Kreativität im Weinglas
Was deutsche Winzer mit ausgefallenen Namen wie „Nacktarsch“oder „Narrenkappe“einst vormachten, hat global Nachahmer gefunden.
Mr Perfect“steht neben der „Nymphomanin“, die Ur-sünde („Original sin“) ist nicht weit. „Allesverloren“? Weinnamen in Südafrika schrecken vor nichts zurück – auch nicht vor einem „Red Rhino“– einem roten Nashorn. Wer ganz besoffen von ewiger Jugend am Weinglas nippen will, auch dem kann in der kreativen Weinlandschaft an der Südspitze Afrikas geholfen werden: „The Fountain of Youth“– der Quell der Jugend aus dem Oak Valley zählt zu den prämierten Qualitätsweinen am Kap. Südafrikas Winzer setzen ihren Töchtern, ihren Ehefrauen, ihren vierbeinigen Freunden und ihrer aktuellen Lebenssituation ganz generell gerne namentliche Denkmäler.
Südafrikas Parkverwaltung reiht sich ebenfalls ein in die Liste der kreativen Namensgeber und setzt beim Kampf gegen die Wilderei auf einen Wein namens „Rhino Tears“– Nashorn-tränen. Genießer des Schiraz-pinotage-cabernet-sauvignons können beim feuchtfröhlichen Genuss gleich noch was Gutes tun: Ein Teil des Erlöses geht in den Kampf gegen die Wilderer. Es ist ein Marketing-trend.
In Deutschland macht der „Kröver Nacktarsch“von der Mosel schon lange mit seinem lustigen Namen von sich reden. Doch der Trend zu munteren Einfällen ist eher neu. „Die Kreativität in der Namensgebung von Weinen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. „Dieser Trend ist eng mit dem Generationswechsel zu jungen Winzern verbunden.“
So füllt etwa das Pfälzer Weingut Lukas Krauß einen „Pornfelder“ab, eine Cuvée aus den beiden Rotweinrebsorten Dornfelder und Portugieser. Sein Kollege Emil Bauer hingegen setzt einen bewussten Kontrapunkt mit seinen Weinen unter dem Motto
„No Sex, Drugs and Rock‘n‘roll – just Riesling for me, thanks!“. Einige Winzer sind aus der Not kreativ geworden, etwa wenn neue Rebsorten so wenig bekannt sind, dass sich ihr Name schlecht vermarkten lässt. Das Württemberger Weingut Gemmrich etwa vertreibt seine Weine mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz Piwi genannt, unter der Linie „Unkaputtbar“und spielt damit auf den besonders robusten Charakter der Reben an.
In Frankreich etwa erregte Jean-marc Speziale vor etlichen Jahren mit seinem „Vin de Merde“große Aufmerksamkeit – auf gut deutsch: Scheißwein. Er kommt aus der Küstenregion Languedoc-roussillon im Süden des Landes. Speziale hatte, so erzählte er Journalisten, die Nase voll davon, dass Weine aus der Region oft einen eher schlechten Ruf hatten. Unter dem Motto „Das Schlimmste verbirgt das Beste“spielte er mit den Vorurteilen – und verkauft erfolgreich seit Jahren seinen Scheißwein.
Bezug auf reiche Fauna
In Neuseeland haben sogar die Weingüter kuriose Namen – gern mit Bezug auf die reiche Fauna der Pazifikinsel. Man nehme etwa die „Squealing Pig Winery“(„quiekendes Schwein“) aus der berühmten Weinregion Marlborough auf der Südinsel. Aus Australiens Barossa Valley stammt ein Wein der Rebsorte Grenache mit dem ebenso kurzen wie vielversprechenden Namen „Bitch“(„Hure“).
Tierisch kreativ geht es auch in Argentiniens Weinwelt zu: Als die Unternehmer-familie Millán aus Mendoza vor einigen Jahren ins Weingeschäft einstieg, bezeichneten die alteingesessenen Winzer der Region sie als „Sapo de Otro Pozo“(Kröte aus einem anderen Teich). Die Familie nahm es mit Humor und nannte ihre Cuvée aus Malbec, Cabernet Franc und Syrah so.