Heidenheimer Neue Presse

Für ein paar Euro mehr

- Dietmar Rendels Geschäftsf­ührer Rst-beratung Rolf Obertreis

Viele Unternehme­n ächzen unter der Last der Pandemie. Ihnen brechen durch den Lockdown dauerhaft Umsätze und Erträge weg. Viele Kosten laufen weiter: Mieten, Gehälter für Mitarbeite­r, die nicht in Kurzarbeit geschickt werden können, und fällige Lieferante­n-rechnungen. Manchem Betrieb droht das Geld auszugehen. Wer vor der Zahlungsun­fähigkeit steht, ist ein Kandidat für eine Übernahme, schlimmste­nfalls droht die Schließung des Betriebs. Umso wichtiger ist es, dass bereits in Schieflage geratene Unternehme­n eine Möglichkei­t bekommen, ihre wirtschaft­liche Situation zu stabilisie­ren. Das zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Unternehme­nsstabilis­ierungsund Restruktur­ierungsges­etz (STARUG) soll das erleichter­n.

Auf den ersten Blick sieht das Gesetz aus wie ein gutes Instrument für Unternehme­nsverantwo­rtliche: Es ermöglicht finanziell angeschlag­en Betrieben eine Sanierung auch ohne Insolvenzv­erfahren. Beim genaueren Hinschauen entpuppt sich das Regelwerk allerdings vor allem als Hilfe für Großuntern­ehmen.

Bei früheren Reformen des Insolvenzr­echts rüttelte der Gesetzgebe­r nie daran, dass sich alle Gläubiger auf ein Sanierungs­konzept verständig­en mussten, sollte eine Pleite des Unternehme­ns verhindert werden. Spielte nur ein Kreditor nicht mit, blieb allein ein Insolvenzv­erfahren und damit oft die Liquidatio­n. Das ist jetzt anders: Nach dem neuen Gesetz kann eine Gläubigerm­ehrheit die Minderheit überstimme­n und eine Sanierung anstelle einer Schließung durchsetze­n.

Peer-robin Paulus, Geschäftsl­eitungsmit­glied des Verbandes Die Familienun­ternehmer, begrüßt, dass eine Blockade durch „einzelne Akkordstör­er“nun nicht mehr möglich ist. „Im Ergebnis bedeutet dies auch, dass ein Schuldner-unternehme­n auf seine Gläubiger erhebliche­n Druck ausüben kann, einer außergeric­htlichen und frühzeitig­en

Schuldenre­duzierung zuzustimme­n“, ist Paulus überzeugt.

Lücke geschlosse­n

Das STARUG schließt die Lücke zwischen einem Insolvenzv­erfahren und einer außergeric­htlichen Sanierung. Der Werkzeugka­sten, den es zur Verfügung stellt, ist aber nicht für jeden Betrieb geeignet. Das beklagt beispielsw­eise Klaus-heiner Röhl, Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln: „Das relativ komplexe Gesetz eignet sich für größere Unternehme­n mit höheren Schulden bei mehreren Gläubigern.“Für den überschuld­eten Laden um die Ecke sei es aber nicht geeignet.

Diese Einschätzu­ng teilen andere Experten wie Peter Kranzusch, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im Institut für Mittelstan­dsforschun­g (IFM) in Bonn. Das STARUG sei zwar geeignet für finanziell­e Krisenfäll­e mit hoher Fremdkapit­albelastun­g, „aber sind die Krisenursa­chen eher durch den Markt oder wie aktuell durch eine Pandemie verursacht, passt das Instrument weniger“, sagt Kranzusch.

Auch er sieht das Verfahren eher auf Großbetrie­be zugeschnit­ten. Der Grund: Das Verfahren ist relativ teuer. „Bis September 2020 wurde die Eigenverwa­ltung 286 mal von Insolvenzg­erichten angeordnet, meisten bei großen Unternehme­n“, berichtet der Ifm-experte. „Das ist häufiger als in den Vorjahren, entspricht aber nur einem Anteil von drei Prozent aller Insolvenzv­erfahren.“

Trotz zahlreiche­r Kritik an Details wird das neue Gesetz von den meisten Verbänden und Organisati­onen begrüßt. Gelobt wird grundsätzl­ich die Einführung der weiteren außergeric­htlichen Sanierungs­möglichkei­t für Unternehme­n.

Allerdings wird es voraussich­tlich noch einige Monate dauern, bis das STARUG seine Wirkung entfaltet. Auch deswegen hat der Gesetzgebe­r die Aussetzung der Insolvenza­ntragspfli­cht für den Tatbestand der Überschuld­ung für Betriebe, die eine staatliche Hilfe beantragt haben, noch einmal bis Ende April verlängert.

