Wie feiert ...?
Weihnachten läuft vielerorts auf der Welt in diesem Jahr anders ab als sonst. Unsere Korrespondenten schildern, wie in ihren Ländern die Menschen das Fest feiern.
USA
1 „So sehr ich es bedauere,
werde ich zum ersten Mal seit über 30 Jahren Weihnachten nicht mit meinen Töchtern feiern“, sagt Amerikas angesehenster Immunologe Anthony Fauci. Wie auch die Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control (CDC) legt er seinen Landsleuten nahe, wegen steigender Coronazahlen – inzwischen werden mehr als 300 000 Tote gezählt – dieses Jahr auf Besuche bei Verwandten zu verzichten. Der deutliche Anstieg der Infektionen nach dem Thanksgiving-fest habe bewiesen, dass selbst Begegnungen in kleinem Kreis Gefahr bergen. 22 Us-staaten haben Reisebeschränkungen erlassen, das Adac-pendant AAA erwartet 34 Millionen weniger Reisende als im Vorjahr auf den Straßen. „Genießt die Festtage mit der unmittelbaren Familie, wir müssen die Kurve flach halten“, sagt Henry Walke vom CDC.
Brasilien
2 Lange Zeit galt
Brasilien als eines der am schlimmsten von der Corona-pandemie betroffenen Länder. Dazu trug ein chaotischer Kurs des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro bei, der zwei Gesundheitsminister verschliss und sich offen gegen viele Empfehlungen von Fachmedizinern stellte. Inzwischen ist das Land mit 89 Toten pro 100 000 Einwohner in der Tabelle der amerikanischen Johnshopkins-universität der tödlichsten Länder von Platz fünf auf Platz 18 zurückgefallen. Das hat allerdings dafür gesorgt, dass viele Brasilianer die Pandemie nicht mehr so richtig ernst nehmen. Es wird wieder gefeiert, in den Samba-schulen und bei vielen Partys. Der Preis für den Tanz auf dem Drahtseil ist allerdings hoch: Seit einigen Tagen steigen die Todes- und Infektionszahlen wieder rapide an. Die Pandemie ist zurück.
Spanien
3
Anfang Dezember
war die Welt noch in Ordnung. Da stellte das spanische Gesundheitsministerium den „Weihnachtsplan“fürs ganze Land vor, und der klang sehr entspannt: Erlaubt sind Familienfeiern mit bis zu zehn Leuten, man darf seine Heimatregion verlassen, und die Ausgangssperre tritt nach Heiligabend und Silvester erst um 1.30 Uhr in Kraft.
Jetzt, kurz vor dem Fest, steigen wieder die Infektionszahlen, und vor einigen Tagen bat der Gesundheitsminister seine Kollegen in den Regionen, doch etwas strenger mit ihren Bürgern zu sein. Einige haben schon reagiert, andere – vor allem Madrid – wollen während der Festtage weiter Fünfe gerade sein lassen. Die Spanier sind wohl willig, sich an die Regeln zu halten. Wenn sie nur wüssten, welche Regeln gerade gelten. Die können sich jeden Tag ändern.
Frankreich
4 Die zweite Viruswelle
hat sich links des Rheins als noch schlimmer entpuppt als die erste. Dank einer Ausgangsperre, der ein sechswöchiger Lockdown folgte, konnte die Zahl der täglichen Neuinfektionen jedoch gedrittelt werden. Im gleichen Zeitraum sank die Auslastung der Betten auf den Intensivstationen durch Corona-patienten von 96 auf 56 Prozent. Eine Entwicklung, die es der Regierung ermöglichte, den Lockdown zu lockern. Allerdings geht die Lockerung mit einer Ausgangssperre zwischen 20 und 6 Uhr einher, die allein Heiligabend außer Kraft tritt.
Dass unsere Nachbarn sich nun zumindest tagsüber wieder frei und ohne Passagierschein bewegen dürfen, mag eine spürbare Erleichterung darstellen. Doch Kinos, Theater, Museen sowie Sporteinrichtungen sind weiterhin geschlossen.
Großbritannien
5 Dieses Fest
verbringen die Briten am besten wie der menschenscheue Geizhals Scrooge aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens: allein im Bett mit der Decke über den Kopf. Premierminister Boris Johnson musste die eigentlich geplante Lockdown-pause nicht nur zurücknehmen, sondern wegen der grassierenden Corona-mutation sogar den Südosten Englands mehr oder weniger abriegeln.
