Jogi Löw findet: Es ist Zeit für eine Erneuerung
Der DFB will sich bei der Suche nach einem neuen Bundestrainer Zeit nehmen. Derweil bringt sich Ralf Rangnick selbst ins Spiel.
So aufgeräumt, ja geradezu entspannt, hat man Bundestrainer Jogi Löw lange nicht mehr gesehen. Mit sich und der Welt offenbar im Reinen nahm der 61-Jährige am Donnerstag auf dem Podium der Pressekonferenz in der Zentrale des Deutschen Fußball-bunds in Frankfurt Platz. Dort gab er bereitwillig Auskunft über die Gründe, sein Amt nach der Fußball-europameisterschaft im kommenden Sommer abzugeben.
Rückzug „Es ist der richtige Zeitpunkt, den Stab an einen anderen weiterzugeben“, sagte Löw und lächelte. Gedanken über einen Rückzug nach der EM 2021 habe er sich schon vor Monaten gemacht. Die Entscheidung sei dann vor zwei, drei Wochen gefallen. Nach reiflicher Überlegung. Unabhängig von der 0:6-Pleite im Nations-league-spiel in Spanien im November, infolgedessen Löw mächtig in die Kritik geriet. Und ungeachtet gesunkener Sympathiewerte für ihn selbst und seine Arbeit, wie Löw betonte.
Fernziel EM 2024 Der Bundestrainer weiß: Seine Entscheidung stellt eine Zäsur für die Nationalmannschaft dar. Seit 15 Jahren ist der Badener nun Chefcoach der Dfb-auswahl. „Im Fußballgeschäft ist das ja fast eine Ewigkeit“, sagte Löw. Nun sei eine „Zeit der Erneuerung, eine Zeit der Veränderung und der Bewegung“gekommen. Mit einem neuen Trainer. Der Umbruch des Dfb-teams gehe weiter. Dieser Prozess solle „auf keinen Fall daran scheitern, dass der Trainer auf seinem Stuhl klebt“. Bemerkenswert: Löw verwies vor allem auf das Fernziel EM 2024, das Turnier in Deutschland. Ein neuer Trainer könne bis dahin ein schlagkräftiges Team bauen – um die heutigen Nationalspieler Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry oder Leroy Sané herum. „Das ist ein Turnier im eigenen Land, das muss zu einer Explosion führen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass diese junge Generation ihren Leistungszenit 2024 erreicht und erleben wird.“Sein Nachfolger könne bis dahin neue Impulse geben, neue Reize setzen, neue Energie freisetzen.
Löw-nachfolge Der DFB sieht bei der Suche nach einem neuen Bundestrainer keine Eile. „Wir haben nun alle Zeit der Welt“, befand Präsident Fritz Keller. Löw habe genau den richtigen Zeitpunkt gewählt, um abzutreten, den DFB nicht im Regen stehen lassen. „Ich bin tief dankbar, weil Jogi uns die Zeit gegeben hat, in aller Ruhe und Sorgfalt die Nachfolge vorzubereiten.“Dfb-direktor Oliver Bierhoff hat laut Keller bereits den Auftrag erhalten, die Lage zu sondieren. Löw hatte seinen engen Vertrauten Bierhoff eigenen Angaben zufolge als ersten über seinen Rückzug im Sommer informiert. Anschließend einige seine Führungsspieler wie Kapitän Manuel Neuer, Toni Kroos oder Ilkay Gündoğan in Kenntnis gesetzt, bevor die Entscheidung am vergangenen Montag über sämtliche Ticker lief.
Ralf Rangnick Dfb-direktor Bierhoff kündigte an, keine „Zwischenstandmeldungen“zur Nachfolgersuche abgeben zu wollen. Also gab es keine Ausführungen zu Jürgen Klopp vom FC Liverpool, der allerdings schon sagte, nicht zur Verfügung zu stehen. Und kein Wort zu Bayern-trainer und Ex-löw-assistent Hansi Flick, U21-nationaltrainer Stefan Kuntz, Ehrenspielführer Lothar Matthäus oder Löws derzeitigen Assistent Marcus Sorg. Nicht kommentieren wollten Bierhoff auch die Personalie Ralf Rangnick. Der gebürtige Backnanger, zuletzt in diversen Rollen in Diensten bei RB Leipzig, hatte sich bereits am Mittwochabend via Sky selbst ins Spiel gebracht. „Es ist eine Stelle, die keinen Trainer in Deutschland kalt lässt“, sagte Rangnick. Und auch das: „Im Moment bin ich frei.“
Ausgeschlossen ist offenbar, dass der DFB erstmals in seiner Geschichte einen ausländischen Coach als Bundestrainer engagiert. „Ich sehe die Chancen als gering, was ich auf dem Markt sehe“, sagte Bierhoff.
Es ist der richtige Zeitpunkt, den Stab an einen anderen weiterzugeben. Joachim Löw Bundestrainer
Blickpunkt EM 2021 Löw wollte ebenfalls nicht über einen möglichen Nachfolger spekulieren. „Das ist nicht meine Aufgabe.“Die volle Konzentration gilt der EM im Sommer, bei der das deutsche Team in der Gruppenphase auf Weltmeister Frankreich, Europameister Portugal und Ungarn trifft. „Turniere habe ich immer über alles geliebt“, sagte Löw. Ob er die ausgebooteten 2014er-weltmeister Thomas Müller und Mats Hummels zurückholt, ließ der Bundestrainer ein weiteres Mal offen. Darüber werde er im Mai entscheiden. „Ab heute gilt meine völlige Konzentration der EM“, sagte Löw. „Dafür werde ich alles mobilisieren, alle Kräfte freisetzen und alle Energie bündeln.“