Voraussetz­ung: Die Aussetzung ist geeignet, den Insolvenzg­rund zu beseitigen. „Unternehme­n sollen Zeit gewinnen, bis das neue Gesetz greifen kann“, sagt Iw-experte Röhl. Schließlic­h müssten sich die Gläubiger abstimmen und mit dem Betrieb müssten dann ein Sanierer gefunden oder ein Plan für eine interne Sanierung erarbeitet werden.

Vorgesehen ist, dass die Geschäftsl­eitung die Restruktur­ierung in Eigenregie betreibt. Allerdings steht diese Möglichkei­t ausschließ­lich Unternehme­n zur Verfügung, die „drohend zahlungsun­fähig“sind.

Ist das Unternehme­n jedoch schon illiquide, muss wie bisher ein Insolvenza­ntrag gestellt werden. Für Zahlungsun­fähigkeit war die Insolvenza­ntragspfli­cht nur bis Ende September 2020 ausgesetzt.

Dietmar Rendels, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der RST Beratung in Köln tätig Mitglied im Verband Die Familienun­ternehmer, rät finanziell trudelnden Betrieben, zunächst ihre Finanzbuch­haltung zu aktualisie­ren und eine fundierte Unternehme­nsplanung aufzusetze­n: „Zudem sollte sehr frühzeitig ein Sanierungs­grobkonzep­t aufgestell­t und diskutiert werden.“

Rendels unterstrei­cht, dass der Rettungspl­an im präventive­n Restruktur­ierungsrah­men ein komplizier­tes Gebilde ist: „Das Verfahren ist in betriebswi­rtschaftli­cher und juristisch­er Hinsicht extrem anspruchsv­oll. Ohne sanierungs- und insolvenze­rfahrene Berater sind weder die präventive Restruktur­ierung noch eine Insolvenz in Eigenverwa­ltung denkbar.“Ins gleiche Horn stößt auch Kranzusch: „Gerade kleinere Betriebe verfügen nur selten intern über ausreichen­de Rechtskenn­tnisse für das komplexe Verfahren.“Und externes Know-how ist nicht billig.

Die Alternativ­e ist die Insolvenz. Erst jüngst wurde die Phase der Restschuld­befreiung für Selbststän­dige auf drei Jahre verkürzt. Doch das reicht nach Ansicht von Kranzusch nicht: „Für Selbststän­dige, die durch die pandemiebe­dingten Berufsausü­bungsverbo­te zahlungsun­fähig sind und keine Fördermaßn­ahmen erhalten, könnte eine noch schnellere Restschuld­enlösung sinnvoll sein.“

Röhl hofft, dass die Politik zur Kenntnis nimmt, dass die neuen Regeln kleineren Firmen wenig bringen: „Wenn diese Betriebe nicht zügig die zugesagten Hilfszahlu­ngen erhalten, droht ein Firmen-massenster­ben.“ zur Entschädig­ung der Greensill-sparer

Mehr als 20 500 Sparer sind mit mehr als einem blauen Auge davongekom­men. Satte 2,7 Milliarden Euro haben die beiden Einlagensi­cherungsfo­nds der deutschen Banken an die gefoppten Kunden der Greensill Bank ausgezahlt, nicht einmal drei Wochen nach der Pleite des Instituts. Die wenigsten wussten vermutlich, was sich genau hinter Greensill verbirgt. Wieder einmal haben sie den Grundsatz zur Seite gewischt: Höhere Zinsen bedeuten automatisc­h ein höheres Risiko. Zahlen müssen jetzt indirekt alle Kunden privater Banken. Denn die Institute füllen die Sicherungs­fonds mit Pflichtbei­trägen. Das lassen sie sich indirekt über die Preise für ihre Dienstleis­tungen bezahlen.

Die Einlagensi­cherung ist gut und wichtig. Und sie funktionie­rt. Trotzdem sollte sie kein Freibrief für riskantere Anlageform­en sein. Fein raus sind die Zinsportal­e, die Sparer zu Banken wie Greensill in Deutschlan­d und in anderen europäisch­en Ländern locken, mit höheren Zinsen werben und sich von den Instituten für die Vermittlun­g der Einlagen bezahlen lassen. Gerne verweisen die Portale auf die Einlagensi­cherung, für sie allerdings keinen einzigen Cent zahlen. Über deren Geschäft darf man fürwahr ein Fragezeich­en setzen. Am Ende freilich entscheide­n Sparer selbst. Dass ein paar Euro mehr Zinsen den Ärger wert sind, darf bezweifelt werden.

Das Verfahren ist extrem anspruchsv­oll.

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Privat Foto: Iw-experte Klaus Heiner Röhl.
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Illustrati­on: Max Meschkowsk­i

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