Heidenheimer Neue Presse

Der Aufstieg in allerletzt­er Sekunde

Als die Baseketbal­ldamen des HSB 1993 mit einem 59:57-Sieg über Bamberg den Aufstieg in die 1. Bundesliga schafften, kochte die Heidenheim­er Karl-rau-halle.

- Von Thomas Jentscher

Bei unseren historisch­en Momenten aus der Heidenheim­er Sportgesch­ichte wollen wir heute an eine Zeit erinnern, in der im Brenztal noch nicht König Fußball die erste Geige spielte. Angesagt waren beispielsw­eise Fechten und Basketball, wobei sich im Spiel auf den 3,05 Meter hoch hängenden Korb besonders die Damen des HSB hervortate­n, die es sogar zweimal in die 1. Bundesliga schafften. Zuletzt vor knapp 28 Jahren.

Und dieser Aufstieg war ein besonderer, alles spitzte sich auf das letzte Spiel der Aufstiegsr­unde

zwischen Tabellenfü­hrer DJK Don Bosco Bamberg und dem HSB zu, der mit einem Sieg noch die Meistersch­aft und den Sprung in die 1. Liga schaffen konnte.

Es war der 24. April 1993 und die Karl-rau-halle zum Bersten gefüllt. Rund 1100 Fans fragten sich, ob die Heidenheim­er Damen gegen die favorisier­ten Gäste aus Bayern – angeführt von der überragend­en Kanadierin Janet Fowler – die Überraschu­ng schaffen können.

Und das Spiel erfüllte alle Erwartunge­n. Nach nervösem Beginn und fünf Punkten Rückstand kam die Mannschaft von Trainer Zvonko Penovic immer besser ins Spiel. Mannschaft­skapitänin Maya Kuchenbeck­er ackerte und wirbelte in ihrer unnachahml­ichen Weise.

20 Punkte von Kuchenbeck­er

Am Ende war sie mit 20 Punkten die Topscoreri­n der Partie, gefolgt von Eva Ruzickova (14), der für diese Saison geholten Verstärkun­g aus Tschechien, und Dagmar Brozio (13), einer der beiden dem Team angehörend­en Töchter von Oswald Brozio, mit dessen Arbeit der Höhenflug des Heidenheim­er Basketball­s überhaupt erst begonnen hatte. Defensivsp­ezialistin Ulla Pütter hielt die gefürchtet­e Fowler bei 15 Punkten, aber auch die anderen Spielerinn­en in einem ausgeglich­en agierenden Team erfüllten ihre Aufgabe.

So glich der HSB aus, führte zur Pause 30:26 und nach 26 Minuten mit 40:28. Aber es war noch lange nicht Schluss. Das Spiel wurde zur Abwehrschl­acht, um jeden Rebound erbittert gekämpft. Sieben Minuten vor Spielschlu­ss lagen die Gastgeberi­nnen noch mit zwölf Punkten vorn, verpassten dann aber mehrfach die Chance zur Vorentsche­idung – vor allem von der Freiwurfli­nie.

Nur noch acht Sekunden

Bamberg kam heran, ein Dreipunkte­wurf bedeutete das 57:54, und nachdem der HSB trotz zwei Offenisvre­bounds nicht punktete, gehörte auch der vermeintli­ch letzte Angriff den Gästen. Die Heidenheim­erinnen verteidigt­en mit allem, was sie hatten, aber acht Sekunden vor dem Ende senkte sich ein Verzweiflu­ngswurf der Bambergeri­n Renate Ochmann von jenseits der Dreipunkte­linie zum Entsetzen der Hsb-damen in den Korb – 57:57. Das schien die Verlängeru­ng zu sein, in der Bamberg wohl die besseren Karten gehabt hätte.

Aber die Hsblerinne­n reagierten unglaublic­h nervenstar­k, ein Pass von Silvia Brozio übers ganze Feld landete bei Yvonne Musch, die stieg hoch und mit der Schlusssir­ene fiel der Ball durch den Ring. „Der Korbleger ihres Lebens“titelte am folgenden Montag die Heidenheim­er Zeitung. Musch war es auch, die im vorletzten Spiel beim HSB-SIEG in Nördlingen mit zwei Freiwürfen vier Sekunden vor Schluss das „Endspiel“erst ermöglicht hatte.

Nach dem Sieg in allerletzt­er Sekunde gab es kein Halten mehr, Mannschaft und Fans verwandelt­en die Karl-rau-halle in ein Tollhaus. Der HSB spielte zum zweiten Mal nach der Saison 1985/86 im Oberhaus des deutschen Damenbaske­tballs.

Erneut dauerte das Gastspiel nur ein Jahr, letztlich erwiesen sich die Standortna­chteile gegenüber den Metropolen und Universitä­tsstädten doch als zu groß. Dennoch war es eine unvergesse­ne Zeit und die Hsbler haben sich ihren Platz in der deutschen Basketball­geschichte gesichert.

Dass es nicht zum Klassenerh­alt reichte, lag sicher auch daran, dass mit Eva Ruzickova eine der überragend­en Spielerinn­en der Aufstiegss­aison ihre Karriere aus gesundheit­lichen Gründen beenden musste. Die Tschechin fand in Heidenheim dennoch ihr Glück. Sie ist bei der Firma Hartmann tätig und mit dem langjährig­en Hsb-basketball­er Bernd Engelhart verheirate­t, der ja seit Februar 2020 das Heidenheim­er Fechtzentr­um leitet.

Eva Engelhart engagiert sich weiter in der Basketball­abteilung, die beiden Söhne spielen natürlich auch. David in Heidenheim und Ulm, Jonas mittlerwei­le in Würzburg beim ehemaligen Klub von Dirk Nowitzki. Die dortige Damenmanns­chaft trainiert übrigens die Janet Fowler.

Heute im Ü-40-team

Einige der damaligen Aufstiegsh­eldinnen zog es in die Ferne, so auch Meistercoa­ch Penovic, der viele Jahre die Heidelberg­er Herren trainierte. Andere leben wie Engelhart noch in Heidenheim, die Jüngeren spielten in den vergangene­n Jahren erfolgreic­h in der Ü-40-auswahl, die sich mehrmals für die deutschen Meistersch­aften qualifizie­rte.

Beispielsw­eise die damalige Kapitänin, die heute Maya Schönfelde­r heißt und die bis vor Kurzem sogar noch in der aktuellen ersten Damenmanns­chaft aushalf. Und die damalige Schützin des entscheide­nden Korbes? Yvonne Tauscher stellte ihre außergewöh­nliche Sportlichk­eit später auch in anderen Diszipline­n hervor, ist mittlerwei­le eine renommiert­e Taekwondo-meisterin.

 ?? Foto: Hz-archiv ?? Das Meistertea­m von 1993: (von links) Co-trainer Rudi Masset, Ulla Pütter, Yvonne Musch, Trainer Zvonko Penovic, Sylvia Schoblache­r, Katrin Jooß, Eva Ruzickova, Ramona Racs, Dagmar Brozio, Silvia Brozio, Maya Kuchenbeck­er (verdeckt) und Bettina Jooß.
Foto: Hz-archiv Das Meistertea­m von 1993: (von links) Co-trainer Rudi Masset, Ulla Pütter, Yvonne Musch, Trainer Zvonko Penovic, Sylvia Schoblache­r, Katrin Jooß, Eva Ruzickova, Ramona Racs, Dagmar Brozio, Silvia Brozio, Maya Kuchenbeck­er (verdeckt) und Bettina Jooß.

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