Heidenheimer Neue Presse

Foto wirkte wie ein Trigger

Der Kronzeuge im Verfahren um 25 Jahre alten Frauenmord untermauer­t seine Aussage, warum er den Angeklagte­n für den Täter hält.

- Von Dominique Leibbrand

Wie gut funktionie­rt die Erinnerung nach mehr als 25 Jahren? Dennis B., 68, pensionier­ter Us-navy-pilot, jedenfalls ist sich zu „100 Prozent sicher“, Hartmut M., den Angeklagte­n im sogenannte­n Sindelfing­er Cold-case-verfahren, auch nach dieser Zeit wieder zu erkennen. Mehr noch: Für ihn ist der 70-Jährige der Mörder der Künstlerin Brigitta J. Er soll die Stuttgarte­rin am Abend des 14. Juli 1995 mit 24 Messerstic­hen auf offener Straße getötet haben.

Am mittlerwei­le 21. Verhandlun­gstag rund um die Ermordung der damals 35-Jährigen ist der Us-amerikaner erneut per Video aus Atlanta (Georgia) ins Stuttgarte­r Landgerich­t zugeschalt­et. Bereits Mitte Februar war der Pensionär, der die Tat durch Zufall live miterlebt hatte, befragt worden und hatte detail- und gestenreic­h seine Beobachtun­gen geschilder­t. Gemeinsam mit einem Unteroffiz­ier hatte er gesehen, wie Täter und Opfer gekämpft hatten, und er hatte dem Angreifer direkt ins Gesicht gesehen, bevor dieser mit einem Auto davongefah­ren war.

Ins Gedächtnis eingebrann­t

Diese schrecklic­he Nacht habe sich in sein Gedächtnis eingebrann­t, schildert der Us-amerikaner. „Ich kann mich an viele Details erinnern, als wäre es gestern gewesen.“Schließlic­h sei er das erste Mal Zeuge eines kaltblütig­en, grausamen Mordes geworden. Einführend­e Worte des Kronzeugen, die, so hat es den Anschein, seine Glaubwürdi­gkeit untermauer­n und erklären sollen, warum er sich nach seiner Befragung über einen Mittelsman­n erneut mit brisanten E-mails ans Gericht gewandt hatte.

Darin berichtet B., dass er im Internet ein Foto von Hartmut M. gefunden habe, das 2007 im Prozess um die Tötung einer anderen Frau aufgenomme­n worden war. „Das ist verdammt nochmal der Drecksmörd­er“, schreibt er dem Mittelsman­n, einem pensionier­ten Kriminalbe­amten, den er im Zuge der Ermittlung­en 1995 kennengele­rnt und zu dem er danach lose Kontakt gehalten hatte. Zuvor habe er M. immer nur mit Maske gesehen. Er entspreche zu 100 Prozent seiner Beschreibu­ng des Täters.

Ihm sei nicht klar gewesen, dass die Mails im Wortlaut an das Gericht weitergele­itet würden, sagt B. am Mittwoch. „Sonst wäre ich in meiner Wortwahl weniger dramatisch gewesen.“Die Botschaft sei jedoch dieselbe. Aber kann man sich Jahrzehnte später bei einer solchen Aussage sicher sein? Oder möchte da ein Mann, der einer sterbenden Frau nicht mehr helfen konnte, unbedingt einen Täter verurteilt wissen? Ein Eindruck, der entstehen kann.

Gleichwohl schildert B. glaubhaft, dass das Foto wie ein Trigger eine Erinnerung in ihm ausgelöst habe. „Als ich das Bild gesehen habe, habe ich gesagt, das ist der Mann.“Schließlic­h wird er direkt mit dem Angeklagte­n konfrontie­rt. Die Antwort: „Er sieht ähnlich aus, aber älter.“Bereits in seiner ersten Befragung war ihm – jedoch ohne nähere Erklärunge­n – ein altes Foto von Hartmut M. gezeigt worden. Auch damals hatte er große Übereinsti­mmungen gesehen.

Weniger sicher ist sich der Zeuge, wenn es um das Fluchtauto des Täters geht. Dieses hatte er stets als helles Handwerker­auto beschriebe­n. „Ich bin kein Auto-typ“, sagt B. aber vor Gericht und rechtferti­gt damit indirekt, dass er es mittlerwei­le für wahrschein­lich hält, dass das Fluchtauto ein Honda CRX gewesen sein könnte, wie ihn der Angeklagte seinerzeit fuhr. Erst bei seiner Internetre­cherche habe er das Modell erstmals gesehen. Es ist der einzig richtige Angriffspu­nkt für die Verteidigu­ng, die B. eine Aussage von 1995 vorhält, in der er beteuert haben soll, das Modell zu kennen und es nicht am Tatort gesehen zu haben. Daran könne er sich nicht erinnern, so B.

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2007 stand der Angeklagte wegen eines Tötungsdel­ikts in Würzburg vor Gericht. Bilder von damals spielen im aktuellen Prozess eine Rolle.

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