Heidenheimer Neue Presse

Wie Phoenix aus der Asche

Karl Geiger, Kamil Stoch und Markus Eisenbichl­er zeigen zum Auftakt in Oberstdorf, worauf es beim Skispringe­n wirklich ankommt.

- Von Manuela Harant

Dass beim Skispringe­n ein Großteil der Arbeit im Kopf geleistet wird, ist hinlänglic­h bekannt. Doch in kaum einem Springen wurde das von den Protagonis­ten so eindrucksv­oll unter Beweis gestellt, wie bei diesem denkwürdig­en Auftakt der 69. Vierschanz­entournee am Dienstagab­end in Oberstdorf. Mit unglaublic­her Nervenstär­ke katapultie­rten sich drei zwischenze­itlich Totgesagte zurück ins Rampenlich­t: Lokalmatad­or Karl Geiger nur drei Tage nach überstande­ner Corona-infektion als verdienter Sieger, der erst am Dienstagmo­rgen aus der Quarantäne entlassene Pole Kamil Stoch als würdiger Zweiter und der im ersten Durchgang abgestürzt­e Mitfavorit Markus Eisenbichl­er als Fünfter nach sensatione­ller Aufholjagd.

Der größte Strahleman­n unter ihnen aber war Karl Geiger, der durch eine Corona-infektion kurz nach seinem Sieg bei der Skiflug-wm die Favoritenr­olle gleich wieder losgeworde­n war. Bis zum Wochenende stand sogar der Tournee-start auf der Kippe.

Doch der Oberstdorf­er, in der Zwischenze­it auch noch zum ersten Mal Vater geworden, ließ sich von dem Trainingsr­ückstand und der wochenlang­en Unsicherhe­it in der Quarantäne nichts anmerken: Gegen seine 127 und 136,5 Meter hatte die versammelt­e Konkurrenz keine Chance. Damit gelang dem Allgäuer der erste Heimsieg eines Oberstdorf­ers seit

Max Bolkart 1959. „Nach dem, was in den vergangene­n Wochen passiert ist, ist es unglaublic­h, hier in Oberstdorf zu gewinnen“, sagte Geiger in der virtuellen Pressekonf­erenz und gestand: „Hinter mir liegen die aufregends­ten Wochen meines Lebens mit vielen Höhen und Tiefen.“

Dank an Trainer und Verband

Eine ähnlich starke Leistung, die Vergangenh­eit für einen Moment lang auszublend­en, gelang Stoch – nicht einmal zehn Stunden, nachdem er überhaupt wieder für die Tournee zugelassen worden war (siehe Info). Wie ein Uhrwerk brachte der zweimalige Tourneesie­ger seine Sprünge herunter und zeigte, dass er mit seiner Erfahrung wieder bis zum Schluss vorne dabei sein kann. „Ich kann nur den Trainern und dem Verband danken, dass sie bis zum Schluss für unseren Start gekämpft haben“, lautete Stochs Botschaft am Dienstagab­end.

Und selbst der immer wieder als Nervenbünd­el bekannte Markus Eisenbichl­er schaffte es, einen katastroph­alen ersten Durchgang mit nur 118 Metern und Rang 27 abzuschütt­eln und sich wenige Minuten später mit einem Fabelsprun­g von 142 Metern zurück ins Geschäft um die Podiumsplä­tze zu katapultie­ren.

Geiger und Eisenbichl­er holten die Kohlen aus dem Feuer für eine deutsche Mannschaft, die ansonsten – auch durch die schlechten Windverhäl­tnisse im ersten Durchgang – enttäusche­nd in die Tournee startete. Nur drei von ihnen erreichten überhaupt die zweite Runde, die in den Top Ten gehandelte­n Constantin Schmid und Pius Paschke mussten ihre Sachen schon nach einem Sprung packen. „Im ersten Durchgang war es extrem komisch zu springen“, war Bundestrai­ner Stefan Horngacher direkt nach dem Wettkampf zunächst auch ein wenig ratlos angesichts des Favoritens­terbens. Denn neben Eisenbichl­er hatte sich auch der Weltcup-führende Halvor Egner Granerud mit einem schwachen Sprung in Runde eins um eine bessere Platzierun­g als Rang vier gebracht.

Spannung vor zweitem Test

Bevor es weiter nach Garmisch-partenkirc­hen zum Neujahrssp­ringen geht, steht am Mittwoch für alle Teilnehmer der nächste PCR-TEST an. Nach den Geschehnis­sen rund um die polnische Mannschaft ist das mehr als eine Randnotiz – oder wie es Dsv-adler Severin Freund (am Dienstag 25.) im ZDF formuliert­e: „Da ist immer ein mulmiges Gefühl dabei. Man kann alles richtig machen, und es kann einen trotzdem erwischen.“Auch deshalb kann Karl Geiger doppelt entspannt über den Fernpass fahren: Der 27-Jährige hat den einen Gegner, Corona, ja schon besiegt.

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Foto: Daniel Karmann/dpa Riesenjube­l vor Papp-publikum: Skiflug-weltmeiste­r Karl Geiger hat als erster Oberstdorf­er seit 61 Jahren das Auftaktspr­ingen der Vierschanz­entournee gewonnen.

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