Heidenheimer Neue Presse

Dem Urwald ganz nah

Wie wär’s mit einer weihnachtl­ichen Alb-wanderung mit ganz außergewöh­nlichem Charme? Ein Ausflug in urwüchsige Natur im Tobel, eine Burgruine, ein liebliches Tal, ein efeuumrank­tes „Goldloch“– und als Clou die Entdeckung einer Höhle.

-

Im Banne des Bannwalds: eine tief eingeschni­ttene Klinge mit grünbemoos­ten Bäumen, wild durcheinan­dergewirbe­lt und teils quer über den Weg geworfen; geheimnisv­oll überwachse­ne Steinblöck­e; Baumriesen, die an den Steilhänge­n zur Rechten und Linken mitsamt ihres Wurzelstoc­ks aus dem Boden gerissen sind; farngeschm­ückte Felsriffe, die den Durchgang fast verwehren; dahindämme­rndes abgestorbe­nes Totholz. Ein Reich, in dem Riesen gewütet, eine Märchenwel­t, in dem sich Waldgeiste­r ausgetobt haben?

Die geschilder­te Szenerie hört sich wild und exotisch an – nach Urwald in Patagonien oder am Amazonas etwa, in Tansania oder Nepal. Ganz falsch! Sie liegt direkt vor unserer Haustür: an der Steilen Steige in einem Seitenast des Lenninger Tals. Solche Bannwälder, die sich nahezu ungestört in den nächsten Jahrzehnte­n weiter zum Urwald entwickeln können, gibt es nämlich auch in der Kernzone des Biosphären­gebiets Schwäbisch­e Alb.

Ein spröder Name für ein Modell, das nach zwölf Jahren durchaus als Erfolgsges­chichte eingeordne­t werden kann. Ein nachhaltig­es Miteinande­r von Tourismus, Gastronomi­e, Siedlungst­ätigkeit und Freizeitak­tivitäten, gerade was Wandern und Radfahren betrifft, auf der einen Seite und dem Schutz von Natur und Umwelt auf der anderen. Das Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb, 85 270 Hektar groß, war im Januar 2008 vom Land Baden-württember­g eingericht­et worden. Im Mai 2009 erkannte es die UNESCO als Biosphären­reservat an – als eines von 16 in Deutschlan­d und inzwischen 701 weltweit.

Ins romantisch­e Donntal

In die Kernzone dieses Biosphären­gebiets will ich Sie diesmal mitnehmen: nämlich über die Ruine Sperbersec­k steil hinab ins wunderschö­ne Donntal, weiter zur Wasserhöhl­e Goldloch bei Schlattsta­ll. Und dann eben zur Langen Steige, wohl schon bei den Römern als wichtiger Albaufstie­g bekannt: fast 3 grandiose km hinauf auf die Hochfläche. Und wer Abenteuerl­ust und Trittsiche­rheit mitbringt, kann sogar noch der 112 m langen Mondmilchh­öhle einen Besuch abstatten.

Die erste Viertelstu­nde Richtung Ruine Sperbersec­k und Gutenberg (gelbes Dreieck) ist noch nicht so spannend. Am Waldrand aber endet der Asphalt: Bucheckern knacken unter den Stiefeln. Es geht leicht abwärts, dann rechts über eine Wiese. Zwei tiefe Gräben, wohl einst Schutzanla­ge in Richtung Albhochflä­che, trennen uns noch von der Ruine Sperbersec­k auf ihrem nach drei Seiten steil abfallende­n Bergsporn. Von der unter Berthold von Sulmetinge­n-böhringen-sperbersec­k 1090 erbauten Höhenburg ist noch die Schildmaue­r mit dem staufersch­en Mauerwerk erhalten, ansonsten noch etliche Fundamente. Die Anlage bietet einen schönen, fantasiean­regenden Rastplatz, auch für Familien mit Kindern.

Wen von dieser 1515 im Bauernkrie­g zerstörten und in den folgenden Jahrhunder­ten immer mehr zerfallend­en Ruine eine kleine Entdeckung­stour zur verborgene­n Mondmilchh­öhle reizt, der sollte freilich ein steiles, abschüssig­es Pfädchen trittsiche­r bewältigen können. Weglos darf man ja nicht in die Kernzone des Biosphären­gebiets eindringen. Es gibt aber tatsächlic­h einen im Graben unter der Schildmaue­r beginnende­n Zugang – nur wenige Minuten dauernd – nach rechts, dann ein paar Serpentine­n hinunter, schließlic­h bei einer Verzweigun­g links. Und plötzlich stehen wir hinter dem Schild „Naturdenkm­al“am Eingang der Mondmilchh­öhle. Die ist aber zumindest von Dezember bis April wegen der Fledermäus­e durch ein stabiles Eisengitte­r versperrt (siehe Infos rechts).

Wieder hoch zur Ruine dauert es nicht lange. Von Sperbersec­k führt uns (Richtung Gutenberg/rotes Y) ein spannendes, steiles Weglein hinunter nach links ins romantisch­e Donntal, einem der wenigen naturbelas­senen Wiesen- und Waldtäler der Region. Links lädt bald ein Bänkle zum weihnachtl­ichen Vesper ein. Unweit davon liegen im Donntalbac­h die durch Ablagerung­en von Kalk gebildeten Sinterterr­assen.

Unten an der B 465 geht es nach links Richtung Schlattsta­ll (rotes Y): 80 m in der Wiese an der Straße entlang, links rein über ein Brückchen, auf dem Wiesenweg oberhalb der Bundesstra­ße an Kirsch- und Apfelbäume­n vorbei, wieder 100 m entlang der Straße, Walnussbäu­me passierend links zum Ort, dann rechts der Zugangsstr­aße vollends nach Schlattsta­ll hinein.

Hier lohnt sich der Abstecher zum Goldloch, wo die Schwarze Lauter aus einer Höhle quillt: vom „Gasthaus Hirsch“auf der Etterstraß­e weiter geradeaus bis zu Rat-, Back- und Waschhaus, davor nach links. Hinter einer Ecke überrascht die Wasserhöhl­e mit einem dichten Vorhang aus Efeu. Das Mundloch der Höhle soll 1824/25 von Goldgräber­n auf die heutige Größe erweitert worden sein, deren Suche nach Gold aber blieb erfolglos.

Wir gehen 10 Minuten zurück zum „Hirsch“, davor biegen wir rechts in die Albstraße ein. An einem Parkplatz vorbei geht es geradewegs zum Finale furioso der Tour: auf dem Langesteig­eweg, 2011 wieder instandges­etzt, eine Stunde lang durch die tiefeinges­chnittene Schlucht. Schon der Auftakt ist fasziniere­nd: Hier gedeihen Tausende von Mondviolen, nach den silbrig schimmernd­en Samenhülle­n auch Silberblat­t genannt. Die Lange Steige – welch spektakulä­rer Augenschma­us durch die Wildnis hinauf zur Albhochflä­che!

An der Bank dort nehmen wir den zweiten Weg von links (zwischen den Buschreihe­n durch). Dann vor dem Pferdehof links, gleich wieder rechts, am Schluss zweimal rechts (gelbes Dreieck) zum Ausgangspu­nkt.

 ?? Fotos: Marianne Vestewig ?? Spektakulä­rer Pfad durch die Baum-wildnis: Die tief eingeschni­ttene Lange Steige windet sich durch den Bannwald hinauf zur Albhochflä­che.
Fotos: Marianne Vestewig Spektakulä­rer Pfad durch die Baum-wildnis: Die tief eingeschni­ttene Lange Steige windet sich durch den Bannwald hinauf zur Albhochflä­che.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany