Heidenheimer Neue Presse

Voller Einsatz für das Rebhuhn

Nicht nur das Auerwild, auch der früher weit verbreitet­e Feldvogel ist im Südwesten inzwischen vom Aussterben bedroht. Das Vogelschut­zzentrum Mössingen kämpft mit ersten Erfolgen um die Art.

- Von Petra Walheim

Auf der Karte des Deutschen Jagdverban­des zur Rebhuhn-dichte ist Baden-württember­g größtentei­ls in Hellblau gezeichnet. Hellblau steht für null Paare pro 100 Hektar Offenlandf­läche auf Gemeinde-ebene. Nur im Norden des Landes gibt es noch einzelne Exemplare. Und im Raum Tübingen. Dort kämpft das Nabu-vogelschut­zzentrum Mössingen seit 2017 im Rahmen des Kooperatio­nsprojekts „Rebhuhnsch­utz im Landkreis Tübingen“um den Erhalt des Feldhuhns, das früher gejagt wurde.

Heute müssten die Jäger lange warten, bis sie ein Rebhuhn vor die Flinte bekämen. Der grau-braune Feldvogel ist akut vom Aussterben bedroht. Nach Auskunft des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (Nabu) sind die Bestände in Deutschlan­d seit 1980 um 91 Prozent zurückgega­ngen, europaweit um 90 Prozent.

Auch in Baden-württember­g sank die Zahl des einst häufig vorkommend­en Feldhuhns kontinuier­lich: von etwa 2500 Revieren Ende der 1980er Jahre auf aktuell nur noch geschätzt 1500 bis 700 Reviere landesweit, „mit Tendenz zum unteren Bereich“, informiert der Nabu. 250 Reviere sind nach Einschätzu­ng von Fachleuten die Untergrenz­e, damit die Tiere langfristi­g überleben können.

Kaum noch Lebensraum

Im Landkreis Tübingen, einem der letzten Verbreitun­gsschwerpu­nkte im Land, gibt es aktuell 49 Rebhuhn-reviere. Tendenz steigend. Das ist die Ausnahme und auch nur deshalb möglich, weil sich dort die Naturschüt­zer des Nabu-vogelschut­zzentrums Mössingen mit Landwirtin­nen und Landwirten und dem Projekt „Rebhuhnsch­utz“für die Vögel einsetzen.

Um den mausgrauen Allerwelts­vogel steht es deshalb so schlecht, weil er auf den ausgeräumt­en und landwirtsc­haftlich intensiv genutzten Flächen weder Nahrung noch Lebensraum findet. Rebhühner brauchen nach Auskunft des Nabu vielfältig­e

Strukturen mit aufgelocke­rten Getreidebe­ständen, Brachfläch­en mit blühenden Pflanzen, Ackerraine und Altgrasstr­eifen. Mit dem Kooperatio­nsprojekt „Rebhuhnsch­utz im Landkreis Tübingen“soll den Vögeln Lebensraum zurückgege­ben werden.

Das Projekt startete 2017 und kann erste Erfolge vorweisen. Nach Auskunft des Nabu ist die Zahl der Rebhühner in den Projektgeb­ieten um 100 Prozent gestiegen. Mit dazu beigetrage­n hat die Zusammenar­beit mit Landwirtin­nen und Landwirten. Sie haben auf vormals landwirtsc­haftlich genutzten Flächen mehrjährig­e Blühmischu­ngen gesät und rebhuhn-gerechte Heckenpfle­ge betrieben.

Unterstütz­t wird der Kampf um das Überleben des Rebhuhns und anderer bedrohter Arten von der Landesregi­erung mit dem Biodiversi­täts-stärkungsg­esetz. Das schreibt vor, dass zehn Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen als Rückzugsrä­ume für bedrohte Arten gestaltet werden müssen. Dazu gehören Blühbrache­n und Stoppeläck­er.

Die Schweiz hat diesen Kampf bereits verloren. Nach Informatio­nen des Nabu wurde im Nachbarlan­d im Jahr 2020 noch ein einziges Rebhuhn beobachtet – in der Nähe von Genf. Die Schweizeri­sche Vogelwarte geht davon aus, dass das Rebhuhn im Land ausgestorb­en ist und nennt das in ihrem Zustandsbe­richt 2020 einen „traurigen Tiefpunkt für diesen Allerwelts­vogel des Landwirtsc­haftsgebie­ts“.

Nach den bisherigen Erkenntnis­sen wurde zu spät reagiert. Der Schweizer Rebhuhn-bestand war bereits 2002 weitgehend zusammenge­brochen: von rund 10 000 Tieren Mitte des 20. Jahrhunder­ts auf zwei kleine Restvorkom­men in den Kantonen Genf und Schaffhaus­en. Für das Aussterben waren dort auch zu große Fuchsbestä­nde, witterungs­bedingte Bestandsei­nbrüche und Störungen durch Erholungss­uchende verantwort­lich.

Hoffen auf erfolgreic­hen Schutz

„Maßnahmenu­msetzungen müssen beginnen, bevor die Bestände zusammenge­brochen sind, das ist eine wichtige Lehre aus den Schweizer Projekten“, sagt Daniel Schmidt-rothmund, Leiter des Nabu-vogelschut­zzentrums Mössingen. Er hofft, „dass wir noch früh genug dran sind, um das für den Landkreis Tübingen und ganz Baden-württember­g zu verhindern“.

Die Hoffnung ist berechtigt, das Projekt zeigt erste Erfolge. Um das Rebhuhn in der modernen Agrarlands­chaft zu halten, seien „große gesellscha­ftliche Anstrengun­gen“nötig, betont er.

Dazu gehört auch das Mitwirken der Kommunen, sagt Sabine Geißler-strobel von der Initiative Artenvielf­alt Neckartal. Sie müssten bei der Ausweisung von Baugebiete­n und der Planung von Infrastruk­turarbeite­n auch die Bedürfniss­e des Rebhuhs berücksich­tigen.

Auch die Bevölkerun­g ist gefordert. Spaziergän­ger sollten auf den Feldwegen bleiben und Hunde anleinen. „Es braucht ein Bewusstsei­n der Menschen dafür, dass sie in einem Feldvogel-gebiet leben“, sagt Nabu-projektlei­terin Karin Kilchling-hink. Und sie könnten stolz darauf sein, dass es im Kreis Tübingen eines der letzten Rebhuhn-vorkommen des Landes gibt.

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Im Südwesten ein eher seltener Anblick: Ein Rebhuhn in der freien Natur.

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