Die Kraft kommt aus dem Stein
Ratschläge und Tipps für die „Auszeit“gibt es im Kunstmuseum Ravensburg.
Seit gut einem Jahr haben wir sie schon, die Auszeit. Verdammt lange her, dass wir bei Cappuccino die Nachmittagssonne am Gardasee genießen konnten. Eine Rarität auch die Besuche in Kunsthallen und Museen, auch so ein Lebensmittel, auf das wir nicht verzichten wollen. Schön, dass es das Kunstmuseum Ravensburg gibt, wo wir die Chance erhalten, zu beobachten, wie Künstlerinnen und Künstler diese selbst verordneten oder momentan durch Covid und Corona erzwungenen Auszeiten nutzen. „Von Pausen und Momenten des Aufbruchs“, lautet der Titel der Ausstellung – zu sehen ist sie aber erst dann, wenn in Ravensburg die Auszeit, der Lockdown, beendet ist und das Museum wieder aufmacht. Pressevertretern wurde schon mal Einblick gewährt.
Wer glaubt, dass die Kunstbranche sich gemütlich auf die Couch legt, der hat die Antriebskräfte in diesem Metier völlig unterschätzt. Der Tisch im Kunstmuseum
Ravensburg jedenfalls ist mit Bedienungsanleitungen für Auszeit-beschäftigungen überladen. Natürlich fallen zuerst die prominenten Namen auf der Künstlerliste auf.
Yoga und Enzianbäder
Was hat denn etwa die Performerin Marina Abramovic dabei? Nichts wirklich Spektakuläres, es sind zwei mit Selenit- und Quarzkristallen unterlegte Stühle, dazu ein Blutstein und ein Sodalith-kristall, die sie in Ravensburg präsentiert. Aber was man damit anstellen kann, macht Eindruck. Bei ihrem langen Marsch über die Chinesische Mauer, bei Studien in Indien und Australien hat sie sich mit der magischen Kraft der Steine und Minerale beschäftigt, und die will sie nun auch dem Museumsbesucher vermitteln. Wer will, der kann also seine Stirn solange er mag an den Blutstein legen und überprüfen, ob sich seine Energie auf ihn überträgt.
Plakativer ist da John Lennons und Yoko Onos Protestaktion „Bed-ins-for-peace“von 1969, als die beiden zur Freude der Medien als Teil ihrer Flitterwochen 14 Tage in Hotelbetten in Amsterdam und Montreal verbrachten. Als Selbstversuch für die Museumsbesucher wäre vielleicht Christian Jankowskis Körper-und Geist-optimierung besser geeignet. Er hat sich im Hotel einquartiert und dort zehn Tage lang ein Ertüchtigungsprogramm durchlitten, mit Yoga-übungen, Enzianbädern, Darmreinigungen, Tiefengewebsmassagen, Kneipp-kuren, Sitzungen mit Psychologen, kulinarischen Workshops und undund...
Wer solcherart anstrengende Exerzitien in seiner Auszeit außen vor lassen will, der kann sich in Ravensburg auch die klassischen Auszeit-verheißungen der Expressionisten Max Pechstein, Otto Mueller oder Ernst Ludwig Kirchner zu Gemüte führen, malerisches Material mit paradiesischen Erholungs-oasen wird reichlich serviert.
Übrigens wird man dabei früher oder später entdecken, dass die Auszeiten oft den Effekt haben, dass die Protagonisten schnell wieder große Lust entwickeln, Party zu machen und kräftig zu feiern.