Ein Drittel der Nation ist praktisch isoliert, Kontakt- und Reiseverbote sind in Kraft, man darf nur jeweils eine Person unter freien Himmel treffen. Fast alle Geschäfte sind geschlossen. Die Regierung warnt vor Familienfeiern. Auch die Queen und Prinz Philip feiern statt mit der weitläufigen Familie nun mustergültig allein im Schloss Windsor. Hoffnung schöpfen viele Briten nun aus den Schutzimpfungen, die angelaufen sind.
Italien
6 Italien steht
angesichts anhaltend hoher Opferzahlen bei nur langsam sinkenden Neuinfektionen ein Weihnachtsfest mit verschärftem Lockdown bevor. Regierung, Regionalverwaltungen und Opposition stritten lange, wie die über die Feiertage typischen großen Familienfeste verhindert werden können. Die Regierung hat strikte Maßnahmen beschlossen. Seit Montag gilt eine Reisesperre zwischen den Regionen. Bis zum 6. Januar ist das Land mit Ausnahme einiger Tage nach Weihnachten praktisch im Lockdown. Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, nur Waren des täglichen Bedarfs dürfen verkauft werden. Ein Großteil der Bevölkerung respektiert die nächtliche Sperrstunde und die Maskenpflicht. Die Zustimmungswerte von Ministerpräsident Giuseppe Conte sind im Vergleich zum Frühjahr allerdings gesunken.
Russland
7 Covid-19
müht sich, auch Russland die Festtage zu verderben. Nach amtlichen Angaben sterben im Dezember täglich 450 bis 600 Menschen. Allerdings wirken die Deutschen in Moskau fast unfroher als die Russen – auch wegen der Lockdown-nachrichten aus der Heimat.
Der ökumenische Gottesdienst in der Deutschen Botschaft am Heiligabend findet aus Hygienegründen unter freiem Himmel statt. Die orthodoxen Kirchen aber bleiben geöffnet. In Petersburg müssen die Gaststätten über Neujahr dichtmachen. Moskau hat nur die Weihnachtsmärkte gestrichen. Im benachbarten Twer werden sie gerade aufgebaut. „Silvester zieht aus Moskau ins Umland um“, titelt die Zeitung Kommersant. Und die Ferienheime in der Moskauer Region wünschen von den Neujahrsgästen einen negativen Covid-19-test.
Neuseeland
8 In Neuseeland
gibt es – außer in Quarantäne-hotels, in denen Neuankömmlinge 14 Tage verbringen müssen – aktuell keine Fälle von Corona und deshalb auch keine weiteren Restriktionen. Allerdings sind aufgrund der weltweiten Transportprobleme in vielen Geschäften die Regale ziemlich leer. Dennoch: Weil in Neuseeland gerade Sommer ist, feiern viele eine andere Art der weißen Weihnacht: mit Grill und gut gefüllten Kühltaschen am weißen Sandstrand.
Neuseeland hat – dank beherzter Maßnahmen und seiner Insellage – die Pandemie bislang gut im Griff. Während Menschen in anderen Ländern ihre Feiern beschränken müssen, kann hier das stundenlange große Christmas Dinner zu Hause steigen. Der zweite Feiertag ist verkaufsoffen, es gibt Sonderangebote, das Gedränge wird – wie in jedem Jahr – immens sein.
Cook-inseln
9 Kein Corona,
nirgends. Die Cook-inseln sind eine der wenigen Corona-freien Regionen auf der Welt. Rick und Marie Hickling verbringen ihr Leben halbjahresweise in Whitianga in Neuseeland und hier auf Rarotonga. Nun sitzt das Rentner-ehepaar schon fast das ganze Jahr in dem mit Neuseeland assoziierten pazifischen Inselstaat fest, weil Neuseeland aufgrund der Pandemie im März die Grenze dichtmachte und Air New Zealand nicht mehr hinfliegt. Also feiern die Hicklings Weihnachten in Maries Heimat. Viele der 15 000 Einheimischen leiden Not, weil sie total vom Tourismus abhängig sind. Sie warten sehnsüchtig auf das bilaterale Reiseabkommen mit Neuseeland – und feiern Weihnachten unter sich. Der karnevalsähnliche Umzug mit rauschebärtigem Santa fand bei 33 Grad Celsius in der Hauptstadt Avarua statt. Am Weihnachtsfeiertag wird nach dem Kirchgang, alle ganz in Weiß gekleidet, mit Familie und Freunden bergeweise Essen in Erdöfen gegart. Danach ziehen viele mit Zelt, Luftmatratzen und Kühlschrank für eine Woche an die Strände.