Heidenheimer Neue Presse

„Träumen und Vorfreude sind wichtig“

- Michael Gabel

Sonia Lippke, Professori­n für Gesundheit­spsycholog­ie und Verhaltens­medizin an der Jacobs University Bremen, gibt Tipps, wie man aus diesem ganz besonderen Jahreswech­sel positive Energien ziehen kann.

Mehr Sport treiben, weniger essen – das sind vor „normalen“Jahreswech­seln oft die guten Vorsätze fürs neue Jahr. Auch diesmal?

Sonia Lippke: Solche Vorsätze könnten diesmal sogar noch eine größere Rolle spielen als sonst. Denn viele Menschen haben während der Lockdown-phasen zugenommen. Aber es werden sicher auch noch andere Ziele gesetzt. Schon in der Vergangenh­eit hat sich der Trend abgezeichn­et, dass man sich weniger stressen lassen will und zum Beispiel mehr Zeit mit der Familie verbringen möchte. Ich nehme an, dass sich dieser Trend noch stärker fortsetzt.

Wie kann man es schaffen, seine guten Vorsätze wirklich umzusetzen?

Es ist immer wichtig, sich positive Ziele zu setzen – also nicht zu sagen: ,Ich möchte weniger essen’, sondern ,Ich möchte gesund essen und ein neues Körpergefü­hl entwickeln’. Und man sollte sich kleine Zwischenzi­ele setzen, damit man das große Endziel auch erreichen kann. Das bedeutet, wenn mein Ziel ist, dreimal pro Woche eine halbe Stunde sportlich aktiv zu sein, dann fange ich mit dreimal zehn Minuten an und steigere mich.

Wie können wir nach all dem Frust positive Gedanken entwickeln?

Indem wir versuchen, das, was vor uns liegt, selbst zu gestalten. Das ist schwierig, klar. Weil man nicht genau weiß, was kommen wird. Aber wenn Menschen wie verschreck­te Häschen einfach abwarten, was passiert, fühlen sie sich ausgeliefe­rt und werden unzufriede­n.

Jetzt zum Beispiel den Sommerurla­ub zu planen, wird aber schwierig. Denn man weiß ja nicht, welche Corona-einschränk­ungen noch kommen.

Dennoch sollte man positive Ziele nicht aus den Augen verlieren. Und Urlaub kann auf jeden Fall ein solches Ziel sein. Das Träumen davon und die Vorfreude sind wichtig. Aber natürlich muss man sich auch Alternativ­en überlegen für den Fall, dass etwas dazwischen kommt.

War 2020 für Jugendlich­e ein verschenkt­es Jahr?

Komplett verschenkt würde ich nicht sagen. Dass man den meisten Jugendlich­en anmerkt, dass sie ihr normales Leben und ihre normalen Kontakte vermissen, ist eigentlich ein gutes Zeichen. Denn es ist die Voraussetz­ung dafür, dass sie, wenn die Beschränku­ngen vorbei sind, auch wirklich wieder losgehen und nicht als Stubenhock­er zu Hause bleiben.

Besteht diese Gefahr auch für Erwachsene?

Hohe Erwartunge­n sind in Ordnung.

Grundsätzl­ich ja. Aber je jünger die Menschen sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie sich an das Leben im Lockdown gewöhnen und gar nicht mehr richtig rausgehen wollen oder können.

2020 war ein Jahr zum Vergessen. Treibt das die Erwartunge­n an 2021 nicht in Höhen, die niemals erreicht werden können?

Es ist schon in Ordnung, wenn die Menschen hohe Erwartunge­n an das kommende Jahr haben. Aber gleichzeit­ig sollten sie auch dann zufrieden sein, wenn nicht alles ganz so toll wird, wie sie es sich jetzt uns vorstellen. Es schadet nicht, ein bisschen Bescheiden­heit zu üben und mit dieser Krise dazuzulern­en.

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Sonia Lippke, Professori­n für Gesundheit­spsycholog­ie.

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