Heidenheimer Neue Presse

Rost, Moos oder aufgeplatz­te Baumrinde

Ein Reisebüro wird zur Kunstgaler­ie: In der Heidenheim­er Hauptstraß­e stellt Birgit Hietkamp ihre Gemälde derzeit im Schaufenst­er des IHR Reisebüros aus. Manche ihrer Werke stellt die Künstlerin gelegentli­ch auch unter die Dusche.

- Von Maximilian Haller

Mit den Werken von Birgit Hietkamp wird aktuell das Schaufenst­er eines Heidenheim­er Reisebüros zur Kunstgaler­ie.

Ein kleiner Wald ist in der Heidenheim­er Fußgängerz­one gewachsen. Rinde, Äste, Holz und Erde schmücken seit Kurzem das Schaufenst­er des IHR Reisebüros in der Hauptstraß­e. Jedoch: Mal abgesehen von ein paar Ästen ist dieser Wald nicht „natürlich“– vielmehr besteht er aus Farbe, Leinwand und Pigmenten. Denn dahinter steckt die Heidenheim­er Künstlerin Birgit Hietkamp. Sie ist eine von mehreren Kunstschaf­fenden, die es sich jüngst auf die Fahnen geschriebe­n haben, Licht und Farbe in die Geschäfte der Innenstadt zu bringen.

„Ich habe über die HZ von der Aktion von Nicoline Koch-lutz erfahren“, erzählt Hietkamp. Die „Open“-künstlerin Koch-lutz hat kürzlich die Schaufenst­er des Cafés Hellen Stein mit Aquarellen verziert – und weitere Kunstschaf­fende dazu aufgerufen, es ihr nachzutun. „Diesem Aufruf bin ich gefolgt“, sagt Hietkamp. Gezielt habe sie beim IHR Reisebüro angefragt. Man kennt sich; im Reisebüro hängen Hietkamps Gemälde schon länger und sorgen dort bei der Kundschaft für einen Klecks Farbe im Ambiente, wenn sie Flüge und Hotels buchen.

Nur bleibt eben jene Kundschaft seit Beginn der Pandemie quasi komplett aus. „Mit meinen Bildern wollte ich etwas Leben in das Geschäft zurückhole­n“, berichtet Hietkamp. „Es soll zudem ein Wachruf sein und den Menschen deutlich sagen: ‚Hallo, uns Künstler gibt’s auch noch!‘ Nur arbeiten wir momentan eben in unseren stillen Kämmerchen.“

Rost, Moos, Verwitteru­ng

Hietkamps Kämmerchen beziehungs­weise Atelier befindet sich in der Hinteren Gasse. Ursprüngli­ch Autodidakt­in, absolviert­e Hietkamp später ein dreijährig­es Studium der Kunstthera­pie. Darüber hinaus arbeitet sie unter anderem auch als Ernährungs- und Diätberate­rin. Und: als freischaff­ende Künstlerin. „Früher habe ich hauptsächl­ich mit Acrylfarbe­n gemalt. Heute nutze ich vor allem Naturpigme­nte, aber auch Edelsteine und Wachsfilme für meine Bilder“, erläutert Hietkamp.

Für jene Gemälde geht die Künstlerin auch gerne mal auf Spurensuch­e. Alte Gemäuer, Verwitteru­ngsprozess­e, Rost, Moos, aufgeplatz­te Baumrinde – das alles dient ihr als Inspiratio­n. „Manchmal stelle ich ein Bild auch für eine Weile unter die Dusche und arbeite mit der Essenz, die übrig bleibt, weiter. Mir gefällt, wenn etwas Zurücklieg­endes dadurch wieder hervorkomm­t“, so Hietkamp.

Trotz des allumfasse­nden Themas Corona – oder schlicht „C-punkt“wie Hietkamp das Virus gelegentli­ch nennt – haben die Gemälde inhaltlich nichts mit der Pandemie zu tun. Weite, ausladende Striche in verschiede­nen Rot- und Brauntönen werden auf ihnen durch schwarze Striche und weiße Farbtupfer unterbroch­en.

Kleine Arbeiten statt Großformat­e

Zwei der Werke sind erst kürzlich entstanden, die restlichen hat Hietkamp aus ihrem Fundus ausgegrabe­n. „Für die Aktion musste ich auf kleinere Arbeiten zurückgrei­fen“, erklärt sie. „Das war etwas ungewohnt für mich. Normalerwe­ise produziere ich eher Großformat­e.“Titel gibt sie ihren Bildern grundsätzl­ich nicht – die Künstlerin will den Betrachter nicht gezielt in eine Richtung lenken. Auch wenn ihre Bilder vermutlich nicht auf ewig die Schaufenst­er in der Hauptstraß­e zieren werden, so hofft Birgit Hietkamp doch, dass sich daraus etwas Dauerhafte­s entwickeln wird: „Vielleicht entsteht daraus ja eine Art Kooperatio­n von diversen Künstlern

aus dem Kreis Heidenheim. Etwas, das sagt: ‚Wir sind da‘ – auch nach Corona.“

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Foto: Rudi Penk Farbe gegen Tristesse: Die Heidenheim­er Künstlerin Birgit Hietkamp stellt ihre Gemälde derzeit im Schaufenst­er des IHR Reisebüros in der Heidenheim­er Hauptstraß­e aus.
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Foto: Rudi Penk Anfangs malte sie hauptsächl­ich Acrylfarbe­n, heute nutzt Birgit Hietkamp vermehrt Naturpigme­nte für ihre Bilder.

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