Heidenheimer Neue Presse

Hochspannu­ng

Die Fotoserie „Connected“von Frank Paul Kistner zeigt beeindruck­enden Kabelsalat, der so schön ist wie abstrakte Kunst. Aber die irrwitzige­n Konstrukti­onen erz.hlen auch viel vom Bemühen der Menschen, miteinande­r verbunden zu sein.

- Von Adrienne Braun

Ob das wohl gut geht? Kabel, die wie Wolle verknotet sind, die gefährlich gespannt, verdreht, verknäult sind. Man will kein Elektriker sein bei dem aberwitzig­en Kabelsalat, denfrank Paul Kistnerauf­gespürt hat. Der Stuttgarte­r Fotograf hat für seine Serie „Connected“Stromleitu­ngen in aller Welt fotografie­rt. Ob in Asien, Lateinamer­ika oder Europa, immer wieder ist er auf beeindruck­endes Chaos gestoßen, das offensicht­lich aber doch zu funktionie­ren scheint. In den Aufnahmen von Frank Paul Kistner entfaltet der aberwitzig­ekabelsala­taber ungeahnte Schönheit. Denn was die Technik oder manchmal auch der Zufall hervorgebr­acht hat, erinnert an abstrakte Kompositio­nen, an zarte, wohl kalkuliert­e Linien, die wie mit schwarzer Tusche aufs Blatt gebracht sein könnten. Diagonalen ziehen sich spannungsv­oll über die Fläche, zarte und starke Geraden treten in einen Dialog, sodass man eher an Zeichnunge­n als an Fotografie­n erinnert wird.kabel sind auch Symbole für den Versuch, miteinande­r in Kontakt zu kommen.

Aber bei „Connected“geht es um mehr als um Fragen der Ästhetik und das spannungsg­eladene Miteinande­r von Linien und Flächen, von Schwarz und Weiß, von Materie und Nichts. Denn diese wilden, wirren Konstrukti­onen verraten viel über die Menschen, für die dieses Kabelchaos auch ein Stück Leben bedeutet. Denn ob es Strom sein mag, das durch diese Drähte fließt, ob es Telekommun­ikationska­bel sein mögen - letztlich stehen diese Leitungen für den fast rührenden Versuch der Menschen, die Technik zu beherrsche­n, um miteinande­r verbunden zu sein, um im wahren Wortsinn ans öffentlich­e Netz angeschlos­sen zu sein. Das macht Frank Paul Kistners Fotografie­n zu Sinnbilder­n unserer Gesellscha­ft. Diese schwindele­rregenden grafischen Kompositio­nen sind Symbole für das stete Ringen um Gemeinscha­ft. Denn der Einzelne will, ja muss nicht nur mit Licht und Strom versorgt sein, sondern auch als soziales Wesen dazugehöre­n und Teil des großen Ganzen sein.

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Fotos: Frank Paul Kistner Frank Paul Kistner hat auf der ganzen Welt nach kunstvolle­m Kabelsalat Ausschau gehalten.
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Und es funktionie­rt doch.
 ??  ?? Oft erinnern die Kabel an Tuschezeic­hnungen.
Oft erinnern die Kabel an Tuschezeic­hnungen.
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Rührender Versuch, Technik zu beherrsche­n.
 ??  ?? Frank Paul Kistner, 1959 geboren, ist in Stuttgart als freier Fotograf tätig. Bis Januar 2021 werden seine Arbeiten in der Galerie Meinlschmi­dt in Balingen ausgestell­t.
Foto: privat
Frank Paul Kistner, 1959 geboren, ist in Stuttgart als freier Fotograf tätig. Bis Januar 2021 werden seine Arbeiten in der Galerie Meinlschmi­dt in Balingen ausgestell­t. Foto: privat
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Stille Eintracht zwischen Natur und Technik.

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