Mehrwertsteuersenkung war ein Flop
Die Konjunktur wurde kaum belebt, urteilt das Ifo-institut.
Die Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 hat die Konjunktur kaum angekurbelt. Die Konsumausgaben stiegen dadurch um 6,3 Milliarden Euro, schätzt das Münchner Ifo-institut. Das wäre nur knapp ein Drittel der Steuerausfälle von etwa 20 Milliarden Euro. Es sei zu befürchten, „dass Kosten und Nutzen in einem eher ungünstigen Verhältnis
zueinander stehen“, sagte der Ifo-experte Andreas Peichl dem „Handelsblatt“.
Um die Konjunktur nach dem Corona-schock anzukurbeln, wurde der normale Mehrwertsteuer-satz vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent gesenkt, der ermäßigte von 7 auf 5 Prozent. Nach einer Ifo-umfrage im Oktober und November tätigten aber nur zwei Prozent der 30 000 Befragten größere Anschaffungen, die sie ohne den Kaufanreiz nicht gemacht hätten. An erster Stelle standen Elektrogroßgeräte, gefolgt von größeren Bau- und Renovierungsarbeiten sowie dem Kauf von Möbeln.
Zu einem ähnlichen Ergebnis war auch eine Umfrage für die fünf Wirtschaftsweisen gekommen. Danach erwogen elf Prozent
der Befragten, für 2021 geplante Konsumausgaben vorzuziehen. Zudem sei die Senkung nur zum Teil an die Verbraucher weitergegeben worden. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte die Maßnahme verteidigt. Sie sei befristet worden, damit die Verbraucher größere Anschaffungen nicht wegen der Pandemie aufschieben.
Das Jahr der Pandemie ist Geschichte. Willkommen im neuen Jahr der Pandemie! Wer hier Spott oder Häme herausliest, dem sei versichert, das ist nicht die Absicht. Es geht um einen ehrlichen Ausblick. Für diesen tut eine gewisse Schonungslosigkeit not, denn Corona würde 2021 selbst dann dominieren, wäre in Deutschland bereits am Neujahrstag die Herdenimmunität erreicht. Denn anderen Ländern in anderen Erdteilen, vor allem in Afrika, stehen längst noch keine Impfungen zur Verfügung, und das wird auch noch einige Zeit so bleiben.
Dabei leiden die Menschen dort besonders unter viel härteren Einschränkungen, die nötig sind, weil ihre Gesundheitssysteme viel schlechter sind als unseres, das ja gerade an seine Grenzen stößt. Kommen dort dann noch Klima bedingte Wetterextreme, Dürren und Kriege hinzu, die die lokale Wirtschaft zum Erliegen bringen, ist die Katastrophe da. Sie wird noch verheerender, weil wegen Corona rund 100 Milliarden Euro an ausländischen Investitionen aus den armen Ländern abgezogen wurden. David Beasley, der Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms (WFP), das vor wenigen Wochen den Friedensnobelpreis erhielt, hat es vor dem Un-sicherheitsrat so gesagt: Corona trifft die Entwicklungsländer am härtesten. Rund 270 Millionen Menschen droht der Hungertod.
Es ist wichtig, sich dies bei einem Blick ins neue Jahr und in folgende Jahre zu vergegenwärtigen. Denn dieses Szenario bleibt auch dann bestehen, selbst wenn 2021 ein Jahr der Beruhigung würde, weil es dem neuen Us-präsidenten Joe Biden gelingt, die global wirkenden Fehler seines Vorgängers auszumerzen und das Verhältnis zu Europa, Russland und China
zu entspannen. Es gilt auch dann, wenn 2021 in Deutschland ein Jahr des Optimismus würde, weil die Finanzanalysten recht haben und der Dax im nächsten Dezember bei 15000 Punkten steht. Und es bleibt auch, wenn 2021 ein Jahr des Nachholens werden würde, weil der steigende Mindestlohn, die wachsende Pendlerpauschale, das aufgestockte Kindergeld, der wegfallende Soli, die Grundrente, vor allem aber die hoffentlich bald wieder eröffnenden Restaurants, Konzerte, Theater und Kinos und möglichen Urlaubsreisen unser Leben erleichtern und unsere Wohlbefinden zurückkehren oder wachsen ließen.
Die angekündigte nächste afrikanische Tragödie muss wie der Klimaschutz im Zentrum aller Politik stehen.
Diese angekündigte nächste afrikanische Tragödie muss wie der Schutz des Klimas im Zentrum aller Politik stehen. Denn hätte WFP-BOSS Beasley mit seiner düsteren Vorausschau recht, bliebe eine neue Flüchtlingswelle gewiss nicht aus. Das uneinige Europa wäre dafür aber überhaupt nicht gewappnet. Es drohten mehr Radikalisierung und mehr Spaltung.
Dem aktiv vorzubeugen ist der primäre Auftrag nicht nur für Staatenlenker und Politiker, die sich hierzulande bei der Bundestagswahl und sechs Landtagswahlen (davon vier in Ostdeutschland) zu bewähren haben. Es ist Aufgabe aller, die Demokratie zu stärken, Egoismen zu vermeiden und so mehr Gerechtigkeit zu ermöglichen. Es liegt an uns, 2021 zu einem Jahr der Perspektive zu machen.