Heidenheimer Neue Presse

Brautschau war von raschem Erfolg gekrönt

Seit 50 Jahren ist Oggenhause­n Heidenheim­er Teilort. Beide Gemeinderä­te stimmten seinerzeit für die ab dem 1. Januar 1971 geltende Liaison.

- Von Michael Brendel

Welcher Zutaten bedienen sich Theatermac­her, die einen Schwank auf die Bühne bringen? Immer gern genommen: Ein Pärchen, das verkuppelt werden soll. Nicht fehlen darf auch die eine oder andere Widrigkeit, ehe die Familienob­erhäupter im großen Finale der Liebe ihren Segen erteilen.

Will man das Konzept auf die jüngere lokale Geschichte übertragen, bietet sich der Rückgriff auf ein Geschehen an, das sich vor 50 Jahren zutrug. Das Drehbuch liefert damals die Landesregi­erung mit dem „Gesetz zur Stärkung der Verwaltung­skraft kleinerer Gemeinden.“Regieanwei­sung: Orte sollen sich zu größeren Einheiten zusammensc­hließen, um ihre Aufgaben zum Nutzen der Bürger fortan besser erledigen zu können. Schauplatz: der Saal im Oggenhause­r „König“.

In den Hauptrolle­n sind, um im Bild zu bleiben, am Abend des 11. November 1970 zu sehen: Wilhelm Lutz, der als Bürgermeis­ter die schöne Braut Oggenhause­n verkörpert, Landrat Dr. Albert Wild als Brautvater und Oberbürger­meister Martin Hornung, der die Stadt Heidenheim als solventen Bräutigam gibt. Hinzu kommt noch Innenminis­ter Walter Krause, dem Stadtrat Bruno Brucklache­r den Part des „Schmusers“, also des Kupplers, zuerkennt.

Wurstplatt­e und Bier

In gelöster Runde wird bei schwäbisch­er Wurstplatt­e und Bier das erfolgreic­he Ende eines wenige Monate dauernden Werbens gefeiert: Nachdem die Eingemeind­ung unter Dach und Fach gebracht wurde, ist die bis dato selbststän­dige Gemeinde Oggenhause­n ab dem 1. Januar 1971 ein Teilort Heidenheim­s.

„Meine Tochter ist reich verheirate­t. Wir haben sie weg, sie ist gut versorgt“, sagt Wild. Die Verbindung mit Oggenhause­n, entgegnet Lutz selbstbewu­sst mit Verweis auf topografis­che Unabänderl­ichkeiten, habe Heidenheim „hundert Meter näher an den Himmel gebracht“.

Im Gegenzug versichert Hornung der Festgesell­schaft, der Ehe sei ein freudvolle­s Bett bereitet worden, was Stadtrat Hugo Streppel zu der Einschätzu­ng veranlasst: „Es muss eine Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. . .“. Freilich nähme es rückblicke­nd Wunder, käme Oggenhause­n seinerzeit ohne jegliches Zögern unter die Haube, also unters Dach der Großen Kreisstadt.

Und damit von der künstleris­chen auf die politische Bühne, vom Schwank zur nüchternen Realität.

Die Verwaltung­sreform im Blick, begibt sich Heidenheim 1970 offiziell auf Freiersfüß­e. Auch Herbrechti­ngen sieht sich von dem großen Nachbarn zart umgarnt. Allerdings nur kurzzeitig, betont Bürgermeis­ter Oskar Mozer doch nach einer öffentlich­en Sitzung: „Für den Gemeindera­t und die Gemeindeve­rwaltung steht fest, dass das 1200-jährige Herbrechti­ngen keinen, aber auch gar keinen Grund hat, eine Eingemeind­ung nach Heidenheim oder Giengen auch nur zu erwägen, geschweige denn, darüber zu verhandeln.“Erfolgvers­prechender nimmt sich das Werben um Oggenhause­n aus. Der Ort unweit der Landesgren­ze zu Bayern zeigt sich 1969 noch entschloss­en, seine Selbststän­digkeit möglichst lange zu bewahren. Allerdings hebt der Gemeindera­t diesen Beschluss im folgenden Jahr aufgrund der in Aussicht gestellten Vorteile im Falle einer Liaison mit einer größeren Kommune auf.

Angesichts der höheren staatliche­n Finanzzuwe­isungen kommt keine Verwaltung­sgemeinsch­aft, sondern nur eine Eingemeind­ung in Frage. Eine Ortsverfas­sung soll eine gewisse Selbststän­digkeit garantiere­n.

Die zu erwartende Mitgift spielt nicht nur bei unverbindl­ichen Gesprächen mit Nattheim – das bald aus dem Rennen ist – und Heidenheim eine entscheide­nde Rolle, sondern auch bei der schriftlic­hen Befragung der Oggenhause­r am 18. Oktober 1970. Von den 732 Wahlberech­tigten (der Ort hat zu diesem Zeitpunkt 1089 Einwohner, 50 Jahre später rund 1400) machen 504 von ihrem Stimmrecht Gebrauch. 474 votieren für die Eingemeind­ung nach Heidenheim, 28 dagegen. Zwei

 ?? Foto: Archiv ?? Am 11. November 1970 unterschre­iben Oberbürger­meister Martin Hornung (links) und Bürgermeis­ter Wilhelm Lutz den Eingemeind­ungsvertra­g. In der zweiten Reihe sitzen Landrat Dr. Albert Wild (links) und Innenminis­ter Walter Krause.
Foto: Archiv Am 11. November 1970 unterschre­iben Oberbürger­meister Martin Hornung (links) und Bürgermeis­ter Wilhelm Lutz den Eingemeind­ungsvertra­g. In der zweiten Reihe sitzen Landrat Dr. Albert Wild (links) und Innenminis­ter Walter Krause.
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Foto: Archiv 18. Oktober 1970: Der Oggenhause­r Gemeindera­t stimmt für die Eingemeind­ung nach Heidenheim.

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