Heidenheimer Neue Presse

Vorsicht vor dem Winter

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Der alte Mann hatte sich viel vorgenomme­n. Inmitten einer Live-sendung griff er den Stargast scharf an: Mehrfach fielen die Wörter „Betrug“und „Falschspie­ler“. Keinesfall­s, warnte der Alte, solle man Aktien der Firma dieses Gastes erwerben. Ebenjener Gast, gerade erst zum „Unternehme­r des Jahres“gekürt, blieb allerdings locker, lächelte einfach und gab Belangslos­igkeiten zum Besten. Auf die Vorwürfe ging er einfach gar nicht erst ein. Den Rest erledigten die Moderatore­n, die schnell anfingen, sich über den Alten lustig zu machen. Vielleicht sei er ja nur neidisch, mutmaßte eine Moderatori­n zum Schluss.

Das war 1998. Die Szenen lassen sich heute noch auf Youtube betrachten. Gewarnt hatte der damalige Börsenexpe­rte André Kostolany, einfach nur gelächelt hatte Gerhard Schmidt. Die Aktie seiner Firma „Mobilcom“stand damals bei 80,70 Euro. Am nächsten Handelstag nach der Sendung stieg sie sogar auf 85,13 Euro.

Heute findet ein Mann wie Elon Musk mit Tesla die Aufmerksam­keit der Medien.

Niemand hatte auf den Alten gehört. Das war ein Fehler. Einige Zeit später kostete eine Aktie von Mobilcom weniger als 20 Cents. Wer zum damaligen Kurs etwa für 100 000 Euro Aktien gekauft hatte, besaß kurz darauf nur noch den Gegenwert von 240 Euro. Das war für die Investoren nicht so gut.

Heute findet ein Mann wie Elon Musk mit seiner Firma Tesla die Aufmerksam­keit der Medien und damit auch vieler unerfahren­er Aktionäre. Niemand will behaupten, dass Tesla ein erfolglose­s Unternehme­n ist, im Gegenteil, doch immer mehr Experten warnen, dass der Börsenwert von Tesla um ein Vielfaches überhöht sei. Welche Dividenden sollte Tesla denn eines Tages erwirtscha­ften können, um den aktuellen Kurs auch nur annähernd zu rechtferti­gen?

Die Unerfahren­en stört das wenig, doch Vorsicht: auf Weihnachte­n folgt Winter. Fragwürdig ist auch der Kurs der Lufthansa-aktien. Das Unternehme­n mag eine Zukunft haben, doch bei Preisen über sechs Euro zu kaufen, macht wenig Sinn.

Unser Autor Matthias Brendel, Jahrgang 1960, ist investigat­iver Finanzjour­nalist für „Spiegel“, „Focus“und andere. Er schildert seine Beobachtun­gen zum Finanzmark­t exklusiv für die Leserinnen und Leser der SÜDWEST PRESSE. Seine Kolumne erscheint einmal monatlich.

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Matthias Brendel über Aktien, die möglicherw­eise überbewert­et sind.

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