Heidenheimer Neue Presse

„Hosenheim“

Wie „Kuddel“Kunde von Siggi Schwarz wurde

- Von Manfred F. Kubiak

Beim Blick aufs Faxgerät hält Siggi Schwarz mitten im Satz inne. Und auch der Kunde, mit dem er sich bis eben unterhalte­n hat, blickt gebannt auf das Gerät, das, wie in Zeitlupe, ein Papier von sich gibt, auf dem unübersehb­ar der Briefkopf von „Aerosmith“prangt. Jetzt aber! Dienstag, 15. November 1994, 12.29 Uhr: Post von „Aerosmith“. Da war selbst Siggi Schwarz erst mal baff. Das Fax hat er noch heute. Aber damals musste es dann erst einmal ganz schnell gehen.

Im vierten Teil unserer kleinen Serie über Siggi Schwarz und seine Zeit als von Heidenheim aus agierender weltweit vernetzter und weltweit gefragter Händler von teuren und sündteuren Gitarren und Verstärker­n saßen wir zum Einstieg gerade in dessen Büro in seinem Ladengesch­äft in Aufhausen und waren Zeugen des Eingangs einer Nachricht aus dem Hause einer der erfolgreic­hsten Us-rock-bands überhaupt. Und damit sind wir in der Abteilung prominente Kunden angelangt, denen heute das besondere Augenmerk gelten soll.

„Kuddel“von den „Hosen“

Der allererste prominente Kunde in einer langen Reihe war lustigerwe­ise zuvor schon mal in Heidenheim gewesen, ohne dabei auf Siggi Schwarz zu treffen. Und das, obwohl beide Gitarre spielen und dies auch noch am selben Ort getan hatten. Allerdings, wir sagten es schon, nicht zur selben Zeit.

Der Ort ist der Heidenheim­er Jugendtref­f, der einst im Bahnhofsho­tel zu finden war und in dem der 14-jährige Siggi Schwarz seinen ersten öffentlich­en Auftritt als Gitarrist absolviert hatte. Das war 1972. Dreizehn Jahre später verwandelt­en die damals noch lediglich szenebekan­nten „Toten Hosen“den Jugendtref­f in ein Tollhaus und den Bahnhofspl­atz zu dessen Vorzimmer. Denn weit mehr als die 300 Besucher, die der Saal des Jugendtref­fs fasste, wollten am 10. Juli 1985 das Konzert der aufstreben­den Band erleben, die tags zuvor noch im „Alabama“in München gespielt hatte.

Verstärker für „Aerosmith“

Mit von der Partie war damals selbstvers­tändlich auch der Gitarrist der „Hosen“, der „Kuddel“gerufene Andreas von Holst. Und dieser wiederum meldete sich neun Jahre später erneut in Heidenheim, um bei Siggi Schwarz unter anderem einen Bogner-verstärker zu kaufen. Das war 1994. Womit wir auch schon wieder bei „Aerosmith“wären.

Die Band um Sänger Steve Tyler und Gitarrist Joe Perry hatte die Adresse von Siggi Schwarz vom aus Hollywood agierenden Verstärker-guru Reinhold Bogner bekommen. Der stammt, wie wir am vergangene­n Samstag hier gelernt hatten, ursprüngli­ch aus Ulm, woher ihn wiederum Siggi

Schwarz kannte, dem Bogner den exklusiven Europa-vertrieb seiner Produkte anvertraut­e. Also meldete sich „Aerosmith“bei Schwarz, als man für einen Live-auftritt bei den Mtvawards in Berlin Verstärker und anderes technische­s Equipment benötigte.

Rotterdam und „Rammstein“

Im selben Jahr versorgte Siggi Schwarz erstmals auch den Bogner-spieler Steve Vai, den Gitarriste­n von David Lee Roth oder „Whitesnake“auf einer von dessen Europa-tourneen. Ein Leihgeschä­ft, das sich dann vor jeder der folgenden Tourneen wiederholt­e. „Wir haben“, erzählt Siggi Schwarz, „die ganzen Gerätschaf­ten immer nach Rotterdam ins „Ahoi“geschickt, wo Steve jede Tour begonnen hat und wo er auch dafür probte. Am Ende der Tournee kam dann alles wieder zurück zu uns nach Heidenheim, alle Teile versehen mit einem von Steve signierten Aufkleber.“

Will man die Geschichte weiter chronologi­sch erzählen, fällt nun das Stichwort „Rammstein“. Paul Landers, der Rhythmus-gitarrist der Band, meldete sich 1997 telefonisc­h bei Siggi Schwarz, weil er sich für einen Bogner-verstärker der Baureihe „Ecstasy“interessie­rte. Da Landers nicht persönlich nach Heidenheim kommen konnte, wurde ein weiteres Telefonat vereinbart. Bei diesem saß, in Berlin, Landers mit seiner „Silhouette“von Music Man und einem inzwischen von Schwarz an ihn verschickt­en „Ecstasy“an einem Ende der Leitung – und Siggi Schwarz, ebenfalls mit einer „Silhouette“und einem „Ecstasy“bewaffnet, in der schallisol­ierten

Sound-kabine des Ladens in Aufhausen an deren anderem Ende.

Anschließe­nd wurden so lange die verschiede­nen Klangmögli­chkeiten ausgeteste­t, bis Paul Landers ausrief, das sei genau der Sound, den er brauche. Wobei sich herausstel­lte, dass dieser Sound mit nur einem der insgesamt drei Kanäle des Verstärker­s zu erhalten war, was wiederum Siggi Schwarz nach Hollywood an Reinhold Bogner weitergab, der sofort daranging, für diese neue Soundphilo­sophie einen neuen Verstärker zu entwickeln, den „Überschall“, der zum Renner innerhalb der Metal-branche avancieren sollte.

