Heidenheimer Neue Presse

Fußball paradox: Die Väter des Erfolgs suchen das Weite

Eintracht Frankfurt ist die Überraschu­ng der Saison, kommt der Königsklas­se immer näher – und muss womöglich wieder von vorne beginnen.

- Von Carsten Muth

Vom Fast-absteiger 2016 zum Dfb-pokal-sieger 2018 und Europa-league-halbfinali­sten 2019. Und nun winkt sogar die erste Teilnahme an der Champions-league. Die Entwicklun­g von Eintracht Frankfurt ist erstaunlic­h und vor allem mit einem Namen verbunden: Fredi Bobic. Der Schwabe hat als Vorstandsb­oss aus der früher so launischen Eintracht eine positive Marke gemacht. Doch jetzt sucht der Macher das Weite.

Bobic wird den Klub nach der Saison verlassen. Er nutzt eine Ausstiegsk­lausel in seinem Vertrag. Dem Vernehmen nach zieht es ihn zur Hertha nach Berlin, einem abstiegsbe­drohten Klub, der womöglich nächste Saison in Liga zwei spielen könnte. Neben Bobic wird auch Sportdirek­tor Bruno Hübner nach zehn Jahren das Kapitel Eintracht Frankfurt im Sommer beenden.

Doch damit nicht genug: Auch Erfolgscoa­ch Adi Hütter zieht es weg. Der 51 Jahre alte Österreich­er soll sich mit Borussia Mönchengla­dbach auf eine Zusammenar­beit zur neuen Saison geeinigt haben. Hütter, der vor wenigen Wochen noch öffentlich erklärte, bleiben zu wollen, wird nach Lage der Dinge am Niederrhei­n die Nachfolge des zu Borussia Dortmund wechselnde­n Marco Rose antreten. Obwohl die Frankfurte­r die bislang beste Saison der Vereinsges­chichte spielen, historisch­es schaffen können.

Die Eintracht ist Vierter, hat 53 Punkte nach 28 Spielen auf dem Konto – und erst drei Niederlage­n. In diesem Kalenderja­hr ist Frankfurt sogar das beste Bundesliga-team. 36 Punkte nach 15 Spielen – das ist besser als die Bayern (35), Leipzig (32) oder Wolfsburg (30) – von Borussia Dortmund (24) ganz zu schweigen. Doch das Erfolgsger­üst der vergangene­n Jahre droht einzustürz­en. Gut möglich, dass die Eintracht demnächst in ihre erste Champions-league-saison geht und dabei von vorne anfangen muss – mit einer neuen sportliche­n Führung, einem neuen Coach.

Begehrte Eintracht-profis

Fredi Bobic, die frühere Vfb-stürmerleg­ende, scheiterte einst als Manager in Stuttgart und wurde vom Hof gejagt. Bei der Eintracht erhielt er 2016, ausgestatt­et mit ordentlich­er Machtfülle, eine neue große Chance. Eine Gelegenhei­t, die der 49-Jährige eindrucksv­oll genutzt hat. Die Eintracht steht blendend da. Bobic aber dürfte es unter anderem deshalb nach Berlin ziehen, weil seine Familie dort lebt. Zudem sind die finanziell­en Voraussetz­ungen bei der Hertha dank des Einstiegs eines Großinvest­ors nicht übel.

Warum Adi Hütter die Main-metropole verlässt, bleibt unklar. Vor drei Jahren war der Österreich­er von Young Boys Bern in die Bundesliga gewechselt. Nach drei weiteren Jahren soll nun Schluss in Frankfurt sein. Was Mittelfeld­spieler Sebastian Rode nicht versteht. Der Frankfurte­r Rundschau sagte er nach dem 4:3-Sieg gegen den VFL Wolfsburg, bei dem die Eintracht mal wieder ein Offensiv-spektakel geboten hatte: „Ich wüsste nicht, was den Trainer nicht in Frankfurt halten sollte.“

Klar ist: Bobic und Hütter genießen inzwischen einen exzellente­n Ruf. Sie sind für viele Konkurrent­en interessan­t geworden. Derart interessan­t, dass Hertha BSC und Gladbach hohe Ablösen bezahlen wollen. Dem Vernehmen nach muss die Borussia 7,5 Millionen Euro berappen, um Adi Hütter aus seinem laufenden Vertrag herauszuka­ufen.

„Wenn Hütter und Bobic gingen – das wäre ein Schlag ins Kontor“, sagte Eintracht-ikone und Fußball-weltmeiste­r Jürgen Grabowski kürzlich in der Bild. Das sehen viele so. Zumal es ferner denkbar erscheint, dass auch die derzeit so starke Mannschaft auseinande­rbricht. Stürmer Lokua Jovic ist ausgeliehe­n und dürfte im Sommer zurück zu Real Madrid gehen. Torjäger André Silva (23 Saisontref­fer) und Top-scorer Filip Kostic lassen es derart krachen, dass sie im Fokus europäisch­er Topklubs stehen. Trudeln saftige Angebote für die beiden ein, dürfte die Eintracht in Corona-zeiten schwach werden.

Nun wissen sie allerdings in Frankfurt durchaus, wie man sich neu erfindet. In den vergangene­n Jahren musste der Klub jedes Jahr aufs Neue den Verlust von Leistungst­rägern verkraften. So verließen Torwart Lukas Hradecky, Leader Kevin Prince Boateng und die „Offensiv-büffelherd­e“Sebastian Haller, Ante Rebic und Luka Jovic die Eintracht ebenso wie Trainer Niko Kovac, mit dem die SGE 2018 überrasche­nd die Bayern im Dfb-pokalendsp­iel besiegt hatte. Es kamen dafür Torwart Kevin Trapp, Mittelfeld­mann Sebastian Rode, die Offensivkr­äfte André Silva, Daichi Kamada und Amin Younes – sowie Trainer Adi Hütter.

Bislang ging der Weg des Traditions­vereins, dessen „Fans besonders laut und überdreht sind“

(Frankfurte­r Rundschau), trotz der vielen Wechsel stets weiter nach oben. Es ist nicht ausgemacht, dass dies so bleiben muss.

Wenn Hütter und Bobic gingen – das wäre ein Schlag ins Kontor. Jürgen Grabowski Eintracht-legende

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Foto: Thomas Frey, Uwe Anspach/dpa Haben aus Eintracht Frankfurt ein Top-team geformt, wollen den Klub aber nun verlassen: Trainer Adi Hütter (links) und Vorstandsb­oss Fredi Bobic.
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