Weiter viele Fragen offen
Aus Sicht des Bundes kann der Ausbau der Gäubahn kommen. Die Bahn verweist auf die fehlende Finanzierung, die Anrainer auf Nachteile bei der Anbindung.
Für Steffen Bilger ist die Sache klar: Der Ausbau der Gäubahn, inklusive eines rund elf Kilometer langen Tunnels zwischen Böblingen und dem Flughafen, kann kommen. „Die Wirtschaftlichkeit ist nun nachgewiesen“, sagte der Cdu-staatssekretär im Bundesverkehrsministerium vergangene Woche bei einer Pressekonferenz. Damit seien „die Weichen für den Deutschlandtakt und einen optimal vernetzten Bahnverkehr in der Region gestellt“, meinte Bilger und betonte auch, dass aus seiner Sicht, die Finanzierung des rund 2,1 Milliarden Euro teuren Ausbaus gesichert sei.
Der Gäubahnausbau sei im Bundesverkehrswegeplan festgeschrieben, der sei wiederum vom Bundestag beschlossen worden, es gebe also einen gesetzlichen Auftrag, die Gäubahn auszubauen. „Die nötigen Mittel sind im Haushalt eingeplant“, sagte Bilger. Durch den Klimaschutz gebe es im Moment viel Rückhalt für Investitionen in die Schiene. Die Finanzierung sollte deswegen „kein Problem darstellen“.
Wie sicher die Finanzierung des Projektes aber wirklich ist, ist unklar. Aktuell sind im Bundesverkehrswegeplan lediglich Kosten in Höhe von gut 551 Millionen Euro eingeplant. Auch ist ein Teil der Strecke – die Führung der Gäubahn zum Stuttgarter Flughafen – Bestandteil des Großprojekts Stuttgart 21. Für diesen Abschnitt muss geklärt werden, wie die Kosten für den Bau zwischen den Projektpartnern aufgeteilt wird. „Die finanzielle Abgrenzung von Stuttgart 21 muss jetzt schnell geklärt werden“, sagte Bilger vergangene Woche.
Skepsis in Sachen Finanzierung herrscht bei der Deutschen Bahn (DB). Die Projektgesellschaft Stuttgart–ulm, die das Bahnprojekt Stuttgart 21 baut, will im aktuell laufenden Planfeststellungsverfahren
zunächst an der bisher geplanten oberirdischen Streckenführung zum Flughafen festhalten. Aus einem Schreiben an das Regierungspräsidium Stuttgart geht hervor, dass dies vor allem aus Kostengründen geschieht. Es sei davon auszugehen, schreiben die Planer der DB, dass die Kosten für Planung und Bau des Gäubahntunnels „signifikant höher ausfallen“als der Finanzierungsrahmen der bislang geplanten Trasse. „Im Gegensatz zur Antragstrasse ist der Gäubahntunnel derzeit nicht finanziert“, schreibt die Bahn.
Ansonsten sieht die Bahn allerdings viele Vorteile auf Seiten des Gäubahntunnels: eine „mehrminütige Fahrzeitverkürzung“, die Entmischung des Fern- und Regionalverkehrs von der S-bahn, der Wegfall der Rohrer Kurve, einer zusätzlichen Station am Flughafen und eines Tunnels. Auch entfalle die Sperrung der S-bahnstrecke während der Bauzeit. Vorteile sehen die Planer zudem beim Artenschutz. Außerdem gehe man davon aus, dass die Belastung der Anwohner durch Schall und Erschütterungen mit dem Bau des Tunnels geringer ausfalle.
OBS protestieren in Berlin
Scharfe Kritik an den Ausbauplänen des Bundes kommt von Städten entlang der Gäubahn. Sie kritisieren in zwei Briefen an Bilger, dass die Gutachter in ihrer Betrachtung zu Grunde gelegt haben, dass die Fernverkehrszüge auf der Strecke künftig nicht in Böblingen und Singen halten werden. „Böblingen muss Fernverkehrsbahnhof
bleiben“, schreibt der Böblinger OB Stefan Belz (Grüne) gemeinsam mit 14 weiteren Bürgermeistern und Oberbürgermeistern aus der Region.
Man sei „enttäuscht“vom Wegfall des Halts. Böblingen sei „Mobilitätsdrehscheibe im Landkreis“, die Anschlussmöglichkeiten an den Bahnhof seien in den vergangenen Jahren „erheblich verbessert worden“– auch mit „hohen Investitionen seitens der Region und des Landkreises“, schreiben die Bürgermeister. Sie fordern von Bilger eine Stellungnahme, „welche Planungsvarianten vorliegen, um Böblingen weiterhin als Fernverkehrshalt aufrechtzuerhalten“.
Sauer ist man auch in Singen. Dort soll der Fernverkehr zwar künftig Halt machen – allerdings nicht am Hauptbahnhof im Stadtzentrum, sondern an der außerhalb gelegenen Station „Landesgartenschau“. „Mobilitätswende geht anders“, schreibt der Singener OB Bernd Häußler (CDU) an seinen Parteifreund Bilger. Häußler verweist auf ein Gutachten des Landes aus dem Jahr 2016, das einen Rückgang des Fahrgastpotenzials um 25 Prozent prognostiziere. „Es stellt sich die Frage, für wen hier geplant wird.“
Er habe sich vom Gutachten des Bundes eine Aussage dazu erhofft, wie eine Fahrzeitverkürzung auf der Gäubahn trotz eines Halts in Böblingen und Singen realisiert werden könne: „Für die Erkenntnis der Zeitersparnis durch das Nicht-anfahren von Haltestellen braucht es eigentlich kein Gutachten, das hätte Ihnen auch so jeder sagen können.“
Es stellt sich die Frage, für wen hier geplant wird. Bernd Häußler (CDU) OB von Singen