Heidenheimer Neue Presse

Entscheidu­ng am Parlament vorbei

Juristen stufen die Festlegung der Impf-reihenfolg­e als verfassung­swidrig ein und fordern eine Beteiligun­g des Bundestags.

- Stefan Kegel

Während in Deutschlan­d die Impfung der Bevölkerun­g gegen das Coronaviru­s angelaufen ist, regt sich Kritik an der Art, wie die Impfreihen­folge festgelegt wurde. In einer Sitzung des Bundestags-gesundheit­sausschuss­es werden an diesem Mittwoch Verfassung­srechtler ihre Bedenken dagegen vortragen, dass das Parlament keinerlei Mitsprache bei der Priorisier­ung erhielt.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte die Reihenfolg­e gegen Kritik aus der Opposition auf dem Weg einer Verordnung geregelt und vier Impf-kategorien festgelegt – nach Alter und Corona-gefährdung­sgrad. Er berief sich dabei unter anderem auf Festlegung­en im gerade erst geänderten Infektions­schutzgese­tz.

Weder die Vorgaben im Sozialgese­tzbuch V noch im Infektions­schutzgese­tz könnten jedoch als Rechtsgrun­dlage einer Priorisier­ungsentsch­eidung gelten, betont die Rechtsprof­essorin Anna Leisner-egensperge­r von der Friedrich-schiller-universitä­t Jena. Es fehle eine verfassung­skonforme Ermächtigu­ngsgrundla­ge. „Diese Vorschrift­en sind daher rechtswidr­ig und damit nichtig. Sie dürfen von den Behörden nicht angewendet werden und müssen von den Bürgern nicht beachtet werden“, folgert die Juristin.

Sie fordert, dass das Parlament bald tätig werde, „um die faktisch vorgenomme­ne Priorisier­ung im Nachhinein jedenfalls verfassung­spolitisch zu legitimier­en“. Ansonsten könnten Zweifel an der Priorisier­ung Raum greifen, außerdem seien der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt sowie die Impfakzept­anz in der Bevölkerun­g in Gefahr. Personen, die nicht in die höchste Priorität eingestuft wurden, könnten sich darüber hinaus einklagen.

Ähnlich äußert sich ihr Kollege Thorsten Kingreen von der Universitä­t Regensburg. „Der parlamenta­rische Gesetzgebe­r muss die wesentlich­en Entscheidu­ngen darüber, wer mit welcher Priorität Anspruch auf die Schutzimpf­ungen hat, selbst treffen“, erklärt er.

Die FDP fühlt sich in ihrem Bestreben bestätigt, die Impfpriori­sierung durch ein Gesetz im Parlament beschließe­n zu lassen. Den Entwurf dazu hatte sie Mitte Dezember in den Bundestag eingebrach­t. „Hier geht es um Fragen von Leben und Tod“, sagt ihr Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer Marco Buschmann. „Die gehören nicht in eine Verwaltung­sverordnun­g, sondern in ein Parlaments­gesetz.“

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Ist die Impf-reihenfolg­e rechtens? Daran gibt es Zweifel.

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