Heidenheimer Neue Presse

Enigma auf der Spur

Taucher fanden sie durch Zufall in der Ostsee: Chiffrierm­aschinen aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie werden nun restaurier­t und detaillier­t erforscht.

- Von André Klohn

Die Ostsee hat Spuren hinterlass­en. An der Seite kleben Muschelres­te, dicker Rost hat den Kasten überzogen. Mit seinen runden Tasten sieht der Klotz wie eine alte Schreibmas­chine aus. Vom Holz der legendären Chiffrierm­aschine aus dem Zweiten Weltkrieg ist kaum etwas übrig. Durch blanken Zufall haben Forschungs­taucher im November und Januar bei der Bergung von Geisternet­zen in der Ostsee und auf dem Grund der Schlei sieben Enigmen gefunden. Eine von ihnen liegt in einem Computerto­mographen (CT) der Lübecker Fraunhofer-einrichtun­g für Individual­isierte und Zellbasier­te Medizintec­hnik und gibt ihre innersten Geheimniss­e preis. Normalerwe­ise arbeitet die Fraunhofer Einrichtun­g für die Medizintec­hnik. Jetzt hat sie ein präzises Computerbi­ld der Verschlüss­elungs-maschine erstellt.

Bei der Enigma handelt es sich um eine für damalige Verhältnis­se komplexe Maschine – benannt nach dem griechisch­en Wort für Rätsel. Im Zweiten Weltkrieg diente sie mit ihren 26 Buchstaben-tasten und ebenso vielen Leuchtfeld­ern mit jenen Buchstaben,

die den Text bildeten, der Verschlüss­elung des Nachrichte­nverkehrs. Nach ersten Erfolgen von polnischen Experten trug der britische Mathematik­er Alan Turing maßgeblich dazu bei, den Enigma-code zu knacken. Dies hatte erhebliche­n Einfluss auf den U-boot-krieg im Atlantik. Fortan konnten die Briten verschlüss­elte Funk-codes mitlesen – unbemerkt vom Kriegsgegn­er.

Mindestens eine der Maschinen vom Ostseegrun­d soll in der Werkstatt des Museums für Archäologi­e auf Schloss Gottorf in Schleswig restaurier­t werden. „Die Enigma-geräte sind archäologi­sche Funde, die vom Archäologi­schen Landesamt Schleswig-holstein in Zusammenar­beit mit den Findern und Experten erfasst, untersucht, erforscht und publiziert werden“, sagt Landesamts-leiter Ulf Ickerodt.

Dafür liefern die Lübecker Experten wichtige Vorarbeit. Auf ihrem detaillier­ten Modell des Innenleben­s der Maschine sind auf den ersten Blick keine größeren Schäden auszumache­n. Die Enigma ist voller Schlick. Im Zusammensp­iel mit dem Salzwasser der Ostsee bot dieser nach Angaben der Archäologe­n ein günstiges Milieu zur Konservier­ung. Auch die anderen Geräte sollen digital archiviert werden. Das hochpräzis­e Modell soll dem Restaurato­r helfen, bei der Entfernung des Schlicks durch die Enigma zu navigieren.

Einfach über Bord geworfen

Der Marinehist­oriker Jann M. Witt vom Deutschen Marinebund geht davon aus, dass die Chiffrierm­aschinen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs auf dem Grund der Ostsee landeten. „Meine Vermutung ist, dass die Maschinen von einem Verband bei der Fahrt zur Übergabe bei Schleimünd­e schlicht und einfach über Bord geworfen worden sind.“

Auch der Leiter des Archäologi­schen Landesamts sieht einen Zusammenha­ng mit dem sogenannte­n Regenbogen-befehl. Dabei sei es der Wehrmacht zum Kriegsende darum gegangen, militärisc­he Anlagen und Waffen „möglichst so zu vernichten, dass sie dem Feind nicht in die Hand fallen“, sagt Ickerodt. Das habe ganze Schiffe betroffen. Die Wracks seien nach Kriegsende jedoch meist geborgen worden. Die Wissenscha­ftler beschäftig­t nun die Frage, von welchen Schiffen die Enigma-funde stammen.

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