Als die hitzige Krankheit in die Stadt kam
Soldaten brachten 1675 eine Seuche in die Stadt, der 29 Personen zum Opfer fielen. Heimatforscher Ulrich Stark recherchierte die Zusammenhänge aus alten Ratsprotokollen.
Der große Stadtbrand war noch nicht so richtig überwunden, da wurde Giengen 1675 von einer Seuche heimgesucht.
Ein Eintrag in den Abrechnungen der Kirchenpflege von 1674/75 brachte Heimatforscher Ulrich Stark auf die Spur einer todbringenden Seuche, die einst auf Giengen hereinbrach. In dem alten Aufschrieb ist von einem Hauptmann des Braunschweig-lüneburgischen Artillerieregiments namens Erich Bode die Rede.
Der wurde, wie Stark herausfand, nicht auf dem Friedhof, sondern hinter der Südtür der Stadtkirche begraben. Laut Totenregister vom 17. März 1675 starb Bode „an hitziger Krankheit bei Adlerwirt Jacob Köllin, alt ungefähr 32 Jahre“. Der Hauptmann habe neben seiner Ehefrau zwei Kinder hinterlassen und „ward auf Begehren in der Kirch bei der kleinen Südtür ehrlich begraben“. Hitzige Krankheit: Diese Diagnose bedeutete im Krisenjahr 1675 das Todesurteil für 29 Personen in Giengen. Soldaten eines Lüneburgischen Artillerieregiments hatten die Infektionskrankheit, die vor allem unter dem Namen Fleckfieber bekannt ist, in die Stadt gebracht, nachdem sie im Januar 1675 in Giengen ein Winterquartier bezogen hatten. Mit Truppenverlegungen nach Schwaben und Franken wollte die kaiserliche Armee dem Vordringen französischer Einheiten unter Turenne, die 1674 das rechtsund linksrheinische Gebiet der Kurpfalz verheert hatten, Einhalt gebieten. Auch Giengen musste deshalb Soldaten des Braunschweig-lüneburgischen Regiments von Herzog Georg Wilhelm aufnehmen.
Vom Stadtbrand nicht erholt
Für Giengen, das sich noch lange nicht vom Stadtbrand 1634 erholt hatte, bedeutete das eine finanziell kaum zu bewältigende Herausforderung. Der „ehrsame Rat“der Stadt, so heißt es in einem Protokoll, befand sich angesichts „solch ohnerträglich schwerer Last“in „großen Sorgen und Anfechtungen“und musste der Bürgerschaft drei „extraordinari Steuern“aufzwingen, um die Unkosten fürs
Lüneburgische Quartier in Höhe von 4511 Gulden, 4 Kreuzern und 4 Hellern aufzubringen. Doch die wirtschaftlichen Sorgen wurden schnell von den noch schwerer wiegenden gesundheitlichen Nöten überschattet. Als Vorsichtsmaßnahmen wurden die kranken Soldaten zwar im Armenhaus zu St. Peter einquartiert, das vor den Toren der Stadt lag. Doch die „hitzige Krankheit“hatte rasch auch auf die Bevölkerung übergegriffen.
Wie Ulrich Stark recherchierte, sei wenige Tage nach der Ankunft des Regiments in Giengen, nämlich am 8. Februar, bereits der erste Soldat begraben worden. Einen Monat später folgte der bereits erwähnte Hauptmann Erich Bode. In der Giengener Bevölkerung wiederum hatten die Todesfälle im Februar bereits die dreifache
Höhe der üblichen Sterbequote erreicht. Allein in den vier Tagen vom 15. bis 18. Februar starben fünf Personen an der „hitzigen Krankheit“. Im März waren bereits viermal so viele Begräbnisse notwendig wie im Durchschnitt der Vorjahre.
Nur Erwachsene betroffen
Auffallend war aus Sicht Ulrich Starks, dass sich die Seuche kaum auf die Sterberate der Kinder auswirkte und fast nur Erwachsene betroffen waren. Vor allem Weber und Metzger wurden von der „hitzigen Krankheit“heimgesucht. Nicht selten waren ganze Familien vom Schicksal betroffen. So war der 34-jährige Weber Johann Meyr der erste Giengener Bürger, der der Seuche zum Opfer fiel. In zehnjähriger Ehe mit der Weberstochter Katharina Ott wurden dem Paar zehn Kinder geboren, von denen acht ganz jung verstarben. Pfarrer Jakob Honold beschrieb Johann Meyr als „fromm“. Er habe „gesungen vor seinem End: Herr, meinen Geist befehl ich. Ich fahr dahin mit Freuden, aus diesem Jammerthal, auß Trübsal, Angst und Leiden, ins Himmelsfeuer der Strahl“. Eine besondere Tragik ist es auch, dass der 32-jährige Jakob Mayr, der jüngere Bruder von Johann, der letzte junge Mann war, der in Giengen an der Seuche starb. Er erkrankte Ende Juni und „lag am hitzigen derzeit grassierenden Petekienfieber neun Tag“, bevor er starb.
Giengen hatte auch in der Folgezeit mehrere Winterquartiere zu erleiden. Die „hitzige Krankheit“flachte zwischenzeitlich ab, grassierte dann aber 1704 wieder.