Zwei Tage lang Grippe-symptome
Er bereits Herwig Jantschik nimmt an der Impfstudie des Tübinger Herstellers Curevac teil. Die erste Spritze hat erhalten.
Herwig Jantschik nimmt an der Impfstudie des Tübinger Herstellers Curevac teil und hat die erste Spritze schon erhalten.
Kleiner Pieks, große Hoffnung. Vor wenigen Tagen ist der zweite Corona-impfstoff in Deutschland angekommen. Und es soll nicht der letzte sein. Auch beim Tübinger Biotech-unternehmen Curevac läuft derzeit die letzte und entscheidende Phase-3-studie zur Beurteilung von Wirksamkeit und Sicherheit eines Impfstoffs an 35 000 Menschen in Europa und Lateinamerika. Herwig Jantschik ist einer dieser 35 000.
In unserem Bekanntenkreis sind schon mehrere an Covid-19 gestorben.
Herwig Jantschik
Wir brauchen mehr Impfstoff auf dem Markt und Leute, die sich an Studien beteiligen.
Bereits im August hatte der 60-Jährige sein Interesse an der Teilnahme bekundet. Den Grund dafür erklärt er so: „Wir kommen nur mit einem Impfstoff aus der Pandemie raus. Und wir brauchen mehr davon auf dem Markt. Also braucht es eben Leute, die sich an den Studien beteiligen.“Angst vor dem neuen mrna-impfstoff hatte er keine. „Ich habe verstanden, wie das Serum funktioniert und deshalb überhaupt keine Bedenken.“
Herwig Jantschik
Fantasie und Wirklichkeit
Bedingt durch seinen Beruf als Sozialarbeiter bei Voith hat Herwig Jantschik täglich mit vielen Menschen zu tun. „Ich frage jeden, ob er oder sie sich impfen lassen will“, sagt der Aalener. Häufig laute die Antwort: nein. „Und wenn ich dann frage, ob man sich über die Impfung informiert hat, ist die Antwort ebenfalls nein.“Doch ohne
Informationen entwickle man Fantasien und Ängste, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hätten.
MS kein Ausschlusskriterium
Nachdem er sich also ausreichend informiert fühlte, fanden telefonische Vorgespräche statt. Unter anderem wurden Vorerkrankungen abgefragt. „Ganz gesund bin ich nicht“, sagt Jantschik. „Ich habe Multiple Sklerose, aber das war kein Ausschlusskriterium.“Ende Dezember hatte er dann seinen ersten Termin in Tübingen. „Ich war voller Freude und dachte: Jawoll, jetzt geht es los.“Doch bei der Voruntersuchung stellte sich heraus, dass er an Bluthochdruck leidet. „Das wusste ich vorher gar nicht“, sagt der 60-Jährige. Die Impfung wurde daraufhin verschoben, er konsultierte seinen Hausarzt und bekam ein blutdrucksenkendes Medikament verordnet.
Zwei Tage lang Symptome
Am 7. Januar erhielt er dann die erste Spritze. Ob sich darin das Serum befunden hat, weiß Jantschik allerdings nicht. Im Rahmen der Studie erhalten 50 Prozent der Probanden den Impfstoff und die übrigen 50 Prozent ein Placebo. Einen Tag nach der Spritze traten dann Nebenwirkungen auf. Zwei Tage hielten sich Kopfschmerzen, leichte Übelkeit und Erschöpfung. „Es hat sich angefühlt, wie eine beginnende Grippe“, beschreibt er. „Ich konnte arbeiten, aber es war erschwert.“
Über seine Symptome führt Jantschik über eine App allabendlich Protokoll. Außerdem wurde sein Befinden telefonisch abgefragt. War er nicht besorgt, als Nebenwirkungen auftraten? „Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe auf Symptome gehofft und wäre enttäuscht gewesen, wenn ich keine bekommen hätte.“Denn dadurch sei er nun ziemlich sicher, das Serum auch bekommen zu haben. Ob das wirklich der Fall war, erfahren die Probanden aber erst nach dem Ende der Studie. „Ich schätze, das wird Ende März der Fall sein“, sagt Jantschik. Die Curevac AG selbst rechnet ebenfalls mit einer Zulassung des Impfstoffes zum Ende des ersten, spätestens aber zu Beginn des zweiten Quartals.
Und wie hat sein Umfeld auf die Teilnahme an der Studie reagiert? „Es hatten nicht alle Verständnis, aber das ist für mich unerheblich“, sagt Jantschik. „In unserem Bekanntenkreis sind schon mehrere an Covid-19 gestorben. Darunter auch Leute, die jünger waren als ich und keine Vorerkrankungen hatten.“Ein weiterer Bekannter habe sich vor sechs Wochen infiziert. „Er war ein topfitter Sportler und jetzt bewegt er sich wie ein 80-Jähriger.“Corona sei nun einmal unberechenbar. Seine Konsequenz: „Ich habe keine Angst vor dem Virus, aber ich will die Krankheit keinesfalls bekommen.“Am 3. Februar soll er die zweite Spritze erhalten.