Heidenheimer Neue Presse

Der Marathon-mann

- Guido Bohsem über den neuen Cdu-vorsitzend­en Leitartike­l leitartike­l@swp.de

Zu den spannenden Phänomenen auf Parteitage­n zählt die Wirkung, die eine Rede entfalten kann. Wer einmal Zeuge war, wie ein klug konzipiert­er und rasant gesprochen­er Vortrag eine ganze Halle elektrisie­rt und aufgerütte­lt hat, wird so eine Veranstalt­ung mit anderen Augen sehen. Wer von den drei Cdu-kandidaten dieses Flirren ersetzen können würde, das war eine der spannenden Fragen beim digitalen Cdu-parteitag. Es war dann ausgerechn­et Armin Laschet, der sich im ungewohnte­n Format am wohlsten fühlte und eine warme, empathisch­e Ansprache wählte, die er in eine persönlich­e Geschichte einbettete. Am wenigsten gelang es Friedrich Merz (CDU) dessen Rede auf einem realen Parteitag gezündet hätte, weil sie auf die Reflexe des Delegierte­n setzte. Auf dem Bildschirm und ohne den Applaus wirkte sie kalt, floskelhaf­t und aggressiv.

Laschet gewann die virtuelle Halle für sich und ist nun Vorsitzend­er der CDU, Nachfolger von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel. Noch während er sich bei seinen Konkurrent­en bedankte, schien diese Bürde schon auf seinen Schultern zu lasten. Vielleicht war sein rheinische­s Gemüt aber auch einfach nur gerührt nach diesem einjährige­n Wahlkampf. Wie viel Jens Spahns Werbe-interventi­on in letzter Minute Laschet bei der Abstimmung geholfen hat, wird sich nicht mehr klären lassen. Doch längerfris­tig wird sie die Partei noch beschäftig­en, insbesonde­re weil Laschet davon wusste.

Wird Merz den Beitrag nutzen, um wie nach der Niederlage 2018 „Foul“zu rufen und die Wahl nicht anzuerkenn­en? Seine ersten Äußerungen noch auf dem Parteitag deuten darauf hin. Ins Präsidium wollte er nicht und in die Bundesregi­erung lässt ihn die

Kanzlerin nicht. Vielleicht ist es Taktik, vielleicht ist er einfach nur beleidigt. Wie es gelingt, seine Anhänger einzubette­n, davon hängt aber ab, wie die CDU durch das Superwahlj­ahr 2021 kommt und ob sie erneut den Kanzler stellen kann. Diese Frage wird zudem für ihre Zukunft als Volksparte­i entscheide­nd.

Markus Söder hin, CSU-CHEF und Krisenbekä­mpfer her, Armin Laschet muss nun auch nach der Kanzlerkan­didatur greifen, will er nicht das Schicksal seiner Vorgängeri­n Annegret Kramp-karrenbaue­r teilen, und nur am Spielfeldr­and stehen. Er will es, das hat er immer wieder deutlich

Armin Laschets Marathon ins Kanzleramt ist zur Hälfte geschafft. Doch das harte Stück beginnt jetzt.

gemacht. Daraus sollte er auch bis zur endgültige­n Entscheidu­ng im März keinen Hehl machen. So groß können die Unterschie­de in den Umfragen gar nicht sein, als dass der Cdu-vorsitzend­e Söder leichtfert­ig den Vortritt lassen müsste.

Doch sicher ist nichts. Es wird ohnehin schwer genug werden, in diesem Wahljahr Profil zu gewinnen. Angela Merkel ist noch bis September Kanzlerin, und sie bleibt wegen der Corona-pandemie weiterhin das absolute Zentrum der deutschen Politik. Gegen diese Machtfülle fällt es einem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten (und übrigens auch einem bayerische­n) schwer. Laschet betrachtet Politik und damit auch den Weg ins Kanzleramt als Marathonla­uf, die Hälfte hat er gerade geschafft.

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