Grüne nominieren Baerbock als Kanzlerkandidatin
Die Parteichefin kündigt an, Deutschland grundlegend verändern zu wollen. Der Co-vorsitzende Robert Habeck plant Wahlkampf als Spitzenduo.
Erstmals in ihrer Geschichte haben die Grünen eine Kanzlerkandidatin: Parteichefin Annalena Baerbock. Die 40-Jährige kündigte nach der Nominierung durch den Parteivorstand an, Deutschland grundlegend verändern zu wollen: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht.“Für die Bundestagswahl am 26. September formulierte sie einen klaren Machtanspruch: „Verändern statt zu versprechen: Jetzt ist die Zeit, in diesem Sinne eine gute Regierung
anzuführen. Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.“
Mit der Entscheidung für Baerbock endeten monatelange Spekulationen. Die Grünenchefin muss zwar noch auf einem Parteitag vom 11. bis 13. Juni bestätigt werden. Das gilt aber als Formsache. Die Partei hatte die Klärung der Kandidatenfrage ihren beiden Vorsitzenden Baerbock und Robert Habeck (51) überlassen. Diese verständigten sich untereinander geräuschlos. Die Bundestagswahl ist am 26. September.
Habeck sagte: „In dieser Situation führt der gemeinsame Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurücktreten muss.“Trotzdem will er die Grünen mit Baerbock als Spitzenduo in den Wahlkampf führen. Baerbock hatte seit einiger Zeit als Favoritin für die Kandidatur geholten. Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der ersten Frau im Kanzleramt, kamen Glückwünsche. Die Grünen hatten sich angesichts der seit 2018 hohen Umfragewerte erstmals für eine Kanzlerkandidatur entschieden. Derzeit sind sie mit mehr als 20 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU/CSU und vor der SPD.
Baerbock hat nach Ansicht ihres Parteifreunds Winfried Kretschmann das Zeug dazu, eine „wirkliche Kanzlerin für das ganze Land“zu werden. „Sie ist eine Frau aus dem Westen, die aber im Osten seit vielen Jahren Politik gestaltet“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident zur Nominierung. „Sie ist gewissermaßen die personifizierte Überwindung des Ost-west-konfliktes.“
Weniger strenge Ausgangsbeschränkungen in der Nacht, aber strengere Regeln für Schulen – auf diese Änderungen bei der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes haben sich die Regierungsfraktionen von Union und SPD geeinigt. So soll im Zuge der bundesweiten Notbremse die nächtliche Ausgangssperre statt um 21 Uhr erst um 22 Uhr beginnen und bis 5 Uhr dauern, wie am Montag aus den beiden Fraktionen verlautete. Noch bis Mitternacht soll erlaubt sein, alleine zu joggen oder spazieren zu gehen.
Die Regelung ist für Regionen vorgesehen, in denen die Sieben-tage-inzidenz über 100, also 100 Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche, liegt. Für Schulen wäre, wenn das Gesetz am Mittwoch so vom Bundestag beschlossen wird, Distanzunterricht ab einem Sieben-tage-inzidenzwert von 165 verpflichtend. Im ursprünglichen Entwurf war hier ein Schwellenwert von 200 genannt worden. Bereits ab einer Inzidenz von 100 soll Wechselunterricht vorgeschrieben werden.
Auf die Änderungen bei der Ausgangssperre habe man sich „nach hartem Ringen“geeinigt, sagte Spd-fraktionschef Rolf Mützenich. Nun sei „etwas Angemessenes“vereinbart worden. Spd-gesundheitspolitiker Karl Lauterbach meinte aber, im Vergleich zur harten Ausgangsbeschränkung ab 20 Uhr „sinkt die
Wirkung ab 22 Uhr mit Ausnahmen um zirka 50 Prozent“. Auch die Inzidenz für die Schulschließung sei zu hoch.
Verabredet wurden außerdem Erleichterungen für den Einzelhandel. Dieser soll zwar, mit Ausnahme von Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, bei einer Inzidenz von 100 schließen. Nun heißt es aber, „die Abholung vorbestellter Waren in Ladengeschäften“(Click & Collect) sei auch bei höheren Inzidenzen zulässig. Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 150 soll zudem der Ladenbesuch nach vorheriger Terminbuchung möglich sein.
Unabhängig von der Inzidenz soll eine Homeoffice-pflicht im Gesetz verankert werden. Demnach müssten Arbeitgeber „im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten“anbieten, dies in der Wohnung auszuführen, „wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Die Beschäftigten müssen dies annehmen, „soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“.
Die Koalitionsfraktionen wollen zudem dem Bundestag mehr Rechte sichern. Verordnungen des Bundes für zusätzliche Eindämmungsmaßnahmen sollen nur mit aktiver Zustimmung des Bundestags möglich sein – zuvor war geplant, dass nach Verstreichen einer Frist die Zustimmung des Parlaments als erteilt gilt. Alle Regelungen sind befristet bis zum 30. Juni.
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