Für ein paar Euro mehr
Viele Unternehmen ächzen unter der Last der Pandemie. Ihnen brechen durch den Lockdown dauerhaft Umsätze und Erträge weg. Viele Kosten laufen weiter: Mieten, Gehälter für Mitarbeiter, die nicht in Kurzarbeit geschickt werden können, und fällige Lieferanten-rechnungen. Manchem Betrieb droht das Geld auszugehen. Wer vor der Zahlungsunfähigkeit steht, ist ein Kandidat für eine Übernahme, schlimmstenfalls droht die Schließung des Betriebs. Umso wichtiger ist es, dass bereits in Schieflage geratene Unternehmen eine Möglichkeit bekommen, ihre wirtschaftliche Situation zu stabilisieren. Das zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungsund Restrukturierungsgesetz (STARUG) soll das erleichtern.
Auf den ersten Blick sieht das Gesetz aus wie ein gutes Instrument für Unternehmensverantwortliche: Es ermöglicht finanziell angeschlagen Betrieben eine Sanierung auch ohne Insolvenzverfahren. Beim genaueren Hinschauen entpuppt sich das Regelwerk allerdings vor allem als Hilfe für Großunternehmen.
Bei früheren Reformen des Insolvenzrechts rüttelte der Gesetzgeber nie daran, dass sich alle Gläubiger auf ein Sanierungskonzept verständigen mussten, sollte eine Pleite des Unternehmens verhindert werden. Spielte nur ein Kreditor nicht mit, blieb allein ein Insolvenzverfahren und damit oft die Liquidation. Das ist jetzt anders: Nach dem neuen Gesetz kann eine Gläubigermehrheit die Minderheit überstimmen und eine Sanierung anstelle einer Schließung durchsetzen.
Peer-robin Paulus, Geschäftsleitungsmitglied des Verbandes Die Familienunternehmer, begrüßt, dass eine Blockade durch „einzelne Akkordstörer“nun nicht mehr möglich ist. „Im Ergebnis bedeutet dies auch, dass ein Schuldner-unternehmen auf seine Gläubiger erheblichen Druck ausüben kann, einer außergerichtlichen und frühzeitigen
Schuldenreduzierung zuzustimmen“, ist Paulus überzeugt.
Lücke geschlossen
Das STARUG schließt die Lücke zwischen einem Insolvenzverfahren und einer außergerichtlichen Sanierung. Der Werkzeugkasten, den es zur Verfügung stellt, ist aber nicht für jeden Betrieb geeignet. Das beklagt beispielsweise Klaus-heiner Röhl, Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln: „Das relativ komplexe Gesetz eignet sich für größere Unternehmen mit höheren Schulden bei mehreren Gläubigern.“Für den überschuldeten Laden um die Ecke sei es aber nicht geeignet.
Diese Einschätzung teilen andere Experten wie Peter Kranzusch, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Mittelstandsforschung (IFM) in Bonn. Das STARUG sei zwar geeignet für finanzielle Krisenfälle mit hoher Fremdkapitalbelastung, „aber sind die Krisenursachen eher durch den Markt oder wie aktuell durch eine Pandemie verursacht, passt das Instrument weniger“, sagt Kranzusch.
Auch er sieht das Verfahren eher auf Großbetriebe zugeschnitten. Der Grund: Das Verfahren ist relativ teuer. „Bis September 2020 wurde die Eigenverwaltung 286 mal von Insolvenzgerichten angeordnet, meisten bei großen Unternehmen“, berichtet der Ifm-experte. „Das ist häufiger als in den Vorjahren, entspricht aber nur einem Anteil von drei Prozent aller Insolvenzverfahren.“
Trotz zahlreicher Kritik an Details wird das neue Gesetz von den meisten Verbänden und Organisationen begrüßt. Gelobt wird grundsätzlich die Einführung der weiteren außergerichtlichen Sanierungsmöglichkeit für Unternehmen.
Allerdings wird es voraussichtlich noch einige Monate dauern, bis das STARUG seine Wirkung entfaltet. Auch deswegen hat der Gesetzgeber die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Tatbestand der Überschuldung für Betriebe, die eine staatliche Hilfe beantragt haben, noch einmal bis Ende April verlängert.