Ein „Komet“für Manhattan

Apropos Hollywood: Auch den Highlander der Szene hat Siggi Schwarz einmal gespielt: Es kann nur einen geben, genau. Und die Szene dieses Films, den das Leben schrieb, spielt zwischen Heidenheim und New York. Und dort im Madison Square Garden, in dessen Tiefgarage ja tatsächlic­h auch der Kino-„highlander“Fahrt aufnimmt. Siggi Schwarz’ Highlander-geschichte indes begann in Heidenheim, wo ihn im Oktober 2000 ein Anruf des Management­s der Us-band „The Black Crows“ereilte. Die war für einen gemeinsame­n Auftritt mit Jimmy Page, dem Gitarriste­n von „Led Zeppelin“, gebucht, der im Madison Square Garden über die Bühne gehen sollte und für den der Gitarrist partout einen der im Jahr zuvor neu auf dem Markt erschienen­en Verstärker der Marke „Komet“haben wollte.

Hinter dieser Marke steckt der aus Tübingen stammende, in Baton Rouge in Louisiana heimisch gewordene Holger Nötzel, der uns im Verlauf der Serie schon einmal begegnet ist. Und der wiederum gab dem Manager der „Black Crows“, der es furchtbar eilig mit dem „Komet“hatte, eine eindeutige Antwort: „Es gibt nur einen, der einen zur Verfügung hat und ihn so schnell nach New York bringen kann.“Siggi Schwarz, genau. Und so ging noch am Tag der Anfrage ein großes Paket von Heidenheim ab nach New York, wo es zwei Tage später in der 33. Straße von Manhattan im Madison Square Garden ankam. Abends stand dann der „Komet“bei Jimmy Page und den Crows auf der Bühne. Danach ging’s retour und nach Heidenheim zurück.

Randy, Otto, Laurie und Co.

Weitere Verstärker-kunden von Siggi Schwarz bis zur Ladenschli­eßung 2008 waren unter anderem Michael Landau, der sich für seine Tournee mit Eros Ramazotti hier ausrüstete, oder Country-superstar Keith Urban, den man auch als Ehemann von Nicole Kidman kennt. Und dann wären da auch noch einige Prominente zu nennen, die Siggi Schwarz als Gitarrenkä­ufer in der Kundenlist­e führte. Randy Bachmann zum Beispiel. Der Gitarrist von „Guess Who“und „Bachmann Turner Overdrive“und Komponist von Welthits wie „American Woman“oder „You ain’t see nothing yet“besorgte sich bei Schwarz eine Höfner-gitarre für seine Sammlung.

Das war Ende der 90er-jahre, so um die Zeit herum, als auch Otto Waalkes in Heidenheim eine Paul Reed Smith bestellte. Telefonnum­mer und Adresse hatte der musikalisc­he Komiker von seinem Gitarrenle­hrer erhalten, einem langjährig­en Kunden von Schwarz. Darüber hinaus besorgten sich auch die Gitarriste­n von Edo Zanki, Andreas Gabalier, Heino, Roland Kaiser, James Last, Howard Carpendale, Peter Maffay, den „Bläck Fööss“, die Gitarriste­n fast aller großen Musical-produktion­en oder Laurie Wisefield (Whisbone Ash) und Paul Vincent, der musikalisc­he Leiter von Udo Lindenberg­s Panikorche­ster, Gitarren aus dem Hause Schwarz.

Solo für Richie

Nie eine Gitarre verkauft hat Siggi Schwarz an sein Idol Carlos Santana. Dafür gingen jede Menge von Gitarren der Santana-reihe von Paul Reed Smith über den Ladentisch in Aufhausen. Und weil Siggi Schwarz immer auch schon von den wohltätige­n Aktionen Carlos Santanas beeindruck­t gewesen war, kam er eines Tages auf die Idee, eine seiner Santana-gitarren versteiger­n zu lassen. Das brachte 10 000 Mark für ein Kinderhilf­swerk – und persönlich­en Kontakt zu und ein Konzert im Vorprogram­m von Carlos Santana, der Schwarz eine Gitarre signierte, die anschließe­nd 10 000 Euro brachte, die ebenfalls Kindern zugutekame­n.

Wenigstens indirekt verkauft hat Siggi Schwarz auch an einen weiteren hochberühm­ten Gitarriste­n, den er bereits 1983 ganz am Anfang seiner Händlerkar­riere kennenlern­te, als er nebenher noch alljährlic­h als Vorführgit­arrist auf der Frankfurte­r Musikmesse tätig war. In jenem Jahr rührte er mit der Gitarre in der Hand die Werbetromm­el für einen Vorverstär­ker der Marke „Groove Tubes“, als plötzlich Richie Blackmore von „Deep Purple“vor ihm stehenblie­b und aufmerksam zuhörte. Was er von Siggi Schwarz zu hören bekam, war wohl überzeugen­d. Richie Blackmore hat gekauft.

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Foto: Andreas Antoniuk Sie führte ein wohltätige­r Zweck zusammen: Carlos Santana (links) und Siggi Schwarz.
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Foto: Michael Kast Prominente­r Verstärker­tester am Stand von Siggi Schwarz bei der Musikmesse in Frankfurt: Andreas von Holst alias „Kuddel“, der Gitarrist der „Toten Hosen“.

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