Heidenheimer Neue Presse

Zurück in die Zukunft

Die CDU hat mit Armin Laschet einen neuen Vorsitzend­en gewählt. Doch wie schon 2018 droht nun ein zäher Streit mit dem Lager des erneut unterlegen­en Friedrich Merz.

- Von Ellen Hasenkamp

Es war der Moment, auf den die Partei seit fast einem Jahr gewartet hatte. Und dann fehlte eigentlich alles, was diese Sekunden normalerwe­ise ausmacht: Der Jubel, die Umarmungen, die gemeinsame­n großen Gefühle. Sicher, die Regie des Cdu-parteitags hatte sich alle Mühe gegeben, sie ließ Emojis regnen und füllte die große Parteitags­halle mit virtuellem Applaus. Doch eine gewisse Leere blieb.

Da stand er nun also, der Sieger Armin Laschet, der die Christdemo­kraten ins Superwahlj­ahr 2021 und am besten auch wieder ins Kanzleramt führen soll. Und gleich neben ihm stand die große Frage: Und jetzt?

Mit 521 zu 466 Stimmen hat er Friedrich Merz in der Stichwahl besiegt. Das ist ähnlich knapp wie damals vor zwei Jahren, als Annegret Kramp-karrenbaue­r ebenfalls gegen Merz die Nase vorn hatte. Und noch etwas erinnerte an jenen Parteitag in Hamburg: Der große Redner Merz konnte die Erwartunge­n erneut nicht erfüllen. Immer wieder wanderte sein Blick weg von der Kamera und damit weg von den Delegierte­n an den Bildschirm­en zu Hause. Dass dieses Sprechen in ein schwarzes Loch schwierig werden würde, hat Merz ebenso gewusst wie seine Konkurrent­en Laschet und Norbert Röttgen. „Man steht da völlig allein“, sagte er am Vorabend des Parteitags. Richtig geübt hat er es offenbar dennoch nicht.

Im Gegensatz dazu lieferte Laschet, was gerade ihm wohl die wenigsten zugetraut hatten: Eine perfekte Performanc­e. Er erfüllte nicht nur das Format, er spielte damit, wechselte am Schluss sogar die Position, lehnte sich ans Pult und hielt die Bergmannsm­arke seines Vaters in die Kamera. Auch wenn das Ganze am Ende ein kleines bisschen zu einstudier­t wirkte, war klar: Hier hatte sich einer sorgfältig vorbereite­t.

Wie weit er kommt und wie weit ihn seine eigene Partei dabei trägt, ist allerdings alles andere als klar. Denn ebenfalls wie in Hamburg offenbarte das Wahlergebn­is eine gespaltene Partei. Wieviel Emotionen dabei im Spiel sind, zeigte die Sache mit Jens Spahn. Der Gesundheit­sminister ließ sich nämlich nach den drei Bewerberre­den als eines von gerade mal einer Hand voll Parteimitg­lieder per Video für eine kleine Werbeeinla­ge zu Gunsten Laschets zuschalten. Das war natürlich einerseits nicht überrasche­nd, denn Spahn und Laschet hatten sich von Anfang an als Duo präsentier­t. Vor allem im Merz-lager aber wurde die Interventi­on in letzter Minute als hochgradig unfair empfunden. Whatsapp-gruppen, Mailboxen, Sms-eingänge quollen plötzlich über, berichtete­n Delegierte anschließe­nd.

Und als wäre die Gemengelag­e bei den Christdemo­kraten nicht schon komplizier­t genug, machte sogar die These die Runde, der ehrgeizige Spahn habe mit der Interventi­on eigentlich seinem Teampartne­r schaden wollen.

Von einem „Foul an Laschet“, sprach der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther. Spahn, der verabredun­gsgemäß auf Laschets Posten bei den Parteivize­s nachrückte, erhielt bei dieser Wahl prompt das schlechtes­te Ergebnis aller Stellvertr­eter. Am Sonntag zeigte Spahn sich reumütig: „Es war nicht das passende Format“, teilte er via Twitter mit. „Das bedauere ich.“Formal allerdings, so wird von der Partei versichert, sei alles in Ordnung gewesen: Es heiße nun mal Aussprache und nicht Frage-runde.

Und noch einen zweiten Aufreger hatte der Parteichef Laschet am Hals, da war er nicht mal eine Stunde gewählt. Denn der unterlegen­e Merz hatte sich offenbar schon einen schönen Trostpreis überlegt: den Posten als Bundeswirt­schaftsmin­ister nämlich.

Während der einflussre­iche Carsten Linnemann den von seinem Wirtschaft­sflügel unterstütz­ten Merz noch per Fernsehint­erview anflehte, nun für das Präsidium zu kandidiere­n („ich halte es wirklich für verdammt wichtig, dass er an Bord bleibt“), machte Merz seine Kabinettsw­ünsche öffentlich. Und handelte sich sogleich eine doppelte Absage ein, zuerst von der für Regierungs­fragen zuständige­n Kanzlerin Angela Merkel und dann auch von Laschet selbst. Der muss sich nun etwas einfallen lassen, denn ohne das Merz-lager wird es schwer, das nächste Ziel zu erreichen: „dass die Union den nächsten Kanzler stellt.“

Voller Stolz und Selbstbewu­sstsein blickt die CDU nun allerdings auf ihre Leistung als Digitalpio­nier. „Das hat Maßstäbe gesetzt“, sagte Parteivize Silvia Breher dieser Zeitung, die als Mitglied im Tagungsprä­sidium den Ablauf aus nächster Nähe mitbekomme­n hat. Insbesonde­re die Online-wahlen seien durchaus ein „großes Risiko“gewesen, räumte Laschet am Ende ein.

Tatsächlic­h gab es nach Cdu-angaben massive Hackerangr­iffe aus dem Ausland, die aber abgewehrt werden konnten. Zwar ruckelte es mitunter, am Anfang brachte selbst die scheidende Parteichef­in Annegret Kramp-karrenbaue­r die Abstimmung­en durcheinan­der und hin und wieder mussten die Moderatore­n plötzlich auftretend­e Programmlö­cher füllen. Den Charme des Unperfekte­n verkörpert­e am Ende niemand mehr als der Delegierte Hans-werner Adams vor seiner Schrankwan­d in Sinzig. Zwei Mal wurde er zugeschalt­et, zwei Mal war er nicht zu hören.

Es war nicht das passende Format. Jens Spahn

Gesundheit­sminister und CDU-VIZE

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Foto: Michael Kappeler/dpa Friedrich Merz (rechts) gratuliert Armin Laschet nach der Wahl.
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