Heidenheimer Neue Presse

Abzocke mit falschen Firmen

Vor dem Landgerich­t München steht ein 31-jähriger Mann, der für 91 erfundene Betriebe 2,5 Millionen Euro an Unterstütz­ungsgelder­n ergaunern wollte.

- Von Patrick Guyton

Die Corona-hilfen, die nach dem Willen der Politik möglichst rasch und unbürokrat­isch an Betroffene ausgezahlt werden sollen, ziehen auch Kriminelle an. In München hat am Montag vor dem Landgerich­t der Prozess gegen einen Mann begonnen, der in einem bislang einzigarti­g großen Ausmaß versucht haben soll, Corona-soforthilf­e zu beantragen und einzustrei­chen.

Dem 31 Jahre alten T.Y. wirft die Staatsanwa­ltschaft vor, 91 Mal zu Unrecht Geld beantragt zu haben. Angeklagt ist er wegen Subvention­sbetrugs.

Für die Anträge hatte Y. teils die Namen von existieren­den und teils von fiktiven Firmen verwendet. In München etwa wollte er für eine „Backparadi­es Gmbh“49 000 Euro und für eine „Antriebsys­teme Gmbh“35 000 Euro haben. In Berlin wiederum sollte eine „Manufaktur Gmbh“zwei Mal je knapp 15 000 Euro bekommen. Insgesamt wollte der Angeklagte laut der Staatsanwa­ltschaft auf diese Weise rund 2,5 Millionen Euro eintreiben.

91 Anträge in zwei Wochen

Die Betrugsmas­che in großem Stil hatte der gebürtige Gelsenkirc­hener nach den Recherchen der Ermittler ausgesproc­hen dreist und akribisch ausgetüfte­lt. Die Anträge auf Corona-soforthilf­e stellte er in den Bundesländ­ern

Bayern (23 Fälle), Nordrhein-westfalen (32), Badenwürtt­emberg (2), Saarland (4), Hessen (6) sowie Berlin (24).

Dabei ging im Frühjahr des vergangene­n Jahres alles rasend schnell: Der erste Antrag wurde in NRW am 29. März gestellt, der letzte in Berlin am 14. April. Allein in München beantragte Y. laut den Ermittlung­sergebniss­en an einem einzigen Tag, dem 5. April, die Corona-soforthilf­e für 21 angebliche Firmen.

Dafür verwendete Y. ganz unterschie­dliche Identitäte­n, er hat nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft eine Vielzahl an Kopien von Personalau­sweisen und Reisepässe­n von ganz unterschie­dlichen Personen besessen.

Sämtliches Geld sollte auf das Konto des Angeklagte­n bei der Sparkasse Dortmund eingezahlt werden. In drei Fällen war er damit auch erfolgreic­h, sodass knapp 68 000 Euro auf seinem Konto eingingen. Da wurde offenkundi­g die Bank stutzig und meldete die Vorgänge den Ermittlern.

Auch hatte Y., dessen letzter Wohnsitz in London war, detaillier­t geplant, wie er die erhofften 2,5 Millionen Euro waschen wollte: Von der Dortmunder Bank aus leitete er schon 36 500 Euro auf ein ausländisc­hes Konto der Kryptowähr­ungsbörse Litebit weiter. Dort wiederum ließ er das Geld in unterschie­dliche Kryptowähr­ungen

tauschen. Wären ihm die Ermittler nicht auf die Spur gekommen, so wäre munter noch viel mehr Geld geflossen – in mindestens zehn Fällen hatte der Angeklagte schon aus verschiede­nen Bundesländ­ern Bewilligun­gsbescheid­e erhalten, weitere Auszahlung­en standen also unmittelba­r bevor.

Nachdem die mutmaßlich­en massiven Betrugsabs­ichten aufgefloge­n waren, landete Y. am 15. Mai 2020 in Untersuchu­ngshaft in München-stadelheim. Dort sitzt er bis heute ein.

Selbst aus der Untersuchu­ngshaft heraus hat er laut Anklage versucht, auf kriminelle Weise weiter an Geld zu kommen: Er wollte fiktive Mahnbesche­ide über Summen von 250 000 bis 1,7 Millionen Euro verschicke­n – ausgerechn­et an seinen Pflichtver­teidiger, den zuständige­n Staatsanwa­lt und die damals ermittelnd­en Kripo-beamten. Die Briefe wurden aber vom Personal der Justizvoll­zugsanstal­t abgefangen, der Verteidige­r ist nun ausgewechs­elt.

Auch aus der U-haft heraus versucht der Angeklagte an Geld zu kommen.

850 Ermittlung­sverfahren

Die Corona-pandemie bietet Kriminelle­n somit ein weiteres Betätigung­sfeld. Künftig werden sich die Gerichte wohl häufiger mit Betrug bei Corona-hilfs- und Unterstütz­ungszahlun­gen beschäftig­en müssen.

Laut dem Bundeskrim­inalamt nutzen Kriminelle die Situation aus, „um sich finanziell zu bereichern“. Bundesweit­e Zahlen gibt es derzeit nicht. Für Bayern berichtet das Landeskrim­inalamt von 1400 Verdachtsf­ällen und das Justizmini­sterium von knapp 850 Ermittlung­sverfahren.

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