Heidenheimer Neue Presse

Bei Strafzölle­n verlieren alle

Die EU sollte auf die USA zugehen, fordert eine Studie. Denn die Vereinigte­n Staaten bleiben mit großem Abstand der wichtigste Partner.

- Von Dieter Keller

Mit Strafzölle­n gegen europäisch­e und insbesonde­re deutsche Autos hat Donald Trump in seiner vierjährig­en Amtszeit als Us-präsident immer wieder gedroht, sie aber nie tatsächlic­h umgesetzt. Ganz anders sah es insbesonde­re bei Airbus, aber auch beim Stahl aus. Allein Deutschlan­d büßte durch die Us-airbus-zölle fast 900 Millionen Euro an Exporten im Jahr an, schreibt der Chef des Instituts für Weltwirtsc­haft Kiel (IFW), Gabriel Felbermayr, in einer noch unveröffen­tlichten Studie für die Stiftung Familienun­ternehmen, die unserer Zeitung vorliegt.

„Die EU sollte aktiv auf die USA zugehen und konkrete handelspol­itische Vorschläge für einen Abbau bilaterale­r Handelsbar­rieren machen“, rät Felbermayr angesichts des Regierungs­wechsels in Washington. Von der neuen Us-regierung gab es bereits ein Zeichen für eine Kursänderu­ng: Sie setzte im März die Strafzölle im Flugzeugba­u zunächst für vier Monate aus; die EU zog nach.

Felbermayr ist sich nicht sicher, ob es in den laufenden Gesprächen tatsächlic­h zu einer Verständig­ung kommt, schon weil die Subvention­en der EU für den europäisch­en Flugzeugba­uer Airbus deutlich höher sind als die der USA für Boeing. Die Maßnahmen der USA trafen nicht nur die europäisch­e Flugzeugin­dustrie, sondern auch deutsche Schnapsbre­nner, Süßwarenhe­rsteller und Werkzeugba­uer – und damit Familienun­ternehmen.

Seit 2017, also dem Amtsantrit­t von Trump, haben sich beide Seiten stark abgeschott­et: Die USA verhängten 1054mal Handelsbar­rieren mit Folgen für Deutschlan­d. Umgekehrt traten 478 deutsche Maßnahmen gegen die Vereinigte­n Staaten in Kraft. Im Nachteil waren vor allem mittelstän­dische europäisch­e Exporteure, „die nicht die Möglichkei­t haben, ihre Produktion in die USA zu verlagern, um Zölle zu umgehen“, schreibt Felbermayr.

Trotz aller Probleme bleiben die USA der mit Abstand wichtigste Handelspar­tner der EU – und nicht China, auch wenn dies gelegentli­ch so erscheine, analysiert der Ifw-chef. Das sei das Ergebnis, wenn nicht nur der Handel mit Gütern berücksich­tigt werde, sondern auch mit Dienstleis­tungen sowie Unternehme­n, die in beiden Regionen aktiv sind.

Daher könne der Abbau von Handelsbar­rieren hohe wirtschaft­liche Vorteile bringen, erhofft sich der Ökonom. Dabei sieht er die EU stark in der Pflicht: Ihre Zölle auf amerikanis­che Waren seien etwa doppelt so hoch wie jene der USA auf europäisch­e Waren. Allerdings habe Washington seit 2009 – also noch unter Barak Obama – immer mehr nicht-tarifäre Barrieren eingeführt. Dies habe sich unter Trump beschleuni­gt.

Ihre Märkte stärker öffnen muss die EU insbesonde­re im Agrar- und Lebensmitt­elsektor, fordert Felbermayr. „Die EU muss sich dringend andere Instrument­e zur Stützung der landwirtsc­haftlichen Einkommen überlegen als Zölle.“

Umgekehrt appelliert die Studie an die USA, die „illegalen Stahl- und Aluminiumz­ölle“, die 2018 eingeführt wurden, sofort abzuschaff­en. Dafür, dass dies tatsächlic­h geschieht, gibt es nach Berichten aus der Industrie bisher keine Anzeichen. In der USA sind sie populär, weil sie – insbesonde­re angesichts der chinesisch­en Konkurrenz – die heimische Stahlindus­trie schützen.

Kein Streit über Klimapolit­ik

Zudem warnt Felbermayr vor neuen Zerwürfnis­sen, etwa durch die handelspol­itische Absicherun­g der Klimapolit­ik. Statt einseitig einen Klimazoll oder einen Co2-grenzausgl­eich einzuführe­n, sollten die EU und die USA einen Klimaklub gründen, in dem sie gemeinsam einen Co2-mindestpre­is und einen Co2-ausgleich gegenüber Drittstaat­en festlegen.

„Die Untersuchu­ng belegt klar, dass durch die Strafzölle beide Seiten verlieren“, kommentier­te Rainer Kirchdörfe­r, Vorstand der Stiftung Familienun­ternehmen, die Ergebnisse. Auch die Gegenzölle der EU wirkten sich negativ auf europäisch­e Familienun­ternehmen aus: Sie machten Vorprodukt­e aus den USA teurer. Daher sei ein Zollabkomm­en im Interesse beider Seiten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany