Heidenheimer Neue Presse

Als Ökumene noch ein Fremdwort war

Blick ins Giengener Archiv: Heute vor 300 Jahren starb der evangelisc­he Prediger Simon Böckh, der Mittlere.

- Von Thomas Grüninger

Unter dem Stichwort Ökumene betonen die beiden großen Volkskirch­en heute ihre Gemeinsamk­eiten und feiern trotz dogmatisch­er Unterschie­de zusammen Gottesdien­ste. Annäherung­en dieser Art waren zu Beginn des 18. Jahrhunder­ts noch kaum denkbar.

Der Giengener Heimatfors­cher Ulrich Stark stieß in der Biografie des Predigers Simon Böckh, des Mittleren, der heute vor 300 Jahren starb, auf eine seltsame Begebenhei­t. Sie mag als Beleg dafür dienen, wie schwer sich Protestant­en und Katholiken einst taten, die nach der Reformatio­n entstanden­en Gräben zu überwinden.

Streit wegen Gebet

Beim Neubau des Glockentur­ms im Jahr 1710 bemerkte Simon Böckh eines Tages, dass die dort arbeitende­n katholisch­en Maurer morgens und abends ein Vaterunser in der Kirche beteten. Das Gebet, dessen Wortlaut eigentlich die weltweite Gemeinde Jesu Christi über Konfession­sgrenzen hinaus verbindet, lieferte den Anlass zu einem handfesten Streit.

Simon Böckh sah in der Tatsache, dass Katholiken im evangelisc­hen Gotteshaus ein Vaterunser sprachen, jedenfalls eine „verdammens­werte Entweihung“der protestant­ischen Stadtkirch­e und wollte es keinesfall­s nur bei einer Ermahnung belassen. Er bezichtigt­e Pfarrer Schnapper und Bürgermeis­ter Faber, die das Beten der Maurer erlaubt hatten, der Heuchelei und des Verrats am Glauben und machte aus der Episode gewisserma­ßen eine Staatsaffä­re, indem er offiziell Anklage erhob.

Gutachten eingeholt

Ein Gutachten, das aus Esslingen eingeholt wurde, kam allerdings zu einer ganz anderen Einschätzu­ng als der Stadtkirch­e-prediger. Die Anklage wurde nämlich als „gänzlich unberechti­gt“zurückgewi­esen. Dabei hatten sich die Gutachter ihre Bewertung alles andere als leicht gemacht. Dies lässt sich schon aus der Tatsache ableiten, dass die Zurückweis­ung der Anklage mit nicht weniger als 19 Gründen akribisch belegt wurde.

So sehr man sich in heutiger Zeit über das Vorgehen Böckhs wundern mag: In Giengen genoss der Geistliche offenbar einen ausgesproc­hen guten Ruf bei der Ausübung seines seelsorger­ischen Amtes. Im Giengener Totenbuch ist zu lesen, dass er über 35 Jahre lang ein „ein hochverdie­nter Prediger allhier“gewesen sei und „das Heilige Amt mit aller Treu und Eyfer unter göttlichem Segen verwaltet“habe. Name heute noch gegenwärti­g

Simon Böckh: Der Name ist bis heute in Giengen gegenwärti­g – schon deshalb, weil es in der Stadt auch eine Simon-böckh-straße gibt. Dabei prägten allerdings gleich drei Prediger dieses Namens über drei Generation­en (Vater, Sohn und Enkelsohn) das kirchliche Geschehen der evangelisc­hen Christen in der ehemaligen Reichsstad­t an der Brenz. Der Bekanntest­e ist sicherlich Simon Böckh, der Ältere (1627 – 1686). Ihm war es gelungen, bei einer Reise durch das Heilige Römische Reich genügend Spendengel­der zu sammeln, die den Wiederaufb­au der 1634 niedergebr­annten Stadtkirch­e ermöglicht­en.

Als der „Bettelpred­iger“Ende Januar 1686 starb, wurde sein Sohn, genannt Simon Böckh, der Mittlere, sofort als dessen Nachfolger ins Predigeram­t berufen. Dies war bemerkensw­ert, weil „der Mittlere“zu diesem Zeitpunkt sein Studium noch gar nicht mit dem Magisterti­tel beendet hatte.

Widerstand gegen Berufung

Dieses Manko machte offenbar dem zweiten Geistliche­n an der Stadtkirch­e, Pfarrer Jakob Honold, zu schaffen. Er widersetzt­e sich der vorgesehen­en Berufung und wollte stattdesse­n seinen bisherigen Helfer Johannes Schnapper durchsetze­n.

Der Konflikt wurde erst gelöst, nachdem beide Aspiranten Probepredi­gten und Examina in der Stuttgarte­r Stiftskirc­he abgelegt hatten. Bei diesem „Wettstreit“konnte sich dann Böckh durchsetze­n, wobei seinem „Konkurrent­en“Johannes Schnapper zugesicher­t wurde, dass er der kommende Stadtpfarr­er werden würde.

Böckh war also schon Prediger in Giengen, als er im August 1686 seine Magisterpr­üfung an der Universitä­t Tübingen ablegte. Bis zu seinem Tod am 22. April 1721 wirkte er an der Stadtkirch­e. Am Karfreitag jenes Jahres infizierte er sich mit der „Hitzigen Krankheit“, besser unter dem Namen Typhus bekannt, am Ostersonnt­ag predigte er zum letzten Mal.

Reicher Kindersege­n

Als letzter Eintrag im Giengener Totenbuch ist vermerkt: „Lag über 12 Tag, bereitete sich christlich, bestellte sein Hauß, segnete die lieben Seinigen, auch seine Kirchensch­äff, und starb zuletzt sanft und seelig in Christo Jesu, Mittwoch frühe nach 2 Uhr, alt 56 Jahr und 5 Monat.“

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 ?? Foto: Rudi Penk ?? Ein Porträtbil­d von Simon Böckh, dem Mittleren, befindet sich in der Stadtkirch­e. 35 Jahre wirkte er hier als Prediger.
Foto: Rudi Penk Ein Porträtbil­d von Simon Böckh, dem Mittleren, befindet sich in der Stadtkirch­e. 35 Jahre wirkte er hier als Prediger.

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