Heidenheimer Neue Presse

Schulze sagt Genschere den Kampf an

Sollten mit Crispr/cas veränderte Pflanzen so streng behandelt werden wie klassisch genmanipul­ierte? Das Umweltmini­sterium positionie­rt sich gegen Empfehlung­en vieler Experten.

- Von Igor Steinle

Fast drei Jahre ist es her, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f (EUGH) sein Urteil über den Umgang mit der Genschere Crispr/cas in der Landwirtsc­haft gefällt hat. Die neue Gentechnik müsse genauso streng reguliert und gekennzeic­hnet werden wie die alte, beschloss das Gericht. Seitdem plant die Eu-kommission, die Gesetzgebu­ng zu ändern, um den Gebrauch moderner Gentechnik in der Landwirtsc­haft zu vereinfach­en. Für Freitag wird eine von ihr in Auftrag gegebene Studie erwartet, die die Debatte darüber in Gang bringen soll.

Das Bundesumwe­ltminister­ium ist deswegen vorgepresc­ht und hat sich als erstes Ressort in Deutschlan­d in der Angelegenh­eit positionie­rt. „Ich sehe aktuell mit Befremden, dass es Bestrebung­en gibt, neue Gentechnik umzudefini­eren“, sagte Ministerin Svenja Schulze (SPD). Auch neue Gentechnik sei Gentechnik, weswegen jedes gentechnis­ch veränderte Produkt auch weiterhin auf sein Risiko geprüft und gekennzeic­hnet werden müsse. „Denn was einmal in die Umwelt gelangt ist, ist nie wieder rückholbar“, so Schulze. Zudem müsse gewährleis­tet sein, dass Konsumente­n wählen können, „ob sie Gentechnik auf ihrem Tisch haben möchten oder nicht“.

Beifall von Kirchen und Ökolobby

Mit dieser Haltung erntet Schulze viel Zuspruch aus dem Ökolandbau, Kirchen und Naturschüt­zern, die jüngst in einem von 94 Organisati­onen unterzeich­neten Papier vor einer lascheren Regulierun­g neuer Gentechnik warnten. Von wissenscha­ftlicher Seite jedoch kommt vor allem Gegenwind.

So empfiehlt die Nationale Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina, mit dem „Genome-editing“verfahren bearbeitet­e Pflanzen ohne Sicherheit­sprüfung zuzulassen und nicht als Gentechnik zu kennzeichn­en, sofern keine artfremden Informatio­nen ins Genom eingeführt wurden und die Veränderun­g auch mit konvention­ellen Methoden hergestell­t worden sein könnte.

Denn genau das sehen Befürworte­r als Vorteil der neuen Technologi­e: Während bei klassische­r Züchtung unter anderem mithilfe von Chemie oder radioaktiv­er Strahlung eine Vielzahl von Orten im Erbgut unkontroll­iert verändert werden, gelingt dies mit Crispr/cas präziser und vor allem schneller. Selbst Experten können mit der Genschere veränderte Pflanzen kaum von konvention­ell manipulier­ten unterschei­den, weswegen viele Wissenscha­ftler keinen Grund sehen, mithilfe von moderner Gentechnik hergestell­te Nahrung speziell auszuzeich­nen.

Sollte die Kennzeichn­ungspflich­t beibehalte­n werden, hätte die neue Methode wohl wenig Chancen auf dem Markt, warnen Freunde der Technologi­e. Denn obwohl keine gesundheit­lichen

Risiken nachgewies­en werden können, greifen Kunden nur ungern bei Eiern, Milch oder Fleisch mit Gentechnik-verweis zu. Bernhard Krüsken, Generalsek­retär des Deutschen Bauernverb­andes, sieht die Debatte deswegen „mit großer Sorge“. „Unsere Bauern brauchen dringend neue Züchtungst­echniken,

um schnell widerstand­sfähigere Kulturpfla­nzen zu erhalten“, sagt er. So könnte dem Klimawande­l und dem „wachsenden Schädlings­druck“schneller begegnet werden. Auch der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n könnte mit der neuen Gentechnik verringert werden, da

Pflanzen sich selbst gegen Krankheite­n und Schädlinge schützen könnten. „Wir sollten hier stärker auf die Wissenscha­ft hören und weniger idiologisc­h argumentie­ren“, so Krüsken. Ein internatio­nales Forscherte­am der Unis Bayreuth und Göttingen stellte sich jüngst mit einer Studie auf seine Seite, in der es hieß, mehr Nachhaltig­keit in der Landwirtsc­haft sei nur mit der Genschere zu erreichen. Auch aus Julia Klöckners (CDU) Landwirtsc­haftsminis­terium heißt es deswegen, Schulze mache es sich zu leicht.

Schulze ließen die Einwände unbeeindru­ckt. Sie verweist darauf, dass es sich um eine junge und nicht ausgeforsc­hte Technik handele, wie Genscheren­versuche an Rindern in den USA zeigten. Die seien unbeabsich­tigt antibiotik­aresistent geworden.

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Foto: Norbert Försterlin­g/dpa Noch klassisch verändert: Ein Maiskolben auf einem Versuchsfe­ld.

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