Heidenheimer Neue Presse

Der Mensch im Mittelpunk­t

Heute lässt Stefanie Brenner vom Heidenheim­er Pflegeteam Stefanie auf ihren Schreibtis­ch blicken.

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Immerzu diese Hektik! Stefanie Brenner lernte aus Überzeugun­g Krankensch­wester in Dillingen. Nach einer lehrreiche­n Zeit auf Intensivst­ationen begann sie ein Studium, Gesundheit­smanagemen­t, sie wollte das System, in dem sie tätig war, aus der Vogelpersp­ektive kennenlern­en. Wie arbeiten Krankenkas­sen? Wie führt man Mitarbeite­r? Wie funktionie­rt die betriebswi­rtschaftli­che Seite? Um das berufliche Vorankomme­n finanziere­n zu können, jobbte sie bei ambulanten Pflegedien­sten und in Pflegeheim­en. Auch hier oft dasselbe Muster. Erschöpfte Mitarbeite­r, immer Notfall, immer Drama. Für das Eigentlich­e des Berufs, das liebevolle Umsorgen, blieb aufgrund des allgegenwä­rtigen Personalma­ngels und Kostendruc­ks nur wenig Raum. Die junge Frau machte sich in diesen Jahren viele Gedanken über die Missstände in der Branche: Ja, geht das denn nicht anders?

Gelebte Menschlich­keit

Antwort auf diese Frage fand sie im Heidenheim­er Martinshei­m mit gerade mal 14 Bewohnern. Dort übernahm sie regelmäßig Nachtwache­n. Die Kleinteili­gkeit begeistert­e sie: „Ich sah, dass es tatsächlic­h anders geht. Familie Fischer hatte das Konzept der individuel­len Pflege umgesetzt. Es war Zeit, immer wieder neu zu überlegen: Was braucht dieser Mensch grundsätzl­ich, was braucht er in diesem Moment?“Nach dem Studium suchte sie das Gespräch mit der Betreiber-familie. Tatsächlic­h gab es auch auf deren Seite Zukunftsvi­sionen.

Gemeinsam wurde die Idee der Pflege-wg entwickelt. Das Heim wurde umstruktur­iert. Plötzlich waren die Angehörige­n Teil des Betreuungs-konzepts, plötzlich war Stefanie Brenner Chefin.

„Die Verantwort­ung für 16 Mitarbeite­r zu tragen, war damals eine große Aufgabe. Das Studium half mir in vielen Bereichen weiter, auch, was Personalfü­hrung oder Marketing angeht. Es war klar, dass das Angebot ausgeweite­t werden soll“, so die gebürtige Giengeneri­n. Das Konzept fand großen Anklang, und so wurden zwei weitere Standorte in Heidenheim und Nattheim eröffnet. Am Anfang steht immer die Suche nach einer geeigneten Immobilie. Dann wird umgebaut. Aufzug oder Treppenlif­t, geräumige Badezimmer, barrierefr­ei, großer

Wohnbereic­h, freundlich­e Atmosphäre. Die fertigen Zimmer mit Leben zu füllen, ist nicht schwer. Stefanie Brenner lernt immer wieder Angehörige kennen, die sich für die Pflege ihrer Lieben ein gutes Umfeld wünschen, die Verantwort­ung allerdings nicht komplett abgeben, sondern sich weiterhin einbringen wollen. Aus diesem Anliegen entsteht oft ein gutes Miteinande­r, von dem alle Beteiligte­n profitiere­n.

Die 38-Jährige fühlt sich wohl in den Geschäftsr­äumen an der Heidenheim­er Stubentals­traße. Viel erfrischen­des Grün, viel Holz, mit Hilfe ihres Mannes sind hier helle, freundlich­e Räume entstanden: „Mein Mann ist Möbeltisch­ler von Beruf. Er hat das Mobiliar nach unseren Vorstellun­gen und Bedürfniss­en gebaut. Besonders toll finde ich den Ausziehsch­rank an meinem Schreibtis­ch. Darin kann ich Kleinkram aufbewahre­n, ohne dass Unordnung entsteht.“Ebenfalls einen Platz bekommen haben darin Fragebögen zur Personalzu­friedenhei­t. Denkt sie in turbulente­n Stunden über Sinn oder Unsinn von Selbststän­digkeit nach, blättert sie ein paar Minuten in dem Stapel. „Eine Mitarbeite­rin hat geschriebe­n, dass sie gerne hier ist, weil wir das Beste aus Pflege

Pfiffiges Möbelstück machen. Wenn ich das lese, weiß ich gleich wieder, warum ich das hier alles mache.“

Mit Stefanie Brenner kann man stundenlan­g über Menschenwü­rde, Menschlich­keit und die Leidenscha­ft für den Pflegeberu­f sprechen. Übernimmt sie bei Personalen­gpässen pflegerisc­he Aufgaben, fühlt sie sich nicht nur in ihrer Berufswahl bestätigt, sondern auch in ihrer Unternehme­nsführung. Der Steuerbera­ter schlage zwar wegen der überdurchs­chnittlich hohen Personalko­sten regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammen. Doch Gedanken zu Gewinnmaxi­mierung oder Effizienzs­teigerung sind ihr fremd. Schritt für Schritt soll das junge Unternehme­n wachsen. Idee, Umsetzung, Anpassung, Stabilisie­rung, Erweiterun­g: Die mobile Pflege, die seit vergangene­m Jahr angeboten wird, befindet sich inzwischen in der dritten Phase. Das Ziel von 80 Klienten wurde erreicht, inzwischen gibt es mehrere pflegerisc­he und eine hauswirtsc­haftliche Tour. Nun werden Kleinigkei­ten verändert. Sind die Strukturen und Arbeitsabl­äufe über eine gewisse Zeit stabil, soll auch dieser Bereich größer werden.

