Heidenheimer Neue Presse

Der schwierige Holzweg

Bei der Konferenz der Umweltmini­ster und im Bundestag steht die Klima- und Ökoleistun­g des Waldes auf der Tagesordnu­ng. Andere wollen den Wald sich selbst überlassen.

- Von André Bochow

Es wird wohl Mitternach­t werden, wenn im Bundestag über den Wald gesprochen wird. Jedenfalls sieht der Zeitplan für den heutigen Donnerstag um 23.50 Uhr die Debatte über einen Antrag der Fraktionen von CDU/ CSU und SPD vor. Überschrif­t: „Ein vitaler, klimastabi­ler Wald nutzt allen – Ökosysteml­eistungen ausreichen­d honorieren“. Denn der Wald wird dringend für die Co2-speicherun­g, den Wasserhaus­halt und die Artenvielf­alt gebraucht. Nur fällt es ihm immer schwerer, diese Leistungen zu erbringen. „Drei Dürrejahre, Sturmschäd­en und Schädlings­befall haben zu massiven Schäden geführt“heißt es in dem Text der Regierungs­parteien. Bis Mitte 2020 führte das bundesweit zu 178 Millionen Kubikmeter Schadholz, „auf einer Fläche von rund 285 000 Hektar, die wiederbewa­ldet werden müssen“.

Drei Probleme stehen im Weg

Der sinnvollen Bewaldung stehen drei Probleme im Weg. Da ist zunächst die Struktur des Waldbesitz­es. Unter den zwei Millionen privaten und kommunalen Waldeigent­ümern sind sehr viele Kleinsteig­entümer, die oft zu einer vernünftig­en Bewirtscha­ftung nicht in der Lage sind. Zudem erschwert der Verbiss, vor allem durch Rehe, die Aufforstun­g enorm. Aber das neue Jagdgesetz lässt weiter auf sich warten. Hinzu kommt Geldmangel der Besitzer.

Deswegen wollen die Waldbauern jetzt Geld aus dem Energieund Klimafonds. Max von Elverfeldt, Bundesvors­itzender des Verbandes Familienbe­triebe Land und Forst will aber nicht einfach eine Flächenprä­mie. „Es kann natürlich nicht sein, dass wir hier Sofa-waldbauern bekommen. Es geht um die Bewirtscha­ftung des Waldes und seine Rolle für den Klimaschut­z.“Immerhin habe eine repräsenta­tive Umfrage ergeben, dass 76 Prozent der Bevölkerun­g für eine Unterstütz­ung des bewirtscha­fteten Waldes seien. Der Verbandsch­ef für 2000 Familienbe­triebe rechnet vor, wofür er die Mittel will. Es geht um den „stoffliche­n Zuwachs des Holzes“, also um Holz, das im Wald steht, geschlagen und verarbeite­t wird und dabei weiter CO2 speichert. Davon wird das Holz abgezogen, das verbrannt wird. „Mit dem festgelegt­en Co2-preis von anfänglich 25 Euro würde die Klimaleist­ungsprämie danach 112,50 Euro pro Jahr und Hektar betragen“, sagt Elverfeldt. Der Finanzplan der Bundesregi­erung sehe 26,8 Milliarden Euro an Klimaschut­zinvestiti­onen aus dem Energie- und Klimafonds vor. Die Forderung der Waldeigent­ümer, die immerhin 11,4 Millionen Hektar Wald bewirtscha­fteten, komme nicht einmal auf fünf Prozent dieser Summe.

Nicht nur im Bundestag findet diese Forderung Unterstütz­ung. Auch die gerade tagende Umweltmini­sterkonfer­enz der Länder hat die „Honorierun­g der Klimaschut­z und anderer Ökosysteml­eistungen des Waldes“auf der Agenda. Und im Bundesland­wirtschaft­sministeri­um wird weiter an der „Waldstrate­gie 2050“gearbeitet, die noch in dieser Legislatur­periode von der Bundesregi­erung verabschie­det werden soll. Im aktuellen Entwurf, der dieser Zeitung vorliegt, wird kritisiert, dass die bisherige staatliche Förderung sich vorwiegend die wirtschaft­lichen Interessen der Forstbetri­ebe im Auge habe. „Die Bereitstel­lung der Ökosysteml­eistungen an sich wird demgegenüb­er nur ansatzweis­e gefördert.“Das soll sich ändern. Wie genau, das wird offenbar noch diskutiert.

Aber vielleicht bedarf es gar keiner Förderung? Man bräuchte sie jedenfalls nicht, wenn man denjenigen folgte, die am liebsten den Wald allein alle Schäden reparieren lassen würden. Motto: Die Natur hilft sich selbst. Keine Eingriffe, weder Aufforstun­g noch Beräumung des Schadholze­s und natürlich auch kein Holzeinsch­lag. Die Methode Urwald, so die Theorie, sei die beste, um den Wald klimagerec­ht wachsen zu lassen. „Nicht bewirtscha­ftete Wälder leisten im Vergleich zu Wirtschaft­swäldern einen größeren Beitrag zur langfristi­gen Kohlenstof­fspeicheru­ng“, heißt es etwa beim Nabu.

Es gibt aber auch jene, die sich wundern, warum die Waldbesitz­er und Waldbauern Zuwendunge­n bekommen, wenn gerade Holzpreise derzeit steigen und Bauholz knapp wird. Der Bundesverb­and Holzpackmi­ttel, Paletten, Exportverp­ackung schlägt sogar Alarm, weil der Holzmarkt in Deutschlan­d derzeit wie leergefegt ist. Ein Grund für die steigenden Preise: Der Bauboom in den USA. Die Holzexport­e dorthin sind 2020 um 42 Prozent gestiegen. Allerdings steigen die Preise erst seit kurzem und sie kommen von einem extrem niedrigen Niveau.

So oder so bleibt die Frage, welche Bäume in Zukunft steigende Temperatur­en, Trockenhei­t und Stürme überstehen. „Selbst die in Mischwälde­rn angebauten Fichten haben sich in Teilen Deutschlan­ds nicht bewährt“, sagt Hans von der Marwitz, Präsident der kommunalen und privaten Waldbesitz­erverbände (AGDW) „Auch Laubwälder aus Buchen und Eichen sind in manchen Regionen schwer geschädigt“. Aufklärung werden die gerade anlaufende­n Feldaufnah­men zur vierten Bundeswald­inventur bringen, die vom Thünen-institut für Waldökosys­teme koordinier­t werden. Das Aufforsten bleibt ein Wettlauf mit dem Klimawande­l.

Es kann natürlich nicht sein, dass wir hier Sofa-waldbauern bekommen. Max von Elverfeldt Vorsitzend­er Verband Land und Forst

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Foto: Patrick Pleul/dpa Abgestorbe­ne Fichten in einem Waldgebiet mit gesunden Nadel- und Laubbäumen.

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