Heidenheimer Neue Presse

Nur oberflächl­ich einig

- leitartike­l@swp.de

Dominik Guggemos über die AFD im Superwahlj­ahr

Freund, Feind, Parteifreu­nd – keine Partei füllt diese sarkastisc­he Steigerung­sformel von Konrad Adenauer so mit Leben wie die AFD. Auf dem Parteitag in Dresden demonstrie­rte die größte Opposition­spartei im Bundestag ungewohnte Einigkeit, vor allem in personelle­n Fragen. Also Friede, Freude, Eierkuchen zwischen dem Lager um Parteichef Jörg Meuthen und seinen Gegnern von Rechtsauße­n? Keineswegs. Es ist ein pragmatisc­her Frieden auf Zeit. Der Richtungss­treit mit offenem Visier ist nur aufgeschob­en bis in die Zeit nach den Wahlen.

In diese zieht die AFD mit dem Motto: „Deutschlan­d. Aber normal.“Normal, das ist für die Partei das Deutschlan­d der 1960er-jahre. Als Zuwanderer noch Gastarbeit­er waren, von denen man erwartete, dass sie ihr Gastrecht nur auf Zeit wahrnehmen. Als unterschie­dliche Lebensweis­en außerhalb der klassische­n Familie verpönt waren. Als der Klimawande­l noch nicht mal in den Hörsälen der Republik ein Thema war, geschweige denn in der politische­n Arena.

Doch es wäre ein Fehler, das Wahlkampfm­otto als reaktionär­e Träumerei wegzuwisch­en. Denn normal, das ist natürlich auch eine Zeit vor der Pandemie, vor Lockdowns, vor Kontaktbes­chränkunge­n. Die AFD hat in Dresden eine absurd anmutende Corona-resolution beschlosse­n, die sich gegen Tests und Impfungen – die zwei einzigen Wegen aus der Krise – ausspricht. Die sogenannte­n „Querdenker“wird es freuen. Doch auch die Wähler könnten im September einen so großen Wunsch nach Rückkehr in ein normales Leben verspüren, dass das Angebot der AFD zu überzeugen vermag.

Entscheide­nd an der Verabschie­dung der Resolution beteiligt war der rechtsextr­eme „Flügel“. Frontmann

Björn Höcke, der von einer „herbeigete­steten Pandemie“sprach, feierte auf dem Parteitag ein Comeback, nachdem er sich monatelang mit öffentlich­en Äußerungen zurückgeha­lten hatte. Wie erfolgreic­h die Anträge waren, die er mit Vehemenz und scharfer Rhetorik unterstütz­t hat, zeigt, wie tief der Riss zwischen dem Meuthen-lager und den Rechtsextr­emen in der Partei unterhalb der einigen Fassade geht.

Denn „normal“ist für die AFD auch ein Deutschlan­d vor der europäisch­en Integratio­n. Obwohl sich mit dem Parteivors­itzenden Meuthen und dem Fraktionsc­hef Alexander Gauland

Das Motto ,Deutschlan­d. Aber normal’ bedeutet: Die AFD will eine radikal andere Gesellscha­ft.

zwei absolute Schwergewi­chte gegen den Austritt Deutschlan­ds aus der Europäisch­en Union ausgesproc­hen hatten, wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Die AFD wurde als Anti-euro-partei gegründet, da hat das eine gewisse Tradition. Doch das Zeichen ist klar: Die AFD will eine radikal andere Gesellscha­ft. An die verheerend­en Folgen für Frieden und Freiheit will sie sich nicht erinnern lassen.

Im Kern, das sollte die politische Konkurrenz zwingend ernst nehmen, bedient die AFD damit aber auch das Bedürfnis nach einfachen Lösungen in der globalisie­rten und komplexen Welt. Ihren Gegenspiel­er in diesem Kulturkamp­f sieht die Partei in den Grünen. Darin ist sich die AFD sehr einig – nicht nur oberflächl­ich.

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