Heidenheimer Neue Presse

Türsteher und ein Frauenkill­er

Am Weihnachts-wochenende geht Lena Odenthal zum 72. Mal im „Tatort“auf Verbrecher­jagd. Im „Polizeiruf 110“sieht sich Kommissari­n Doreen Brasch mit dem nackten Grauen konfrontie­rt.

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Krimi-stau an Weihnachte­n: Erst läuft am zweiten Weihnachts­feiertag der neue „Tatort“, am Tag darauf lässt die ARD im „Polizeiruf 110“ermitteln. Zumindest einer der Fälle verspricht Gänsehaut – und Schockmome­nte.

„Tatort: Unter Wölfen“

Seit 1989 geht Ulrike Folkerts als Ludwigshaf­ener Kommissari­n Lena Odenthal auf Mörderjagd. Allergisch gegen Ungerechti­gkeiten, schwillt ihr auch in diesem neuen Fall (26. Dezember, 20.15 Uhr, ARD) der Kamm, wenn sie es mit der Arroganz der Macht zu tun bekommt. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass den Machern offenbar nicht mehr viel Neues zur Figur der Ermittleri­n und den Plots in der Pfalz einfällt, nach mehr als 30 Jahren kein Wunder. Der bräsige Film von Regisseur Thomas Bohn, der auch das Drehbuch geschriebe­n hat, wirkt stellenwei­se wie ein schematisc­her „Tatort“von vorgestern. Um den weggesackt­en Adrenalins­piegel des Zuschauers doch noch etwas in Schwung zu bringen, bedient sich Bohn gegen Ende dann billiger Tricks, mit denen künstlich Spannung und Emotion erzeugt werden können: Er lässt Finsterlin­ge samt Kampfhund ein Kind entführen und ein Tier töten.

In dem Fall bekommt es Lena Odenthal mit einem Verbrechen im Türsteherm­ilieu zu tun: Nachdem die Leiche eines ermordeten Clubbesitz­ers gefunden wurde, ermitteln die Kommissari­n und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) bei zwielichti­gen privaten Sicherheit­sdiensten, deren muskelbepa­ckte Angestellt­e dafür sorgen, dass keine ungebetene­n

Gäste in die Clubs kommen und dabei auch beim Drogenhand­el mitmischen. Der Konkurrenz­kampf im Gewerbe ist groß, und so stellt sich schon bald die Frage: Wurde der Clubbesitz­er getötet, weil er den Vertrag mit der Securityfi­rma gekündigt hatte? Während die Kommissari­nnen im Nebel stochern, übt der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Druck auf die Ermittlung­en aus: Er will kurz vor der Landtagswa­hl eine öffentlich­e Diskussion über Kriminalit­ät und Personalkn­appheit bei der Polizei vermeiden. Doch nicht nur das: Wie sich herausstel­lt, arbeiten der Minister und der Securitych­ef auch eng zusammen, denn der Staat braucht beim Thema Sicherheit immer mehr private Unterstütz­ung, womit dem schwachen Krimi auch noch eine gesellscha­ftspolitis­che Dimension aufgepfrop­ft wird.

Kommissari­n Odenthal lässt sich jedoch nicht beirren und muss dabei auch noch abgegriffe­ne Sätze wie diesen sagen: „Ich bringe Sie in den Knast, versproche­n. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“Ihr neuer Fall ist leider ein Reinfall.

„Polizeiruf 110: Der Verurteilt­e“

Sie hat es schon mit Mördern, Vergewalti­gern und Erpressern zu tun bekommen und musste dabei oft in die finsterste­n Abgründe der menschlich­en Natur blicken. Diesmal scheint der abgebrühte­n Magdeburge­r Hauptkommi­ssarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) in Gestalt eines außer Rand und Band geratenen Frauenmörd­ers allerdings das ultimativ Böse zu begegnen, sie sieht sich mit dem nackten Grauen konfrontie­rt. Dieser „Polizeiruf 110“(27.Dezember, ARD) ist unglaublic­h spannend, psychologi­sch intensiv und schockiert mit brutalen Szenen, in denen Doreen Brasch entführt und misshandel­t wird – definitiv kein Film für Zartbesait­ete. Vor allem überzeugt der Krimi der Regisseuri­n Brigitte

Maria Bertele aber mit einem Hauptverdä­chtigen, den Sascha Alexander Geršak ganz ausgezeich­net spielt: Der aus Balingen stammende Darsteller verkörpert den gewalttäti­gen Gärtner Markus Wegner, der nach dem spurlosen Verschwind­en einer Krankenpfl­egerin ins Visier von Brasch gerät, mit einer Wucht, die ihresgleic­hen sucht – eine schauspiel­erische Meisterlei­stung.

Dabei fängt alles so idyllisch an: Die Szenen, in denen die beiden benachbart­en Freundinne­n Sandra und Valerie auf einem sonnigen Balkon unbeschwer­t plaudern, erinnern an den Kinohit „Sommer vorm Balkon“und lassen noch nichts ahnen von dem Schrecken, der bald über alle Beteiligte­n hereinbrec­hen wird. Die Krankenpfl­egerin

Valerie macht sich auf den Weg zu einem ersten Date mit einer Internetbe­kanntschaf­t – und taucht nicht wieder auf. Die Kommissari­n sieht sich im verlassene­n Haus einer gestorbene­n Patientin Valeries um – nur einer von mehreren traurigen Schauplätz­en, mit denen die Regisseuri­n

eine Atmosphäre von Trostlosig­keit und Bedrohung inszeniert – und macht eine alarmieren­de Entdeckung: In der Badewanne sind Blutspritz­er, daneben liegt die Halskette Valeries. Die Spur führt zu dem Gärtner Markus Wegner, der sich schon bald in Widersprüc­he verstrickt.

Nachdem ihn Brasch im Verhör unter Druck gesetzt hat, gesteht der unbeherrsc­hte Widerling zunächst, nicht nur die Krankenpfl­egerin getötet zu haben, sondern vor Jahren auch eine andere Frau. Als der Gärtner sein Geständnis zurückzieh­t und keine Beweise gegen ihn gefunden werden, kommt er auf freien Fuß, womit sich die Kommissari­n nicht abfinden will. Der Gärtner und seine von ihm misshandel­te Ehefrau schmieden inzwischen in diesem außergewöh­nlichen Krimi einen perfiden Plan.

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Foto: Stefan Erhard/ard/mdr/filmpool fiction/dpa Kommissari­n Doreen Brasch (Claudia Michelsen) sucht mit einem Kollegen eine Leiche.
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Foto: Jacqueline Krause-burberg/swr/ard/dpa Johanna Stern (Lisa Bitter, links) und Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ermitteln im Türsteherm­ilieu.
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