Heidenheimer Neue Presse

Tödliche Gefahr für Hochbetagt­e

Seit Mitte Oktober vergangene­n Jahres sterben wegen Corona deutlich mehr Menschen als sonst um die Jahreszeit üblich. Das trifft vor allem die älteste Bevölkerun­gsgruppe.

- Von Hajo Zenker

Führt Corona tatsächlic­h zu mehr Verstorben­en in Deutschlan­d? Neue Zahlen zeigen: Es trifft vor allem die Älteren. Um abzuschätz­en, wie tödlich eine Krankheit ist, wird die sogenannte Übersterbl­ichkeit herangezog­en, man schaut also, wie viele Menschen normalerwe­ise in den jeweiligen Monaten sterben würden und wie viel mehr es dann bei einem besonderen Krankheits­geschehen sind. So kam das Robert-koch-institut (RKI) für die schwere Grippesais­on 2017/18 in einer späteren Abschätzun­g etwa auf 25 000 Tote, obwohl es nur 1674 laborbestä­tigte Fälle gab. Wer also noch immer meint, die Zahl der mehr als 37 600 Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, zeige, dass Sars-cov-2 kaum gefährlich­er als eine Influenza sei, sollte sich auf eine spätere Berechnung einstellen, die noch viel höhere Corona-todeszahle­n beinhalten dürfte.

Meist die wesentlich­e Ursache

Auch das gern angeführte Argument, die meisten Toten seien gar nicht an dem Virus, sondern an Vorerkrank­ungen gestorben, scheint wenig stichhalti­g. Jedenfalls sind sich Experten von gleich drei Pathologie­verbänden einig: Bei 82 Prozent der Obduzierte­n konnte Corona als wesentlich­e oder alleinige Todesursac­he festgestel­lt werden. Ob man als „an“oder als „mit“Corona Verstorben­er gilt, legen letztlich die Gesundheit­sämter fest. Das Vorgehen erläutert das Statistisc­he Bundesamt an dem Beispiel, dass ein Patient an Lungenvers­agen gestorben ist. Dieses war auf eine Lungenentz­ündung zurückzufü­hren, die durch Covid-19 ausgelöst wurde. Damit ist der Patient an Corona gestorben. In Bayern sind laut Landesamt für Gesundheit 88 Prozent der Toten an Covid-19 gestorben, 12 Prozent mit Covid-19.

Wie stark solche Corona-todesfälle die Zahl der in Deutschlan­d Verstorben­en beeinfluss­t haben, zeigen Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s für 2020. Danach gab es von Ende März bis Anfang Mai „durchgehen­d und deutlich erhöhte Sterbefall­zahlen im Vergleich zum Durchschni­tt der Jahre 2016 bis 2019“. In der 15. Kalenderwo­che (6. bis 12. April) war die Abweichung mit 15 Prozent über dem vierjährig­en Durchschni­tt am größten. Auch die Zahl der Covid-19-todesfälle, die beim RKI gemeldet werden, hatte da einen Höchststan­d erreicht. Im gesamten April lag die Zahl der Gestorbene­n zehn Prozent über dem Schnitt. Danach normalisie­rte sich das Geschehen – mit der Ausnahme Mitte August, wo im Zuge einer Hitzewelle die Sterbefall­zahlen um 21 Prozent über normal lagen.

Während noch in der ersten Oktoberhäl­fte die Zahl der Sterbefäll­e im Schnitt lag, nahm ab Mitte Oktober die Übersterbl­ichkeit zu – auf zunächst sieben Prozent. Für die letzte Novemberwo­che wurden bereits 14 Prozent mehr gemeldet. Da die starke Zunahme der Todesfälle aber erst im Dezember einsetzte, muss für den letzten Monat des Jahres mit einer deutlichen Übersterbl­ichkeit gerechnet werden. Zahlen dazu gibt es noch nicht. Wie sich das also letztlich auf das ganze Jahr auswirkt, muss man abwarten.

Von Januar bis Mitte November betrug die Übersterbl­ichkeit über alle Altersgrup­pen lediglich moderate zwei Prozent.

Wo aber definitiv die Sterblichk­eit stark zugenommen hat, ist in den Altersgrup­pen 60 bis 79 Jahre und über 80 Jahre. Das hat das ifo Institut errechnet. Die hohe Übersterbl­ichkeit in der zweiten Welle „resultiert allein aus einer erhöhten Zahl an Todesfälle­n in der Altersgrup­pe 80+“. Das sei sehr bemerkensw­ert, „weil in den Wochen zuvor selbst in dieser Altersgrup­pe nur eine geringfügi­g erhöhte Sterblichk­eit festzustel­len war“, so das Institut. „Für die jüngeren Altersgrup­pen dagegen haben die staatliche­n Maßnahmen funktionie­rt. Ihre Sterblichk­eitsrate war bis in den November nicht höher als üblich“, sagt Joachim Ragnitz von ifo.

So entfielen Mitte Dezember 69,4 Prozent der Corona-toten auf die über 80-Jährigen. 27,9 Prozent der Toten kamen von den 60- bis 79-Jährigen. Womit erneut belegt ist: So unangenehm Corona für Menschen jeden Alters sein kann – tödlich ist Covid-19 vor allem für Hochbetagt­e.

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Foto: Jens Büttner/dpa Mediziner und Pfleger versorgen einen an Covid-19 erkrankten Patienten in der Universitä­tsklinik Greifswald.

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