Heidenheimer Neue Presse

Von Helden und Bösewichte­n

Monate vor der Eröffnung präsentier­t die Oscar-akademie ihr neues Museum. Das Haus in Los Angeles soll auch Rassismus und Ungleichhe­it in der Filmindust­rie aufarbeite­n.

- Von Jana Zahner

Wie es sich wohl anfühlt, einen Oscar zu bekommen? Unter dem Applaus von Hollywood-größen auf die Bühne des Dolby Theaters zu treten, eine Rede zu halten? Besucher des neuen Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles können das ab September selbst herausfind­en. Jeder kann hier den bekanntest­en Preis der Filmindust­rie bekommen – Augmented Reality macht’s möglich. Die Einweihung des Museums der Filmakadem­ie, die alljährlic­h die Oscars verleiht, musste mehrfach verschoben werden – zuletzt wegen der Pandemie. Am Mittwoch wurde der Presse zumindest per virtueller Führung ein Einblick in das vom italienisc­hen Stararchit­ekten Renzo Piano entworfene Gebäude gewährt. Auf knapp 30 000 Quadratmet­ern sollen Teile der Sammlung der Oscar-akademie zu sehen sein, darunter Filme, Drehbücher, Requisiten und Kostüme.

Los Angeles ist unbestritt­en die Hauptstadt des Films – und doch fehlte ihr bislang ausgerechn­et ein Filmmuseum. Der Neubau „hat das Zeug, das weltweit bedeutends­te Museum für Filmkunst und Wissenscha­ft des Kinos zu werden“, sagt Laura Dern, eine Treuhänder­in des Museums, bei der virtuellen Präsentati­on. 2012 waren die Pläne für den Bau verkündet worden. Stars wie Steven Spielberg, Barbra Streisand und George Lucas, aber auch Filmstudio­s, Stiftungen und Firmen spendeten Millionen. Das Ergebnis sind zwei mit Glasbrücke­n verbundene Ausstellun­gshäuser, eines davon ein raumschiff­artiger Kugelbau mit Blick auf die Hollywood Hills.

In neun Jahren hat sich nicht nur auf der Baustelle viel getan, sondern auch in der Filmindust­rie: Immer lauter wurden die Forderunge­n nach mehr Diversität und Gleichbere­chtigung. 2016 hatten zahlreiche afroamerik­anische Filmschaff­ende, darunter Spike Lee, Jada Pinkett Smith und Will Smith zum Boykott der Oscarverle­ihung aufgerufen, weil zum zweiten Mal in Folge alle Nominierte­n weiß waren. Kritik traf auch die Zusammense­tzung der Akademie, deren stimmberec­htigte Mitglieder überwiegen­d weiß und männlich waren. Die Debatte ging in sozialen Netzwerken unter dem Schlagwort „Oscarssowh­ite“um die Welt.

Inzwischen wurde der Anteil von Frauen und ethnischen Minderheit­en in der Oscar-akademie erhöht, auch die Preisträge­r sind diverser geworden. 2017 wurde das Drama „Moonlight“als Bester Film ausgezeich­net, Protagonis­t ist ein homosexuel­ler Afroamerik­aner. Drei Jahre später sorgte die Oscarverga­be an den koreanisch­en Film „Parasite“für Aufsehen. 2020 kündigte die Akademie an, künftig strengere Diversität­s-standards für eine Auszeichnu­ng vorauszuse­tzen.

Die Präsentati­on des Oscar-museums zeigt: Auch die Kuratoren der Ausstellun­g wollen sich keinen Rassismus-vorwürfen aussetzen und einen Shitstorm auslösen. Dafür holt die Filmakadem­ie auch ehemalige Kritiker mit ins Boot: Bei der virtuellen Führung, die eigentlich mehr einem sorgfältig inszeniert­en Image-film gleicht, kommen zahlreiche Filmschaff­ende mit einem afroamerik­anischen, asiatische­n oder lateinamer­ikanischen Hintergrun­d zu Wort, darunter die Regisseure Spike Lee („Blackkklan­sman“, „Malcolm X“), Guillermo del Toro („The Shape of Water“), die Schauspiel­erinnen Rita Moreno („West Side Story“) und Danai Gurira („Black

Okoyes Uniform im Museum sendet eine unglaublic­h starke Message. Danai Gurira „Black Panther“-darsteller­in

Panther“). Alle vier sind auch in den Ausstellun­gen präsent. Gezeigt wird zum Beispiel das Kleid, dass Moreno trug, als sie 1962 als erste Darsteller­in hispanisch­er Abstammung einen Oscar gewann. Auch das „Black Panther“-kostüm von Gurira ist ein Exponat. „Die Geschichte Hollywoods sieht anders aus als die Besetzung von Black Panther“, sagt Gurira. Die Verewigung des Kultfilms im Museum gebe ihr Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Filmindust­rie: „Okoyes Uniform im Museum sendet eine unglaublic­h starke Message.“

Filme erschaffen Welten – und nehmen seit dem Ende des 19. Jahrhunder­ts Einfluss darauf, wie wir die Welt wahrnehmen. Das Museum zeigt die Geschichte und erklärt das Handwerk des Filmemache­ns: Von der Animation über die Requisite bis hin zu den Spezialeff­ekten. „Zwar gibt es viel zu feiern und auszuzeich­nen, aber die Ausstellun­g thematisie­rt auch weniger stolze Momente in der Geschichte der Akademie und der Filmindust­rie“, sagt Laura Dern. Daher werde die Überrepräs­entation von weißen Männern, die Ungleichbe­handlung von Frauen und Minderheit­en kritisch aufgearbei­tet.

Die Rassentren­nung in den USA durchdrang im 20. Jahrhunder­t alle Bereiche der Filmindust­rie: Bei der Präsentati­on der Galerie „Identity“zu Kostümen und Make-up rückt etwa kurz das Bild einer Kosmetikdo­se mit der Aufschrift „Negro“ins Bild. Hattie Mcdaniel gewann zwar schon 1940 als erste Person mit afroamerik­anischer Herkunft einen Oscar, musste aber bei der Verleihung von den anderen Schauspiel­ern abgesonder­t sitzen. Es dauerte ein halbes Jahrhunder­t, bis mit Whoopi Goldberg erneut eine schwarze Frau die Auszeichnu­ng erhielt. Eine Wechselaus­stellung zum Thema „Black Cinema“will die Beiträge von schwarzen Künstlern seit den Anfängen der Filmindust­rie aufzeigen.

Kann heute wirklich jeder Filmschaff­ende – ungeachtet seiner Hautfarbe – einen Oscar gewinnen? Die kommenden Verleihung­en werden es zeigen. Sollten die Ausstellun­gen halten, was die virtuelle Presseführ­ung verspricht, könnte das Academy Museum durchaus zu einem gesellscha­ftlichen und künstleris­chen Wandel beitragen.

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Auch das letzte erhaltene Hai-modell aus dem Spielbergf­ilm „Der weiße Hai“(USA 1975) wird im Oscar-museum ab September zu sehen sein.
Das Ausstellun­gshaus wurde von dem italienisc­hen Architekte­n Renzo Piano entworfen. Auch das letzte erhaltene Hai-modell aus dem Spielbergf­ilm „Der weiße Hai“(USA 1975) wird im Oscar-museum ab September zu sehen sein.
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Von „Alien“bis „Star Wars“: Das Academy Museum of Motion Pictures zeigt Requisiten bekannter Kinohits.

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