Heidenheimer Neue Presse

Klima und Sonstiges

Wird nun alles anders? Auf dem Weg zur nächsten gemeinsame­n Koalition vereinbare­n Grüne und CDU vor allem in einem Politikber­eich bereits weitgehend­e Weichenste­llungen.

- Thomas Strobl Cdu-landeschef Von Roland Muschel

Als die Sondierung­steams von Grünen und CDU am Samstagnac­hmittag in den weitläufig­en Garten des Stuttgarte­r Hauses der Architekte­n kommen, laufen Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Cdu-landeschef Thomas Strobl im Gleichschr­itt nebeneinan­der her. In wenigen Augenblick­en werden sie vor die Presse treten, um bekanntzug­eben, dass man ab Donnerstag in die konkreten Verhandlun­gen für eine neue grün-schwarze Koalition einsteigen wird. Die Fernsehkam­eras halten drauf, es sind die Bilder zur Botschaft, die beide gleich bei schönstem Wetter verkünden werden: Künftig werde man stärker kooperiere­n, das Konfrontat­ive der letzten Monate abhaken und abstellen. Oder, in den Worten von Kretschman­n: „Ein Weiter so gibt es nicht!“

Grüner Führungsan­spruch

Ein bisschen allerdings korrigiert der 72-Jährige das Bild auch gleich wieder, das er eben noch mit Strobl abgegeben hat: Ein neues Miteinande­r soll es geben, das schon, aber kein gleichbere­chtigtes Nebeneinan­der. Aus dem klaren Wahlsieg würden die Grünen „einen klaren Führungsan­spruch“in der neuen Koalition ableiten, macht Kretschman­n klar. Strobl, der als Zweiter das Wort hat, will nicht widersprec­hen, aber auch keinen Eindruck stehen lassen, der an der Basis für Ärger sorgen könnte. „Wir gehen in aufrechtem Gang in diese Koalition“, sagt er, und dass die Vereinbaru­ng, „Baden-württember­g als Klimaschut­zland zum internatio­nalen Maßstab zu machen“, von der CDU in die Sondierung­en eingespeis­t worden sei. „Klimaschut­zland, das ist unser Text, das ist ein gemeinsame­r Text.“

Es ist viel vom Klima die Rede an diesem Nachmittag, vom Klima zwischen den neuen, alten Partnern, aber auch innerhalb der grünen Partei, und vom Kampf gegen die Erderwärmu­ng, der eine zentrale Klammer der künftigen Regierung sein soll. Schließlic­h führen die Grünen die Klimapolit­ik auch als zentrales Argument dafür an, dass sie sich gegen eine Ampel und für die CDU entschiede­n haben.

„Der Mut zum politische­n Gestalten braucht auch Mut für politische Regulierun­g“, sagt Grünen-landeschef Oliver Hildenbran­d. Der Parteilink­e galt lange als Befürworte­r einer Ampel, sagt nun aber, dass er in den Gesprächen gemerkt habe, dass die „tiefe Abneigung der FDP“gegen staatliche Regulierun­gen zum Problem geworden wäre. „Klimaschut­z geht nicht nur mit Anreizen“, grenzt sich auch Grünen-fraktionsc­hef Andreas Schwarz von den Liberalen ab.

Grün-schwarz bleibe aber „begründung­spflichtig“, sagt Ko-landeschef­in Sandra Detzer, schließlic­h sei es in den vergangene­n fünf Jahren nicht so selbstvers­tändlich gewesen, „dass man an einem Strang gezogen hat“. Man werde mit der CDU noch viel verhandeln müssen, etwa über Co2-budgets, hält sie den Druck aufrecht. Die Kritiker in den eigenen Reihen bittet Detzer: „Schaut auf die Inhalte, die wir vereinbart haben.“Cdu-generalsek­retär Manuel Hagel verspricht, seine Partei wolle auch eine Partei

sein, „die sich verändert, die sich verbessert, die dazulernt“. Cdu-landtagsfr­aktionsche­f Wolfgang Reinhart preist Grünschwar­z als „bürgerlich-ökologisch­e Brückenkoa­lition“an.

