Weltweit Entsetzen über Angriff auf das Kapitol
Bundespräsident Steinmeier macht Donald Trump verantwortlich für die Gewalt. Nach den Tumulten bestätigt der Kongress Joe Biden als gewählten Präsidenten.
Weltweit haben Politiker die Erstürmung des Us-kapitols während der entscheidenden Sitzung zum Us-wahlausgang verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich bestürzt über die „verstörenden Bilder“von der Erstürmung des Uskongresses: „Mich haben diese Bilder wütend und auch traurig gemacht.“Sie machte Trump für für die Ausschreitungen verantwortlich. „Zweifel am Wahlergebnis wurden geschürt, was die Ereignisse von Washington erst möglich gemacht hat“, sagte Merkel. Auch Bundespräsident Frank-walter Steinmeier machte Trump direkt verantwortlich. Er sprach von einem „bewaffneten Mob, aufgestachelt von einem amtierenden Präsidenten“. Der für sein gutes Verhältnis zu Trump bekannte britische Premierminister Boris Johnson sprach von „beschämenden Szenen“in Washington.
In der von Gewalt und Chaos überschatteten Sitzung, die in der Nacht wieder aufgenommen wurde, bestätigte der Us-kongress den Sieg von Joe Biden bei der Präsidentenwahl formell. Der scheidende Us-präsident Donald Trump räumte das Ende seiner Präsidentschaft ein und kündigte erstmals eine „geordnete“Amtsübergabe an Joe Biden an.
Vorausgegangen waren dieser Kehrtwende des Präsidenten dramatische Ereignisse in Washington, die am Mittwoch in der Erstürmung des Kongresses durch wütende Trump-anhänger gipfelten. Am Parlamentssitz spielten sich Szenen von Chaos und Gewalt ab. Die Randalierer überwanden die Sicherheitsbarrieren und schlugen Fenster ein, einige schafften es sogar in den Sitzungssaal des Senats. Sicherheitsbeamte zückten ihre Schusswaffen und setzten Tränengas ein.
Biden bezeichnete die Randale in einer Ansprache in seiner Heimatstadt Wilmington als „beispiellosen Angriff“auf die Us-demokratie. Dies sei „kein Protest, das ist Aufruhr“, sagte der Demokrat, der am 20. Januar als Präsident vereidigt werden soll.
So schrecklich die Bilder aus der amerikanischen Hauptstadt auch waren: Man kann froh sein, dass Donald Trumps Jünger unter dem gleichen Defizit leiden wie ihr Messias. Auch der Immobilienhändler und Reality-tv-star schaffte es ins Weiße Haus. Dort angekommen, wusste er nicht mehr weiter. Seine Politik richtete er nach dem Tv-programm aus oder anhand der Dinge, die ihm kurz vorher jemand am Telefon erzählt hatte.
So auch Trumps Anhänger: Sie stürmten das Kapitol, das heilige Haus der Us-amerikanischen Demokratie, weil ihnen der Präsident das kurz vorher erzählt hatte. Dort angekommen, wussten sie nicht weiter. Wie Touristen bummelten sie durch die Gänge und Büros und fotografierten sich dabei mit ihren Handys. Keiner von ihnen dürfte auch nur annähernd ahnen, welche gravierenden Strafen die Justiz für einen Putschversuch bereithält – selbst wenn sie gar nicht die Idee hatten, einen Putsch zu unternehmen. Der Trumpismus wird zu Recht als erste Ideologie ohne Ideen in die Geschichte eingehen.
Was für ein Glück, man stelle sich nur vor, der Mann hätte einen Plan gehabt. Hinter den irren Wahlbetrugs-faseleien hätte ja tatsächlich eine politische Strategie stehen können, ein konkreter Plan zur Machtergreifung. Trump hätte, statt einen Dilettanten-staatsstreich anzuzetteln, das Militär auf seine Seite bringen können, die Polizei und die Geheimdienste. Die Vorstellung eines Us-diktators, der den atomaren Koffer stets in greifbarer Nähe hat, kann schlaflose Nächte verursachen.
Donald Trump wird dieser Mann nicht sein. Er hat verloren, Joe Biden hat ihn besiegt und zwar deutlich. Sieger ist die amerikanische Demokratie, die in zweieinhalb Jahrhunderten schon viele Möchtegerne, Gaukler und Verbrecher überstanden hat. Wie in jeder Demokratie geht das häufig nicht besonders elegant oder würdevoll zu. Was zählt, ist das Ergebnis.
Wer sich davor gesorgt hat, dass Trump in vier Jahren wieder antritt und das Land erneut an sich reißt, sollte nach den Ereignissen in Washington sogar zuversichtlich in die Zukunft schauen. Von diesem Schuss ins Knie wird sich Donald Trump nicht mehr erholen. Er hat aus Eitelkeit
Von diesem Schuss ins Knie wird sich die politische Figur Donald Trump nicht mehr erholen.
überdreht. Er hat in seiner blinden Wut einen zu großen Schaden angerichtet, als dass ihn die Republikaner wieder nach oben lassen würden. Schließlich handelt es sich bei den allermeisten Trump-wählern – von den Kapitol-stürmenden Wirrköpfen abgesehen – um zutiefst bürgerliche Menschen, bei denen sich Widerstand, Ekel und Zorn regen, wenn sie ein säkulares Heiligtum wie das Kapitol geschändet sehen. Trump, der alleinige Anstifter dieses Frevels, hat bei diesen Wählern seinen Kredit verspielt – egal, wie stark er die Steuern weiland gesenkt hat.
Das ist nicht das Ende Trumps. Es ist durchaus möglich, dass er die politische Landschaft weiter verändert, indem er etwa die Republikaner spaltet und eine eigene Partei gründet. Das kann er, wird er schaffen. Doch weiß er etwas damit anzufangen?