Keine Stimme für Friedrich Merz
Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter blickt auf die Herausforderungen der Jahre 2020 und 2021 – und nimmt Stellung zur Wahl des künftigen Parteichefs Mitte Januar.
Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (Foto) favorisiert bei der Wahl des neuen Cdu-vorsitzenden Norbert Röttgen.
Der Dreikampf wird in Kürze entschieden: Bei einem virtuellen Parteitag der CDU am 15. und 16. Januar 2021 wählen 1001 Delegierte einen neuen Parteivorsitzenden. Kandidaten sind der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz sowie der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen.
Für den Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter, der wie Landtagskandidat Magnus Welsch als eines von sechs Cdu-mitgliedern aus Ostwürttemberg zu den Delegierten zählt, steht bereits fest, wer seine Stimme nicht erhält: „Friedrich Merz ist nicht wählbar.“
Nach Ansicht des 57-Jährigen muss der künftige CDU-CHEF dreierlei mitbringen: neben Regierungserfahrung die Bereitschaft, auch als Bundeskanzler Verantwortung zu übernehmen. Außerdem die Entschlossenheit, auf Zusammenhalt und Modernisierung zu setzen, „indem verstärkt Frauen aufgrund ihrer Expertise eingebunden werden“.
Merz jedoch habe sich 20 Jahre lang aus der Politik zurückgezogen und auch keinen Posten im Kabinett übernehmen wollen. Laschet stehe zwar in der Regierungsverantwortung, allerdings gelinge es ihm nicht, seine Erfolge in den Vordergrund zu rücken.
Bleibt also nur Röttgen. Ihm hält Kiesewetter zugute, als Umweltminister den Atomausstieg vorangetrieben zu haben. Außerdem habe er sich nach seiner Niederlage bei der Landtagswahl 2012 in Nordrhein-westfalen zu einem renommierten Außenpolitiker entwickelt, der staatsmännisch und praxisnah auftrete. Das gelte auch für seine Bereitschaft, wichtige Zukunftsthemen anzusprechen, „etwa den Verrentungsboom, der uns Mitte dieses Jahrzehnts bevorsteht“.
Welsch will zunächst die übrigen Mitglieder des von ihm geleiteten Cdu-kreisvorstands informieren und sich dann öffentlich zu seiner Entscheidung äußern.
Auch Kiesewetter könnte im nächsten Jahr für ein wichtiges Amt infrage kommen – sofern er bei der Bundestagswahl am 26. September zum vierten Mal das Direktmandat erringen (auf eine Absicherung über die Landesliste verzichtet er) und sich bei der Regierungsbildung
die Wertschätzung niederschlagen sollte, die unlängst in seiner Wahl zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums zum Ausdruck kam.
Wäre Kiesewetter bereit für ein Ministeramt? „Dann bliebe weniger Zeit für die wichtige Arbeit im Wahlkreis“, gibt er sich zurückhaltend. Gleichwohl, so fügt er an, würde er sich nicht vor der Verantwortung drücken.
Unabhängig von persönlichen Ämtern und Positionen stellen sich auch aus lokaler Sicht im kommenden Jahr zahlreiche wichtige Aufgaben. Ganz oben steht für Kiesewetter eine der Lehren aus der Corona-krise: „Wir müssen die Gemeinschaft wiederbeleben. Wir brauchen Impfungen und Wirtschaftswachstum, aber eben auch Feste und Gesellschaft.“Nur so lässt sich seiner Ansicht nach die Unruhe in der Bevölkerung beseitigen, die bei vielen längst zu einer Verweigerung gegenüber Sachargumenten und zu bewusst destruktivem Verhalten geführt habe: Im November versuchten in einer konzertierten Aktion Kritiker der Corona-maßnahmen, sein Abgeordnetenbüro mit 18 000 E-mails lahmzulegen. Lediglich 240 davon kamen aus dem Wahlkreis.
Weiter Kontakt an Infoständen
Kiesewetter sucht deshalb trotz aller Beschränkungen weiterhin den Kontakt zu den Bürgern – virtuell, bei Telefonsprechstunden, oder halbtageweise an Informationsständen.
Immer wieder ein Thema: der Verkehr. Kiesewetter sieht sich angesichts der jüngst unterzeichneten Absichtserklärung darin bestätigt, schon vor zehn Jahren den Ausbau der Brenzbahn gefordert zu haben: „Ich drücke weiterhin auf die Tube, damit das Vorhaben schnell nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz angemeldet wird.“Noch stehe aber ein Gutachten aus.
Positiv zu bewerten seien auch der Lückenschluss der B 492 zwischen Hermaringen und Brenz, die Überlegung, Zubringerbusse von Ausfahrten an der A 7 Richtung Oberkochen einzusetzen, sowie der Mobilitätspakt, mit dem die beteiligten Landräte und Rathauschefs ihre Überzeugung unter Beweis stellten, nur gemeinsam stark sein zu können. Das Augenmerk muss Kiesewetter zufolge auch dem weiteren Breitbandausbau gelten („Wir brauchen Digitalisierung bis zur letzten Hofstelle“), bezahlbarem Wohnraum, einer humanen Gestaltung des technologischen Wandels und einer Renaissance des Handwerks: „Nicht jeder ist ein Käpsele, was die neuen Medien angeht, aber viele leisten mit ihren Händen Herausragendes.“
Über allem stehe das Ziel, dass der ländliche Raum nicht abgehängt werde, da dies dem rechten Rand in die Karten spielte. Das gelte es zu verhindern, so Kiesewetter: „Wir müssen die AFD entlarven und dürfen die Menschen nicht verteufeln, die sie aus Protest wählen.“
Wir müssen die Gesellschaft wiederbeleben. Wir brauchen Impfungen, aber auch Feste. Roderich Kiesewetter
Bundestagsabgeordneter