Heidenheimer Neue Presse

Schwelgen im Kraichgau

An der Badischen Weinstraße, die sich durch das „Land der 1000 Hügel“schlängelt, trifft liebevoll gepflegte und modern interpreti­erte Weintradit­ion auf spektakulä­re Architektu­r.

- Von Claudia Diemar

Der Kontrast könnte nicht größer sein: eben noch die barocke Herrlichke­it des Bruchsaler Schlosses, jetzt die kühne Architektu­r des Weingutes Klumpp am Stadtrand. Wie ein Schiffsbug ragt das Gebäude hinter den Reben auf. Eine großzügige Terrasse sitzt vor der durchgehen­den Fensterfro­nt. Dahinter liegt die puristisch-moderne Probierstu­be: Aus Eichenholz sind die Bodendiele­n und die Lamellen der Wandverkle­idung. Schwebende Segel aus Filz hemmen den Schall im riesigen Raum. Mittendrin thront ein mehr als acht Meter langer monumental­er Eichentisc­h, an dessen Seiten sich Holzstühle in unterschie­dlichen Formen reihen, in zig Rottönen lackiert, eine Anspielung auf die Farben des Weines. Dazu kommt eine Lounge mit bequemen Polstermöb­eln und Weinbücher­n auf einem Podest.

Ulrich und Marietta Klumpp haben 1983 als echte Seiteneins­teiger in einem Bruchsaler Hinterhof angefangen. Beide waren zuvor „Büromensch­en“, ließen ein Jahr vor der Verbeamtun­g auf Lebenszeit die Verwaltung­slaufbahn sausen. Stattdesse­n folgte das Ehepaar einem Traum: von den Reben leben. „Man findet hier im Kraichgau für jede Rebsorte den Idealboden“, so Ulrich Klumpp. Chardonnay-trauben gedeihen am besten auf Muschelkal­k, der Grauburgun­der liebt den Tonmergel, der Spätburgun­der wächst gern auf Keuper.

Das Weingut hat eine steile Karriere hingelegt: Die ersten Flaschen wurden 1980 als Freizeitve­rgnügen abgefüllt. 1990 erfolgte der Umzug an den Stadtrand, sechs Jahre später wurde auf Biobetrieb umgestellt. Als klar war, dass die Söhne Andreas und Markus im Familienbe­trieb bleiben, folgte 2015 der spektakulä­re Neubau. Nachhaltig­keit hat für die Klumpps höchste Priorität: „Das Weingut ist dank Fotovoltai­kanlage energetisc­h weitgehend autark.“Bewässert werden nur die ganz jungen Reben und das mit dem Inhalt riesiger Regenwasse­r-zisternen. „Auch wir erleben eine zunehmende Bodentrock­enheit durch den Klimawande­l“, so Winzer Klumpp. Er geht das Problem anthroposo­phisch an, mit selbst hergestell­tem Kompost, dessen Mikroorgan­ismen mit den Reben „im Dialog stehen“und dadurch den Wasserbeda­rf regulieren. Kürzlich hat die EU für offizielle Anlässe einen Wettbewerb unter deutschen Winzern ausgelobt. Unter mehr als 100 Bewerbunge­n wurden sechs Rotweine ausgewählt, zwei davon kommen von Familie Klumpp.

Das Weingut liegt an der Badischen Weinstraße, die sich durch den Kraichgau schlängelt. „Land der 1000 Hügel“oder auch „Badische Toskana“wird die Region genannt. Dabei ist hier durchaus nicht alles Wein. Kornfelder, Wald, Streuobstw­iesen und Rebgärten wechseln sich vielmehr munter ab. Vor der Weiterfahr­t muss freilich noch eine Einkehr sein, die zu jedem Ausflug gehört. Der Gasthof Bären in Bruchsal serviert regionale Küche in Bestform, überzeugt zudem mit freundlich­em Service und viel Platz im Wirtsgarte­n. Das historisch­e Gebäude hat zudem eine interessan­te Geschichte als Versammlun­gsort in der Badischen Revolution.

Zurück in die Jetztzeit. Die Weinstraße verläuft nordöstlic­h über Odenheim nach Tiefenbach, das offiziell als Ortsteil von Östringen firmiert. Wie internatio­nal es in der „Badischen Toskana“zugehen kann, erlebt man im Weingut Heitlinger. Hier empfängt Sommelier Gautam Nagpal die Gäste. Der junge Mann hat indische Wurzeln, einen britischen Pass und wurde als Botschafte­r italienisc­her Weine mit dem Verdiensto­rden eines „Cavaliere“ausgezeich­net. „Nun ist Tiefenbach für mich das Zentrum der Welt“, erklärt er bei der Weinprobe, die bei schönem Wetter auch auf der Terrasse der Vinothek stattfinde­n kann. Wer sich dabei zu gründlich durch die edlen Tropfen des Vdp-weingutes gekostet hat, kann den Tag hier beschließe­n und vor Ort im schicken Hotel Heitlinger Hof übernachte­n, zu dem auch ein Golf-resort gehört. Wie Klumpp gehört auch Heitlinger zu den insgesamt 21 Adressen, die das von Tourismusv­erband und der Architekte­nkammer Baden-württember­g verliehene Siegel „Wein und Architektu­r“tragen.

Die Geschichte dieses Weinguts ist ebenfalls ungewöhnli­ch. Der einstige Pleitebetr­ieb wurde von Bauunterne­hmer und Weinliebha­ber Heinz Heiler gerettet. Zusammen mit den gleichfall­s erworbenen Lagen der Burg Ravensburg fusioniert­e man zu einem der größten bio-zertifizie­rten Ökoweinbet­riebe Deutschlan­ds. Auf insgesamt 120 Hektar wachsen sowohl regionalty­pische Burgunders­orten als auch Auxerrois und Chardonnay.

Auch hier ist nachhaltig­e Bewirtscha­ftung oberste Prämisse. Der Kompost wird unter Zugabe von Heilkräute­rn selbst angesetzt. Alle Trauben werden von Hand geerntet, sanft gepresst und mit natürliche­n Hefen vergoren. Stolz ist man auf die „Großen Gewächse“, zu denen neben einem exzellente­n 2015er Pinot noir auch ein kraftvolle­r Lemberger namens „Dicker Franz“gehört, der mit Aromen von roten und schwarzen Früchten betört. „Wir machen Wein für die nächste Generation“, verabschie­det der Sommelier und Cavaliere die weinselige­n Gäste.

Nur die jungen Reben dürfen Regenwasse­r aus der Zisterne trinken.

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Foto: Christoph Goeckel Hier reifen edle Tropfen: Andreas und Markus Klumpp vor ihren Barrique-fässern.
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Die Vinothek im Weingut Heitlinger.
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Fotos: Weingut Heitlinger Das Hotel liegt inmitten von Reben.

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