EU verzichtete auf mehr Impfstoff
Die Europäer setzten nach Angaben des Biontech-chefs auf andere Hersteller. Spahn in der Kritik für fehlende Vakzine.
Die derzeitige Knappheit des Corona-impfstoffes in Deutschland hätte offenbar vermieden werden können. „Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen“, sagte der Chef des Mainzer Impfstoff-entwicklers Biontech, Ugur Sahin, dem „Spiegel“. Offenbar habe der Eindruck geherrscht, dass alles nicht so schlimm werde und die Lage unter Kontrolle sei. „Mich hat das gewundert“, fügte er hinzu.
In anderen Ländern gehen die Impfungen deutlich schneller voran als in der Bundesrepublik. In weniger als zwei Wochen nach Beginn der Impfkampagne hat zum Beispiel Israel schon eine Million seiner Bürger geimpft. Das macht etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus. Ziel ist es, mindestens 5,5 Millionen Menschen zu impfen, um die Pandemie in den Griff zu kriegen. Auch in Großbritannien sind kurz vor der Zulassung des zweiten Impfstoffs am kommenden Montag beinahe eine Million Menschen geimpft.
In Deutschland sehe es momentan nicht rosig aus, sagte Sahin weiter. Es entstehe ein Loch, „weil weitere zugelassene Impfstoffe fehlen und wir mit unserem Impfstoff diese Lücke füllen müssen“. Deutschland werde aber genug Impfstoff bekommen. Er verwies auf die Anstrengungen seines Unternehmens, schnell mehr Impfstoff zu produzieren.
Forderungen aus der FDP und der Linkspartei, den Biontech-impfstoff von staatlicher Seite aus zu lizensieren und von anderen Firmen herstellen zu lassen, trat er entgegen. „Die Herstellung
von mrna-impfstoffen in Arzneimittelqualität ist alles andere als trivial. Da kann man nicht einfach umschalten, sodass statt Aspirin oder Hustensaft plötzlich Impfstoff hergestellt wird.“Der Prozess benötige jahrelange Expertise und eine besondere bauliche und technologische Ausstattung.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, sprach sich für einen Gipfel aller Pharmakonzerne in Deutschland aus. Dabei müsse Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klären, welche kurzfristig nutzbar gemacht werden könnten. Kritik kam auch von Spahns Parteifreund Friedrich Merz (CDU). Dieser machte das Problem der geringen Impfstoffmengen beim Gesundheitsminister fest: „Das Problem scheint bei den nationalen Bestellungen des Impfstoffes zu liegen“, sagte Merz. „Aber das sollten sie den Gesundheitsminister fragen“, fügte er hinzu.