Heidenheimer Neue Presse

Grün-schwarz: Südwesten soll als Klimaland Vorbild werden

Bereits Am Donnerstag beginnen die Koalitions­verhandlun­gen. Es steht fest, dass auf die Bürger viele Veränderun­gen zukommen.

- Von Roland Muschel

Grüne und CDU in Baden-württember­g haben sich am Wochenende auf die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen verständig­t. Beide Seiten wollen den Südwesten gemäß der bereits in den Sondierung­en erzielten Vereinbaru­ngen als „Klimaschut­zland zum internatio­nalen Maßstab“machen. Konkret will die nächste grün-schwarze Regierung, die am 12. Mai vereidigt werden soll, etwa die Photovolta­ikpflicht auf neue Wohngebäud­e ausdehnen und bis 2026 „bis zu 1000 neue

Windkrafta­nlagen“schaffen. Dazu sollen insbesonde­re der Staatswald und Landesfläc­hen genutzt werden. Gegen beide Punkte hatte sich die CDU in der zu Ende gehenden Legislatur­periode noch gestemmt.

„Ein ‚Weiter so’ gibt es nicht“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, der einen „klaren Führungsan­spruch“seiner grünen Partei ankündigte. Cdu-landeschef Thomas Strobl sagte, die Grünen hätten mit ihren Klimaschut­zplänen bei seiner Partei „offene Türen eingerannt“.

In der Bildungspo­litik haben beide Seiten bereits vereinbart, dass es „keine grundlegen­den Strukturde­batten“geben soll. Die derzeitige Ausgestalt­ung der Grundschul­empfehlung soll beibehalte­n werden; sie wird damit nicht verpflicht­end. Bei den Gymnasien soll der achtjährig­e Weg zum Abitur (G8) die Regelform bleiben. An den Gemeinscha­ftsschulen sollen weitere Oberstufen eingericht­et werden können. Um durch die Pandemie bedingten Lernrückst­ände aufzuholen, ist ein spezielles Programm geplant. Eines der ersten Vorhaben einer neuen Regierung wird eine Wahlrechts­reform sein, die den Frauenante­il im Landtag erhöhen soll. Das aktive Wahlrecht bei Landtagswa­hlen soll auf 16 sinken. Angekündig­t sind ein Antidiskri­minierungs­gesetz sowie ein Aktionspla­n gegen Rassismus und Diskrimini­erung. Für geschlosse­ne Einheiten der Polizei ist ein anonymisie­rte Kennzeichn­ungspflich­t vorgesehen. Personell soll die Polizei gestärkt werden.

Während die Zahl der schwer an Covid-19 Erkrankten steigt, sucht die Politik nach einem einheitlic­heren Vorgehen gegen Corona und diskutiert über Erleichter­ungen für vollständi­g Immunisier­te.

Intensivst­ationen Steigende Infektions­zahlen führen zu steigenden Patientenz­ahlen auf den Intensivst­ationen – schwere Covid-19-fälle müssen ungefähr zwei Wochen nach der Ansteckung in den Kliniken behandelt werde. Laut dem Register der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin liegen derzeit insgesamt 4144 Covid-19-patienten auf Intensivst­ationen, davon müssen 2309 künstlich beatmet werden. Vor einer Woche hatte der Wert noch bei 3573 (1961 beatmet) gelegen. Vor einem Monat hatten die Zahlen lediglich 2765 (1582) gelautet. Die Belegung hatte auf dem Höhepunkt der ersten Welle im Frühjahr 2020 bei 2900 gelegen – der Spitzenwer­t bisher war mit fast 6000 Anfang 2021 erreicht worden. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) nannte die Entwicklun­g am Montag „besorgnise­rregend“. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident und CDU-CHEF Armin Laschet sprach sich für einen harten „Brücken-lockdown“im April aus. Er warb dafür, die Ministerpr­äsidentenk­onferenz vom 12. April auf diese Woche vorzuziehe­n.

Mehr Rechte für den Bund Unterdesse­n unterstütz­t eine Mehrheit der Deutschen mehr Kompetenze­n für die Bundesregi­erung. In einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov für die dpa sprachen sich 53 Prozent der Befragten dafür aus, dem Bund mehr Möglichkei­ten zu geben, Maßnahmen auch ohne Zustimmung der Länder zu beschließe­n. 36 Prozent meinten dagegen, Bund und Länder sollten die wesentlich­en Entscheidu­ngen weiterhin gemeinsam treffen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte mehrere Bundesländ­er wegen ihres Krisenmana­gements kritisiert und will notfalls per Gesetz Beschlüsse bundesweit durchzuset­zen. Auch die Csu-politiker Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hatten für einheitlic­he Regeln per Bundesgese­tz plädiert. Jens Spahn dagegen sagt, ihm sei egal, wie man zu einem bundeseinh­eitlichen Vorgehen komme – wenn man nur dazu komme.

Freiheiten für Geimpfte Unterdesse­n läuft eine Debatte über mehr Freiheiten für komplett Geimpfte. Jens Spahn will vollständi­g Immunisier­te so behandeln wie negativ Getestete – beim Reisen oder beim Einkaufen. Abstandsre­geln, Hygiene oder Masken seien trotzdem notwendig. „Denn sowohl der tagesaktue­lle Test als auch die vollständi­ge Impfung reduzieren das Infektions­risiko zwar deutlich, aber sie geben keine hundertpro­zentige Sicherheit davor, andere zu infizieren.“

Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach unterstütz­te zwar Spahns Vorstoß, plädierte allerdings dafür, sich zunächst auf die Erstimpfun­gen zu konzentrie­ren, indem man auch bei Biontech und Moderna die Zweitimpfu­ngen statt nach sechs erst nach zwölf Wochen verabreich­en solle. Das könne 10 000 Leben retten.

Während für Afd-fraktionsc­hefin Alice Weidel die Debatte eine Stigmatisi­erung derer ist, die noch nicht geimpft seien oder sich nicht impfen lassen wollten, ist für Linken-fraktionsc­hef Dietmar Bartsch klar, dass bei nachgewies­ener Unbedenkli­chkeit vollständi­g Geimpfte „alle Rechte wieder in Anspruch nehmen können“. Auch der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Fdp-fraktion, Marco Buschmann, findet: „Wenn feststeht, dass von einem Menschen weder für sich noch für andere eine Gefahr ausgeht, dann hat der Staat kein Recht, seine Freiheit einzuschrä­nken.“

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Foto: Michael Kappeler/dpa Jens Spahn (CDU) würde Geimpften gerne mehr Freiheiten einräumen.

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