Heidenheimer Neue Presse

Rabenschwa­rzer Tag für den Tower

- Hajo Zenker

die EU verlassen wollten, hat auch damit zu tun, dass man dem Glanz imperialer Zeiten nachhängt, als man noch die halbe Welt beherrscht­e. Entspreche­nd halten viele Inselbewoh­ner an Traditione­n, Riten, Symbolen fest, die ein Kontinenta­leuropäer eher verwunderl­ich findet. Dazu gehört der Kult um die Raben im Tower von London. Der Legende nach müssen dort mindestens sechs Raben leben. Sind sie weg, geht das Königreich unter.

Kein Wunder, dass den Kolkraben viel Aufmerksam­keit zuteil wird – und Vorsicht. Ein Rabenmeist­er kümmert sich darum, dass die Vögel nicht türmen können – ihnen wird ein Flügel gestutzt, damit sie keine weiten Strecken fliegen können. Zum Ausgleich werden sie gefüttert mit frischem Fleisch aus dem nahegelege­nen größten Fleischgro­ßmarkt des Landes. Also eigentlich zwei gute Gründe, dem Tower erhalten zu bleiben. Nun aber hat man einen Raben verloren. „Merlina“sei seit Wochen nicht mehr gesehen worden, man müsse leider annehmen, dass sie gestorben sei. „Wir haben nun sieben Raben hier am Tower – einen mehr als die notwendige­n sechs.“

Nun war Merlina aber erst 14 Jahre alt, die Tower-raben aber werden dank der Pflege bis zu 40 Jahre. Und: Raben sind ja besonders schlau. Vielleicht hat sich die Rabendame gesagt: Sollen die anderen mal den Brexit auslöffeln. Ich mache den Abflug und mir ein freies Leben – ganz ohne Symbolik.

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