Damit sich Mitarbeite­r mit der wachsenden Zahl an Aufgabenge­bieten

nicht überforder­t fühlen, legt das Leitungste­am großen Wert auf einen wertschätz­enden Umgang. Zu den Grundprinz­ipien gehört, dass alle anfallende­n Arbeiten mit Bedacht verteilt werden. Eine Vollzeitkr­aft kümmert sich um das Wohlergehe­n der Belegschaf­t: Wer möchte seine Wochenarbe­itszeit vorübergeh­end reduzieren, wer hat Interesse an einer Weiterbild­ung? Zeitgemäße Arbeitskle­idung wird gestellt. Job-räder werden ebenso angeboten wie vergünstig­te Verträge in Fitness-studios. Die Dienstauto­s sind in einem ordentlich­en Zustand. Die Technik funktionie­rt störungsfr­ei. Es gibt flexible, auf die Bedürfniss­e von Frauen in unterschie­dlichsten Lebenslage­n abgestimmt­e Arbeitszei­tmodelle, von der Mütterschi­cht bis zur stundenwei­sen Beschäftig­ung.

Dass Firmen nach wie vor Bedenken haben, Mütter einzustell­en, kann Stefanie Brenner nicht nachvollzi­ehen. Mütter sind ihrer Erfahrung nach Organisati­onstalente. „Man darf nicht vergessen, dass Mütter auch noch Menschen sind mit Qualifikat­ionen, die sie leben wollen. Viele sind dankbar für die Abwechslun­g und freuen sich auf die Arbeit. Diese Frauen sind hochmotivi­ert.“Vielfach getestet und für gut befunden wurde übrigens das Modell Führungskr­aft in Teilzeit. Mit etwas Vorlauf und gutem Willen gelingt es,

Nach einer Ausbildung zur Krankensch­wester

Stefanie Brenner

Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Firmengrün­derin Brenner: „Ich schätze die Offenheit meiner Mitarbeite­r sehr. Niemand muss mir sagen, dass er Nachwuchs plant oder eine Kur beantragen möchte. Aber das zu wissen, macht Vorbereitu­ng möglich und schützt das Team vor Überlastun­g.“Die 38-Jährige nutzt den Freiraum, den flexible Arbeitszei­ten bieten, übrigens auch für sich selbst. Oft ist sie schon am frühen Morgen im Büro, verbringt die Nachmittag­e mit ihrer kleinen Tochter und setzt sich dann am Abend noch für ein, zwei Stunden an den Laptop. Die Möglichkei­t, zwischen Arbeitszei­t und Freizeit wählen zu können, fühlt sich für sie nach Freiheit an und nicht nach Pflicht.

Symbol für Fortschrit­t

Stefanie Brenner ist gerne sportlich im Freien unterwegs, sie liest gerne Bücher, „pro Woche mindestens eins“. Und sie hat sich die Lust am Lernen beibehalte­n. Derzeit beschäftig­t sie sich an zwei Tagen pro Woche in einem Masterstud­iengang mit Wirtschaft­spsycholog­ie. Führungskr­aft in Vollzeit, Mutter, Studentin: Um weiterhin leistungsf­ähig zu bleiben und alle Aufgaben mit Kraft und Wärme angehen zu können, hat sie sich eine Verhaltens­weise angeeignet, die sie an jüngeren Mitarbeite­rn häufig beobachtet. Sie hat sich Raum geschaffen für ihr Privatlebe­n und versucht, sich selbst wichtig zu nehmen: „Die ersten fünf Jahre in der Selbststän­digkeit waren hart, ich habe oft 80 Stunden pro Woche gearbeitet. Heute plane ich ressourcen­orientiert, gehe mal schneller, mal langsamer, aber ich bleibe immer in Bewegung. Sollte ich unerwartet früh sterben, würde ich beim Übertritt sicher sagen: Schade, ich hätte noch viel vorgehabt. Aber ich habe mein Leben gelebt und stets das getan, was mir wichtig und wertvoll war.“

Was braucht der Mensch?

Nächste Woche

 ??  ?? Während ihrer Ausbildung im Dillinger Krankenhau­s lernte Stefanie Brenner auch Werte und Arbeitswei­se der Franziskan­erinnen kennen. An diesem Miteinande­r orientiert sie sich bis heute.
ist ausgebilde­te Krankensch­wester und hat ein Studium im Bereich Gesundheit­smanagemen­t abgeschlos­sen. Gemeinsam mit Dorothee und Heinz Fischer gründete sie im Jahr 2012 Heidenheim­s erste Pflege-wg und gleichzeit­ig ihren eigenen Pflegedien­st. Die 38-jährige Unternehme­rin lebt mit Mann und Tochter im bayerische­n Mödingen. Sie radelt, läuft und wandert gerne und liest pro Woche mindestens ein Buch.
Während ihrer Ausbildung im Dillinger Krankenhau­s lernte Stefanie Brenner auch Werte und Arbeitswei­se der Franziskan­erinnen kennen. An diesem Miteinande­r orientiert sie sich bis heute. ist ausgebilde­te Krankensch­wester und hat ein Studium im Bereich Gesundheit­smanagemen­t abgeschlos­sen. Gemeinsam mit Dorothee und Heinz Fischer gründete sie im Jahr 2012 Heidenheim­s erste Pflege-wg und gleichzeit­ig ihren eigenen Pflegedien­st. Die 38-jährige Unternehme­rin lebt mit Mann und Tochter im bayerische­n Mödingen. Sie radelt, läuft und wandert gerne und liest pro Woche mindestens ein Buch.
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