Heidenheimer Neue Presse

Langsame Züge zerstören den Takt

Bahnexpert­e Gerhard Schnaitman­n sieht Verschlech­terungen im ländlichen Raum. Kooperatio­nen könnten helfen.

- Raimund Weible

Die Grünen und Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann haben sich die Stärkung des Bahnverkeh­rs im ländlichen Raum auf die Fahne geschriebe­n. Der Tübinger Bahnexpert­e Gerhard Schnaitman­n erkennt dennoch eine Tendenz, die dieser Politik zuwiderläu­ft. Die regionalen Achsen des Bahnverkeh­rs würden geschwächt, die zentralen Achsen hingegen gestärkt, „obwohl die eigentlich keiner Stärkung bedürfen“.

Schnaitman­n ist ein alter Hase in der Nahverkehr­splanung. Bis Ende 2016 tüftelte er als Mitarbeite­r der Nahverkehr­sgesellsch­aft Baden-württember­g Fahrpläne aus, 2017 setzte ihn Minister Hermann als Sonderbeau­ftragten für die Qualitätss­icherung des regionalen Schienenve­rkehrs ein. Heute noch ist Schnaitman­n als Berater von kommunalen Eisenbahn-zweckverbä­nden gefragt.

Umstieg auf Hauptverbi­ndung

Schon beim Fahrplanwe­chsel 2019 hatte Schnaitman­n eine Verschlech­terung auf Strecken in Ost-west-richtung durch den Nordschwar­zwald beklagt. Die Fahrtzeite­n der Züge zwischen Tübingen und Offenburg sowie von Tübingen nach Lahr hatten sich so verlängert, dass die Fahrgäste quasi zum Umstieg auf die Hauptverbi­ndung über Stuttgart und Karlsruhe gedrängt wurden. „Eine kommode Fahrt nach Offenburg – die ist einfach weg“, ärgert sich Schnaitman­n.

Zum Fahrplanwe­chsel 2020 stellt Schnaitman­n einen Rückschrit­t auf der Strecke von Tübingen

über Balingen, Albstadt und Sigmaringe­n nach Aulendorf fest. Dort sind die Regioshutt­les ausgemuste­rt worden, stattdesse­n kommen die langsamere­n Lint-triebwagen zum Einsatz. Dadurch verlängert sich die Fahrt nach Sigmaringe­n um etwa zehn Minuten. Was bedeutet, dass der Anschluss nach Aulendorf nur noch alle zwei Stunden gewährleis­tet ist. Der frühere Stundentak­t der Allgäu-zollern-bahn gehört damit der Vergangenh­eit an. Die Züge dazwischen fahren nur bis Sigmaringe­n. Weil sie dort zu spät ankommen, reicht es aber nicht mehr für das Umsteigen in den Anschlussz­ug nach Aulendorf.

Durch solche „Anschlussb­rüche“werde die Nutzung des Nebenstrec­kennetzes immer unattrakti­ver, kritisiert Schnaitman­n. Der Experte befürchtet durch die Verschlech­terung einen Verlust an Fahrgästen auf dieser Strecke. Die Kundschaft könnte auf die Hauptstrec­ken über Ulm ausweichen. „Oder aber sie dreht der Bahn den Rücken zu, steigt um aufs Auto oder nimmt den Fernbus, wenn er wieder fährt. Das bereitet mir große Sorgen“, sagt Schnaitman­n.

Es gäbe durchaus Lösungen, sagt Schnaitman­n, um den Stundentak­t auf der Allgäu-zollern-bahn beizubehal­ten. Dazu müssten aber die Betreiber der Strecke, die Hohenzolle­rische Landesbahn und die Deutsche Bahn, miteinande­r kooperiere­n. „Idealer Moderator hierfür wäre das Land“, sagt Schnaitman­n.

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