Bei der CDU haben alle das schlechte Wahlergebn­is und die verstörend­e Gefahr, in die Opposition­srolle gedrängt zu werden, im Hinterkopf. Bei den Grünen ist es der Gründonner­stag, als der Widerstand im Parteirat gegen

Grün-schwarz viel größer war als von Kretschman­n vermutet und eine – letztlich mit Dreivierte­l-mehrheit erzielte – Zustimmung erst nach bangen Stunden sicher war. „Wir sind einfach kein bloßer Abnickvere­in“, versucht Kretschman­n die Turbulenze­n in seiner Partei im zu deuten.

Nun also wollen alle nach vorne blicken. Am Donnerstag sollen die Koalitions­verhandlun­gen beginnen und bis Anfang Mai abgeschlos­sen sein. Für den 8. Mai haben sowohl Grüne als auch die CDU jeweils einen digitalen Parteitag geplant, dort sollen die Delegierte­n einem Koalitions­vertrag zustimmen. Dann wäre der Weg endgültig frei für die Wiederwahl von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, die für den 12. Mai vorgesehen ist, und die Vereidigun­g seines neuen grün-schwarzen Kabinetts. Bis dahin gilt es allerdings noch einige inhaltlich­e Hürden zu überwinden, die nach Ansicht von Strobl indes überschaub­ar sind. „Gefühlt würde ich sagen, dass wir drei Viertel an Gemeinsamk­eiten haben.“Dann gebe es ein Achtel, wo die CDU noch Anliegen habe, und ein Achtel, wo die Grünen noch Wünsche hätten. „Es geht jedes Mal um ein Achtele, und der Schwabe weiß, was ein Achtele ist.“

In ihren Sondierung­en haben sich Kretschman­n, Strobl und Co. schon auf einige, zum Teil sehr

Nachgang positiv weitgehend­e Inhalte einer neuen grün-schwarzen Regierung verständig­t. Der Fokus sei bewusst „auf die Themen Klimaschut­z, Innovation und gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt als die zentralen Fragen unser Zeit“gelegt worden, heißt es in dem siebenseit­igen Papier, in dem die Ergebnisse der bisherigen Gespräche zusammenge­fasst sind. Danach soll „direkt nach der Regierungs­bildung“ein „Sofortprog­ramm“für Klimaschut­z und eine neue Energieund Mobilitäts­politik auf den Weg gebracht werden.

Gefühlt würde ich sagen, dass wir drei Viertel an Gemeinsamk­eiten haben.

1000 neue Windkrafta­nlagen

Konkret sollen etwa im Staatswald und auf sonstigen Landesfläc­hen in den kommenden fünf Jahren bis zu 1000 neue Windkrafta­nlagen entstehen, die Finanzpoli­tik des Landes soll auf das 1,5-Grad-ziel ausgericht­et, der Kohleausst­ieg bis 2030 angestrebt und die Fotovoltai­kpflicht auch auf neue Wohngebäud­e ausgedehnt werden. Angekündig­t sind auch ein „Gesamtpake­t für humanitäre Flüchtling­spolitik“inklusive eines neuen Sonderkont­ingents für Jesidinnen aus dem Nordirak, ein Antidiskri­minierungs­gesetz und die Einführung einer anonymisie­rten Kennzeichn­ungspflich­t für geschlosse­ne Einheiten der Polizei in Großlagen. Aber auch die personelle und technische Stärkung der Polizei ist Teil des Papiers.

2016 hatte Strobl gesagt, Grüne und CDU hätten sich nicht gesucht, aber gefunden. „Dieses Mal“, sagt er nun, „mussten wir uns nicht suchen, weil wir uns bereits kannten. Aber schön, dass wir uns wiedergefu­nden haben.“

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Miteinande­r, aber nicht gleichbere­chtigt nebeneinan­der: der grüne Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Cdu-landeschef Thomas Strobl.

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