Cafeteria darf wieder öffnen
Das Seniorenzentrum Mühlehof in Steinen nimmt den Vergleichsvorschlag des VGH Mannheim an.
Der Streit um gemeinsames Essen geimpfter Senioren in Corona-zeiten in Südbaden bekommt bundesweit Relevanz. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe forderte die Lockerung der Corona-einschränkungen für geimpfte Heimbewohner und warnte vor Grundrechtsverletzungen.
„Es ist ganz grundsätzlich eine Frage, ob die sehr restriktiven Einschränkungen, die in Seniorenheimen gelten, überhaupt vertretbar sind“, sagte Kuratoriumsmitglied und Sozialpolitik-professor Frank Schulz-nieswandt. „Denn auch Heimbewohner haben das Recht, zumindest mit darüber zu entscheiden, ob und in welche Gefahr sie sich bringen wollen, um etwa Freiheitsrechte nicht gänzlich zu verlieren.“
Das Seniorenzentrum Mühlehof in Steinen (Landkreis Lörrach) möchte seine Cafeteria wieder öffnen, damit die Senioren zusammen essen können. Dafür war der Anwalt bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat nach einer zunächst abschlägigen Entscheidung einen Vergleichsvorschlag vorgelegt und den Betrieb der Cafeteria für geimpfte oder genesene Bewohner und Mitarbeiter erlaubt. Er hatte das mit einer Neueinschätzung des RKI begründet, wonach Geimpfte kaum ansteckend seien. Das Seniorenzentrum nahm den Vorschlag am Montag an.
Wann kommt Normalität?
Dem stimmte am Montagabend auch das Gesundheitsministerium weitestgehend zu. „Wir sind an einer für alle Beteiligten zufriedenstellenden Einigung interessiert. Dabei gilt es, das Bedürfnis älterer geimpfter Menschen nach Normalisierung genauso im Blick zu behalten wie alle Erkenntnisse des Gesundheitsschutzes“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne).
Lucha kündigte weitere Änderungen mit Blick auf Geimpfte für stationäre Einrichtungen der Pflege an. Bei einer Impfrate von 90 Prozent der Bewohner könnten wieder mehr Besuche ermöglicht werden. Die Hygienemaßnahmen,
insbesondere die qualifizierte Maskenpflicht und die Testung vor Zutritt für Besucherinnen und Besucher, gelten laut Lucha aber weiterhin.
„Die Frage ist, wann erreichen wir wieder Normalität in Pflegeheimen und beim betreuten Wohnen“, sagte der Altersforscher Eckart Hammer. Der Unterschied sei wichtig, weil die Menschen im betreuten Wohnen – wie im Fall Mühlehof – als einzelne Haushalte gelten.
Bewohner eines Pflegeheims hingegen seien eine Hausgemeinschaft, sagte Hammer. Gerade hier verbrächten viele nur noch ein bis zwei Jahre vor ihrem Tod. Daher sei es wichtig, sie am sozialen Leben teilhaben zu lassen.
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe warf die Frage auf, ob die Grundrechtsbeschränkungen nicht eher mit den strukturellen Problemen in der Pflege zusammenhingen. Jeden Heimbewohner zu seiner persönlichen Situation zu befragen wäre wegen des Personalmangels wohl gar nicht möglich gewesen.