Voraussetzung: Die Aussetzung ist geeignet, den Insolvenzgrund zu beseitigen. „Unternehmen sollen Zeit gewinnen, bis das neue Gesetz greifen kann“, sagt Iw-experte Röhl. Schließlich müssten sich die Gläubiger abstimmen und mit dem Betrieb müssten dann ein Sanierer gefunden oder ein Plan für eine interne Sanierung erarbeitet werden.
Vorgesehen ist, dass die Geschäftsleitung die Restrukturierung in Eigenregie betreibt. Allerdings steht diese Möglichkeit ausschließlich Unternehmen zur Verfügung, die „drohend zahlungsunfähig“sind.
Ist das Unternehmen jedoch schon illiquide, muss wie bisher ein Insolvenzantrag gestellt werden. Für Zahlungsunfähigkeit war die Insolvenzantragspflicht nur bis Ende September 2020 ausgesetzt.
Dietmar Rendels, geschäftsführender Gesellschafter der RST Beratung in Köln tätig Mitglied im Verband Die Familienunternehmer, rät finanziell trudelnden Betrieben, zunächst ihre Finanzbuchhaltung zu aktualisieren und eine fundierte Unternehmensplanung aufzusetzen: „Zudem sollte sehr frühzeitig ein Sanierungsgrobkonzept aufgestellt und diskutiert werden.“
Rendels unterstreicht, dass der Rettungsplan im präventiven Restrukturierungsrahmen ein kompliziertes Gebilde ist: „Das Verfahren ist in betriebswirtschaftlicher und juristischer Hinsicht extrem anspruchsvoll. Ohne sanierungs- und insolvenzerfahrene Berater sind weder die präventive Restrukturierung noch eine Insolvenz in Eigenverwaltung denkbar.“Ins gleiche Horn stößt auch Kranzusch: „Gerade kleinere Betriebe verfügen nur selten intern über ausreichende Rechtskenntnisse für das komplexe Verfahren.“Und externes Know-how ist nicht billig.
Die Alternative ist die Insolvenz. Erst jüngst wurde die Phase der Restschuldbefreiung für Selbstständige auf drei Jahre verkürzt. Doch das reicht nach Ansicht von Kranzusch nicht: „Für Selbstständige, die durch die pandemiebedingten Berufsausübungsverbote zahlungsunfähig sind und keine Fördermaßnahmen erhalten, könnte eine noch schnellere Restschuldenlösung sinnvoll sein.“
Röhl hofft, dass die Politik zur Kenntnis nimmt, dass die neuen Regeln kleineren Firmen wenig bringen: „Wenn diese Betriebe nicht zügig die zugesagten Hilfszahlungen erhalten, droht ein Firmen-massensterben.“ zur Entschädigung der Greensill-sparer
Mehr als 20 500 Sparer sind mit mehr als einem blauen Auge davongekommen. Satte 2,7 Milliarden Euro haben die beiden Einlagensicherungsfonds der deutschen Banken an die gefoppten Kunden der Greensill Bank ausgezahlt, nicht einmal drei Wochen nach der Pleite des Instituts. Die wenigsten wussten vermutlich, was sich genau hinter Greensill verbirgt. Wieder einmal haben sie den Grundsatz zur Seite gewischt: Höhere Zinsen bedeuten automatisch ein höheres Risiko. Zahlen müssen jetzt indirekt alle Kunden privater Banken. Denn die Institute füllen die Sicherungsfonds mit Pflichtbeiträgen. Das lassen sie sich indirekt über die Preise für ihre Dienstleistungen bezahlen.
Die Einlagensicherung ist gut und wichtig. Und sie funktioniert. Trotzdem sollte sie kein Freibrief für riskantere Anlageformen sein. Fein raus sind die Zinsportale, die Sparer zu Banken wie Greensill in Deutschland und in anderen europäischen Ländern locken, mit höheren Zinsen werben und sich von den Instituten für die Vermittlung der Einlagen bezahlen lassen. Gerne verweisen die Portale auf die Einlagensicherung, für sie allerdings keinen einzigen Cent zahlen. Über deren Geschäft darf man fürwahr ein Fragezeichen setzen. Am Ende freilich entscheiden Sparer selbst. Dass ein paar Euro mehr Zinsen den Ärger wert sind, darf bezweifelt werden.
Das Verfahren ist extrem anspruchsvoll.