Beinahe wie im Kalten Krieg
Hinter dem Anschlag auf ein Munitionslager steckt nach Ansicht der tschechischen Regierung der russische Geheimdienst. Die Regierung in Prag spricht von Terror.
Es klingt wie eine Mischung aus Spionagethriller und Mafiakrimi. Zwei russische Agenten lassen in dem malerisch gelegenen Dorf Vrbetice im äußersten Osten Tschechiens zwei Munitionsdepots in die Luft gehen, damit ein zwielichtiger bulgarischer Geschäftsmann von dort kein Sprengmaterial ins ostukrainische Kriegsgebiet liefern kann. Zwei Menschen sterben, mehrere Dörfer müssen evakuiert werden. Das tschechische Militär braucht zwei Jahre, um die Trümmer zu beseitigen.
All das jedoch ist keine Fiktion. Zumindest ist die Regierung in Prag nach mehr als sechsjährigen Ermittlungen zu dieser Überzeugung gelangt. Es gebe „eindeutige Beweise“. Demnach haben Agenten des russischen Auslandsgeheimdienstes GRU im Herbst 2014 in Vrbetice einen „abscheulichen und völlig inakzeptablen terroristischen Akt verübt“, wie es Premier Andrej Babis zuletzt formulierte. Da hatte seine Regierung bereits 18 russische Diplomaten ausgewiesen, die sich ebenfalls der Spionage schuldig gemacht hätten. Außerdem schloss Tschechien den staatlichen russischen Energiekonzern Rosatom von der Ausschreibung für den Ausbau des Atomkraftwerks Dukovany aus.
Der Thriller um die Munitionsdepots in Vrbetice erinnert nicht nur an Aktionen im Kalten Krieg. Er hat auch das Potenzial, den zuletzt wieder verschärften Ostwest-konflikt weiter anzuheizen. Denn eigentlich galten Babis und vor allem der tschechische Präsident Milos Zeman als russlandfreundlich. Beide pflegten enge Beziehungen nach Moskau. Nun jedoch bat die Führung in Prag die Verbündeten in EU und Nato eindringlich um Unterstützung. Schneller reagierte allerdings der Kreml. Russland wies seinerseits 20 tschechische Botschaftsmitarbeiter aus.
Agenten waren auch in England
Was an Fakten bislang publik wurde, stützt allerdings eher die tschechische Version von einem Sabotageakt. Inklusive einer zynischen Pointe. Denn zum Durchbruch bei den Ermittlungen trug die Enttarnung von zwei Gru-agenten bei, die 2018 den Giftanschlag auf den russischen Ex-spion Sergej Skripal in England verübt haben sollen. Genau diese beiden Männer der Spezialeinheit 29155 hielten sich im Herbst 2014 in Tschechien auf und besuchten unter falschen Namen auch die Munitionsdepots.
Und nicht nur Ort, Zeit und Gelegenheit passen. Auch das Motiv für den mutmaßlichen Anschlag liegt auf der Hand: Der bulgarische Waffenhändler Emilian Gebrew wollte Ende 2014 über die tschechischen Depots Kriegsmaterial in den umkämpften ostukrainischen Donbass liefern. Dort sollte es gegen die prorussischen Milizen zum Einsatz kommen.