Klischees schaden der IT
Nur wenige Frauen zieht es in die Branche, dabei gibt es spannende Jobs – und das Bild vom Programmierer im dunklen Keller ist längst überholt.
Den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, keine Gespräche, nur Nerds um einen herum. So stellen sich viele Menschen Informatikberufe vor. Das schreckt ab – vor allem Frauen. Gerade einmal 20 Prozent der Informatikstudierenden sind weiblich. Dabei haben die meisten ein falsches Bild im Kopf. „Tatsächlich geht es in It-jobs immer darum, zu kommunizieren. Man muss die Anwender verstehen, Probleme erkennen und lösen“, sagt Ursula Köhler, Sprecherin der Fachgruppe Frauen und Informatik bei der Gesellschaft für Informatik. Sie hat das Fach studiert und viele Jahre bei Siemens gearbeitet. Dort habe sie den ganzen Tag über mit Menschen zu tun gehabt. „Informatik ist eine Hilfswissenschaft“, sagt sie. Deshalb sei es auch wichtig, dass Frauen an den Benutzeroberflächen mitarbeiten, um sie zu optimieren – „immerhin ist die Hälfte der Nutzer weiblich.“
In der Informatik gibt es vielfältige Berufe – und nicht in allen davon muss programmiert werden. Auch ist es keine Voraussetzung, Informatik studiert zu haben, um als Software-entwicklerin Codes zu schreiben. Quereinsteigerin Laura Habbe beispielsweise hat in Literaturwissenschaften promoviert. Jetzt ist die 35-Jährige Projektmanagerin bei Alphaquest, einem Beratungsunternehmen spezialisiert auf Daten-analyse mit Sitz in Ulm, Berlin und Düsseldorf. Dort ist fast die Hälfte des Teams weiblich. Von acht Führungspositionen sind drei mit Frauen besetzt. In einem Praktikum hat Habbe ihr Talent und ihr Interesse entdeckt.
Unterricht ist oft trocken
Viele Frauen kommen durch Zufall in die Branche. Denn „in der Schule wird Informatik oft praxisfern vermittelt“, sagt Ursula Köhler, die später selbst Lehrerin wurde. Das bestätigt Elisabeth Kohm, Projektleiterin für Softwareentwicklung beim Unternehmen HMS Analytical Software in Heidelberg: „Mit Einführung des Informatikunterrichts ist die Zahl der Studentinnen gesunken.“
An der Technischen Hochschule Ulm (THU) beispielsweise sind 17 Prozent der Informatikstudierenden weiblich, in den Studiengängen Wirtschaftsinformatik und Computer Science 20 bis 23 Prozent, Data Science in der Medizin studieren 60 Prozent Frauen und Informationsmanagement im Gesundheitswesen sogar 80 Prozent, sagt Philipp Graf, Dekan der Fakultät für Informatik.
Die Zahlen erklärt sich Ursula Köhler so: „Frauen haben häufig einen weiten Blick und suchen sich anwendungsnahe Gebiete“, sie wüssten meist gerne, wofür ihr Studium gut ist, erklärt die
Sprecherin der Fachgruppe Frauen und Informatik. Zahlen zeigten auch, dass Mathematik in der IT die Frauen nicht abschrecke. Im Studienfach Mathematik ist etwa die Hälfte weiblich. Allerdings zählen hierbei auch die Lehramtsstudierenden des Fachs mit in die Statistik.
Bei Robotik-wettbewerben waren viele Mädchen, die Spaß daran haben und richtig gut sind“, sagt Informatikerin Ursula Köhler. Trotzdem entscheiden sich wenige für die Branche. Es fehlt die Aufklärung über die Vielfältigkeit des Berufs, das Fach wird oft realitätsfern vermittelt, es gibt immer noch zu viele Klischees und es hakt in vielen Firmen an der Unternehmenskultur, fasst Köhler zusammen. Dabei sagt auch Elisabeth Kohm als Projektleiterin bei HMS, gemischte Teams seien effektiver – dort arbeiten etwa 30 Prozent Frauen.
It-frauen im Interview
Laura Habbe von Alphaquest hat mit einer Kollegin Frauen zu ihren Wünschen in der Branche befragt. Heraus kam, dass Frauen oftmals Schnittstellenfunktionen mit abwechslungsreichen Aufgaben ansprechen. „Unternehmen sollten in ihrer Außenwirkung die Vielfältigkeit betonen“, sagt Habbe. Für die meisten Frauen seien außerdem flexible Arbeitszeiten und Homeoffice wichtig sowie Transparenz – zum Beispiel durch einen Entwicklungsplan über die Karrierestufen. Für anspruchsvolle Aufgaben seien individuelle Mentoring-programme oder Schulungen hilfreich. „Damit signalisiert die Firma auch, dass sie Unterstützung und Rückhalt bietet“, erklärt Habbe. Ein Problem für viele der befragten Frauen: Wenn Kollegen und Kunden nach der Familienplanung fragen. „Das ist aber ein sensibles Thema und hat im beruflichen Kontext nichts verloren“, sagt Habbe.
Unternehmen sollten nicht nur die pushen, die am lautesten schreien, findet die Projektmanagerin: „Wenn man Frauen im Unternehmen möchte, sollte man sie fördern, fordern und halten.“
Wenn man Frauen im Unternehmen möchte, sollte man sie fördern.
Dr. Laura Habbe
Alphaquest