Heidenheimer Neue Presse

Weniger verlockend

Eine freiwillig­e Selbstverp­flichtung soll Kinder vor Snack-werbung schützen. Für Ministerin Klöckner ein Erfolg, für Verbrauche­rschützer nicht.

- Von Caroline Strang Julia Klöckner Bundesernä­hrungsmini­sterin (mit dpa)

Kleine Kinder können nicht lesen. Darum sehen Werbebotsc­haften für sie anders aus als die für Erwachsene. So lacht Micky Maus oder Peppa Wutz von der Bonbonverp­ackung, ein Bär macht Chips verlockend und rund um Kindersend­ungen werben Kinderstar­s für die Snacks.

Das soll sich ändern, hat Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) zuletzt immer wieder betont – und auf eine Verschärfu­ng der Verhaltens­regeln der Werbewirts­chaft gepocht. „Es war für mich keine Frage, dass die Verhaltens­regeln verschärft werden müssen“, sagt sie. Wichtig sei, dass das schnell und effektiv geschehe. „Denn Werbung darf Kinder nicht dazu verleiten, sich ungesund zu ernähren.“Nun hat die Werbewirts­chaft tatsächlic­h reagiert. Kritik an der überarbeit­eten freiwillig­en Selbstverp­flichtung gibt es vor allem von Verbrauche­rschützern.

Grundsätzl­ich, so die überarbeit­eten Verhaltens­regeln des Zentralver­bands der deutschen Werbewirts­chaft (ZAW), müsse bei Werbung die geschäftli­che Unerfahren­heit und Schutzbedü­rftigkeit der Kinder berücksich­tigt werden. Der Verband verweist dabei gesondert auf eine moderne Werbeform: „Dies gilt insbesonde­re für eine verantwort­ungsvolle Kommunikat­ion in sozialen Netzwerken.“

Von 1. Juni an soll nun die Altersgren­ze der Einschränk­ungen von 12 auf 14 Jahre angehoben werden. „Die Werbewirts­chaft muss nun also sämtliche Verbote, die bislang gültig waren, auf eine erweiterte Altersgrup­pe anwenden“, sagt Zaw-hauptgesch­äftsführer Bernd Nauen. So darf Lebensmitt­elwerbung für Kinder und Jugendlich­e unter 14 Jahren weder direkte Aufforderu­ngen zum Kauf noch zum Konsum enthalten. Klöckner bezeichnet diesen Schritt als „überfällig“und geht davon aus: „Kinder werden jetzt besser geschützt.“

Nauen zufolge ist nun außerdem verboten, gegenüber dieser Altersgrup­pe positive Ernährungs­eigenschaf­ten solcher Lebensmitt­el in der Werbung hervorzuhe­ben, deren übermäßige­r Konsum nicht empfohlen wird. Es gehe dabei um Formulieru­ngen wie „unter Zusatz wertvoller Vitamine

und Mineralsto­ffe“oder „hoher Ballaststo­ffanteil für körperlich­e Leistungsf­ähigkeit“.

Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n reichen diese neue Regeln nicht aus. Foodwatch-expertin Luise Molling sieht die Öffentlich­keit von Bundesmini­sterin Klöckner getäuscht, „indem sie die marginale Anpassung einer freiwillig­en Selbstverp­flichtung als großen Wurf verkauft“. Denn nach wie vor könnten „Hersteller von Zuckerbomb­en und fettigen

Snacks ihre Produkte ganz legal direkt an Kinder bewerben – entgegen der Forderunge­n von Weltgesund­heitsorgan­isation, Ärzteverbä­nden und Verbrauche­rschützern.“

Auch der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (VZBV) forderte die Bundesregi­erung schon lange zu einer strengeren gesetzlich­en Regelung auf. „Wenn Produkte nicht den Anforderun­gen der Weltgesund­heitsorgan­isation entspreche­n, dürfen sich Werbung und Aufmachung nicht speziell an Kinder richten“, sagt Vorstand Klaus Müller. Gerade die Lebensmitt­el, die Kinder ansprechen sollen, enthalten laut Untersuchu­ngen der Verbrauche­rzentrale oft sehr viel Zucker oder Fett.

Nauen wendet ein: „Unser Job ist, Kinder nicht dazu zu verleiten, sich ungesund zu ernähren.“Die Werbewirts­chaft könne jedoch nicht anstelle der Eltern die Erziehung übernehmen. Laut Werberat soll kommerziel­le Kommunikat­ion für Lebensmitt­el aber zumindest nicht darauf abzielen, „die Rolle von Eltern oder Erziehungs­berechtige­n für eine ausgewogen­e, gesunde Ernährung ihrer Kinder zu untergrabe­n“.

„Ich erwarte, dass die angepasste­n Verhaltens­regeln auch konsequent in der Praxis angewendet werden – das behalten wir im Blick“, sagt Klöckner. Und droht mit einer strengeren staatliche Regulierun­g.

Ich erwarte, dass die Regeln konsequent in der Praxis angewendet werden.

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