Wenn das Schiff sinkt
Arbeitswelt
Einige Unternehmen kämpfen sich seit Jahren durch schlechte Zahlen und düstere Zukunftsprognosen. Andere hat die Corona-krise ins Wanken gebracht. Besonders für Beschäftigte, die schon lange an Bord sind, stellt sich dann die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, das sinkende Schiff zu verlassen? Und wie stellt man das am besten an?
Zunächst ist es wichtig, überhaupt zu bemerken, dass das Schiff sinkt. Nicht immer wird das von Anfang an offen kommuniziert. Deshalb sollte man wachsam sein, zum Beispiel, wenn Verbesserungsvorschläge und Anregungen von den Vorgesetzten nicht mehr angenommen werden, wie die Psychologin und Trainerin Kristine Qualen erklärt.
„Auch wenn es einen Stilwechsel bei Entscheidungen gibt, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass es abwärts geht.“Mitarbeiter werden zum Beispiel weniger an Entscheidungsprozessen beteiligt und weniger darüber informiert. Holt der Arbeitgeber für unangenehme Entscheidungen eine Unternehmensberatung, kann man das ebenfalls als Indiz sehen. Die Stimmung verändert sich oftmals, wenn es abwärts geht, wie der Karriereberater Bernd Slaghuis erklärt. „Es bricht eine gewisse Hektik aus, alle versuchen etwas zu retten, und der Druck wird höher.“Ernst wird es, wenn die ersten Maßnahmen zur Kosteneinsparung wie zum Beispiel Umstrukturierungen durchgeführt werden oder in Jahresmeldungen sogar Verluste Thema sind. Den einen richtigen Zeitpunkt zum Gehen gibt es natürlich nicht. „Manche bewerben sich bei den ersten Anzeichen weg, um größtmögliche Sicherheit zu haben“, weiß Slaghuis. „Manche wollen aber ihren Beitrag zu einer guten Abwicklung leisten und bleiben.“
Was für den einzelnen Mitarbeiter der richtige Weg ist, sollte sich jeder gut überlegen: Wie viel Sicherheit brauche ich? Wie viel Zeit brauche ich für die Neuorientierung? Will ich abwarten, ob sich das Unternehmen wieder berappelt? Manchmal zahle sich Abwarten auch auf andere Weise aus, denn mitunter bekommen die Mitarbeiter eine Abfindung.
Kristine Qualen rät, vor dem Absprung Bilanz zu ziehen: Was sind meine persönlichen und professionellen Entwicklungen in dem Unternehmen, was sind meine Kernkompetenzen was wünsche ich mir für den künftigen Job? „Solche Überlegungen setzen Energien und Ideen frei. Es geht dann nicht mehr nur darum, wegzukommen.“
Nicht immer kränkelt das gesamte Unternehmen, mitunter sind auch nur Teilbereiche betroffen. Dann sei auch die Umorientierung intern eine Möglichkeit, wie Qualen sagt. Der Vorteil: „Man kennt sich aus, hat ein Netzwerk und kann sich so informell ins Gespräch bringen.“Wenn das keine Option ist, sollte man bedenken: „Aus ungekündigter Position heraus bewirbt es sich sehr viel leichter und entspannter, als wenn man Hals über Kopf alles hinschmeißt und nach etwas Neuem sucht.“Dann bestehe die Gefahr, aus Ängsten heraus Kompromisse zu schließen, die wieder in eine Sackgasse führen.
Auch Slaghuis rät, aktiv zu werden. „Als Arbeitnehmer sollte man aus der passiven Untergangsstimmung herauskommen und zum Chef des eigenen Lebens werden.“Auch er empfiehlt, mit dem Chef zu sprechen und herauszufinden, ob es interne Möglichkeiten für einen Jobwechsel gibt. Außerdem sollte man sich nach Alternativen außerhalb des Unternehmens umschauen und sich Rat von außen holen.
Wem der Absprung schwer fällt, der sollte sich überlegen, woran das liegt: Weil man schon lange im Betrieb ist oder einem die Kollegen sehr am Herzen liegen? Wichtig sei es dann, gut mit dem alten Arbeitgeber abzuschließen, wie Slaghuis erklärt. Manchen Beschäftigten sei es zum Beispiel wichtig, ein laufendes Projekt noch fertigzustellen. Manchmal ist das nicht möglich, weil das Ende schnell und plötzlich kommt. „Viele, die nicht mehr gut Abschied nehmen können, belastet das Alte noch stark, und es fällt ihnen schwerer, sich auf etwas Neues einzulassen.“Mit den Lieblingskollegen eine kleine Abschiedsfeier zu veranstalten, auch virtuell, könne in solchen Fällen helfen.
Oft stecken auch Ängste dahinter, wenn man das sinkende
Schiff nicht verlassen mag. Das ist ganz normal: „Ängste sind nahezu zwangsläufig mit Umbrüchen verbunden“, betont Qualen. In solchen Situationen helfe es, sich klar zu machen, welche Veränderungen man schon gut gemeistert hat. Dem folgt dann oft die Erkenntnis: „Ich kann mich auf meine Fähigkeiten verlassen.“
Hilfreich kann sein, ein Erfolgsjournal zu führen. In dieses „Tagebuch“trägt man ein, was man geschafft hat: Wie ging es mir damit, welche Schritte habe ich unternommen, was war der Effekt? In welchem Rhythmus man derartige Aufzeichnungen führt, kann jeder für sich selbst bestimmen. Wichtig ist, dass man in Zeiten des Umbruchs darauf zurückgreifen kann.
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