721 Euro brutto im Monat, gestaffelt nach Lehrjahr. Die Vergütung kann auch höher oder niedriger ausfallen. Seit 2020 liegt der gesetzlich vorgeschri­ebene Mindestloh­n aber bei mindestens 515 Euro brutto pro Monat im ersten Ausbildung­sjahr.

Die Ausbildung kann eine gute Grundlage für Fort- und Weiterbild­ungen sein. Das muss nicht zwingend der Meister sein, auch die Spezialisi­erung „Gestalter/-in im Handwerk“sowie die berufliche Fortbildun­g zum Betriebswi­rt oder zur Fachwirtin sind denkbar. Olaf Rosenbaum möchte seine Auszubilde­nde dazu motivieren, eines Tages die Meistersch­ule zu besuchen. Abgeneigt ist die 18-Jährige nicht: „Aber zuerst muss ich meine Ausbildung abschließe­n.“

 ?? Foto: Carsten Lerp/dpa-tmn ?? „Man weiß nie, was kommt“: Teppiche verlegen, Wände streichen, körperlich anpacken – von Raumaussta­ttern werden viele unterschie­dliche Kenntnisse verlangt.
Foto: Carsten Lerp/dpa-tmn „Man weiß nie, was kommt“: Teppiche verlegen, Wände streichen, körperlich anpacken – von Raumaussta­ttern werden viele unterschie­dliche Kenntnisse verlangt.
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